Die NZZ ist schon kurios. Sie will schon wieder einen CEO an der Spitze, der nichts von Medien versteht.
Wenn man einen Personalentscheid verstehen will, dann muss man wissen, wie der Entscheid zustande kam.
Nachdem sich die NZZ-Gruppe im Juni fristlos von ihrem CEO Veit Dengler getrennt hatte, brauchte es eine Interimslösung. Finanzchef Jörg Schnyder sprang ein.
Es war klar, dass Schnyder nur eine temporäre Aushilfe war. Weil auch Schnyder das wusste, schaute er darauf, dass zumindest ein Kollege von ihm an die Spitze der NZZ-Gruppe gelangte.
Der Kollege, der nun NZZ-CEO wurde, ist Felix Graf. Graf war bisher Chef der Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW), eines Staatsunternehmens im Besitz von Kantonen der Ost- und Innerschweiz. Graf und Schnyder kennen sich gut, weil Schnyder seit sieben Jahren im Verwaltungsrat der CKW sitzt.
Es setzt sich damit das Kuriosum fort, dass die NZZ partout keine Medienkompetenz an ihrer Spitze will. Man will stattdessen von -Medienlaien geführt werden. Das ist einzigartig. Es gibt, von Ringier bis Tamedia und von Springer bis New York Times, weltweit keinen größeren Zeitungskonzern, der nicht von einem Branchenprofi operativ geführt würde. Alle CEOs kommen aus dem Journalismus oder aus dem Medienmanagement.
Bei der NZZ hingegen nehmen sie nun einen, der seine Karriere fern der Branche und dafür unter Staatsobhut machte. Vor den CKW war Graf bei der Swisscom.
Mangelnde Kostenkontrolle
Erstaunlich daran ist, dass die NZZ mit derselben eigenwilligen Personalpolitik zuletzt gehörig auf die Nase fiel. Vorgänger von Neo-CEO Felix Graf war der Österreicher Veit Dengler. Er war zuvor beim Computerhersteller Dell und beim Rabatthändler Groupon, also auch völlig frei von Medien-Knowhow. Es waren vier verlorene Jahre. Während die Konkurrenz von Tamedia, Ringier und AZ Medien substanziell vorankam, gelang der NZZ in dieser Phase nicht eine einzige umsatzrelevante Akquisition oder Innovation. Man setzte stattdessen auf irgendwelchen Schabernack, indem man etwa das Filmfestival Zürich kaufte.
Als Folge dieser Passivität brachen die Zahlen der NZZ-Mediengruppe ein. Seit 2013 sank der Umsatz um rund 40 Millionen. Und nun wird es interessant.
Trotz des Umsatzeinbruchs stiegen bei der NZZ die Personalkosten seitdem um Millionen. Ein schrumpfendes Geschäft wird von mehr und teureren Mitarbeitern verwaltet. Das ist sehr ungewöhnlich. In der Medienbranche ist striktes Kostenmanagement der entscheidende Faktor geworden.
Kostenkontrolle ist auch keine Spezialität des neuen CEO Felix Graf. Bei seinem Stromunternehmen CKW stagniert der Umsatz auch seit Jahren. Die Personalkosten stiegen unter Graf dennoch deutlich an. Bei Staatsbetrieben kann man solche Scherze allenfalls noch tolerieren, beim margenschwachen Privatunternehmen NZZ ist das riskant.
Natürlich wussten sie auch bei der NZZ, dass sie als neuen CEO ein eher exotisches Kaninchen aus dem Hut zauberten. Darum schürften sie in seiner Biografie nach so etwas wie Medienerfahrung. Sie wurden fündig. Graf arbeitete vor dem Jahr 2010 für Swisscom TV und war kurzzeitig operativer Chef des Pay-TV-Kanals Teleclub aus demselben Konzern.
Nun hat das leider mit Journalismus und mit Medien nichts zu tun. Swisscom TV und Teleclub sind kein Inhalts-, sondern ein Distributionsgeschäft. TV-Sender und Videos sind im Angebot, weil Swisscom damit für die Kunden ein Gesamtpaket von Festnetz, Mobile und Internet anbieten kann.
Das heißt nun natürlich nicht, dass der Neue bei der NZZ keinen guten Job machen wird. Es heißt nur, dass die NZZ wieder mal alles anders macht als alle anderen.
Erstveröffentlichung: Weltwoche vom 7. Dezember 2017
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Schlagwörter:Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW), Felix Graf, Jörg Schnyder, NZZ, Schweiz, Veit Dengler