Für Auslandschweizer:innen sind Medien wichtig, um sich über ihr Herkunftsland zu informieren. Dabei werden unterschiedliche Angebote unterschiedlich oft genutzt. Wer intensiv Medien nutzt, partizipiert auch eher am demokratischen Prozess.
Für Menschen, die auswandern, sind Nachrichtenmedien eine wichtige Informationsquelle, um über Ereignisse in ihrem Heimatland auf dem Laufenden zu bleiben. In digitalisierten Medienumgebungen ist der transnationale Nachrichtenkonsum zur Regel geworden. Über digitale Medienangebote können Nutzer:innen Nachrichtenangebote aus aller Welt abrufen. Doch transnationaler Medienkonsum ist kein neues Phänomen. Internationale Ausgaben von Zeitungen oder spezielle Nachrichtensendungen des Rundfunks richteten sich schon seit Jahrzehnten traditionell an ein Publikum im Ausland. Der öffentliche Rundfunk in der Schweiz betreibt mit swissinfo.ch ein mehrsprachiges Onlineangebot, das aus dem 1935 gegründeten Radio Schweiz International hervorging und explizit Ausgewanderte als Zielgruppe nennt.
Auch aus politischer Sicht sind Auslandschweizer:innen eine relevante Zielgruppe. Durch die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen gestalten sie die Politik in ihrem Heimatland mit. Mit ihrem direktdemokratischen System ist die Schweiz ein besonders interessanter Fall. Abstimmungen finden in der Schweiz mehrmals pro Jahr statt. Schweizer:innen, die im Ausland leben, sind im Vorfeld von Wahlen oder Abstimmungen immer wieder relevante Adressat:innen in den Kampagnen von politischen Akteuren. Auslandschweizer:innen sind also eine Zielgruppe, an der nicht nur Medienunternehmen ein kommerzielles Interesse haben, sondern die auch für politische Akteure wie Parteien oder Politiker:innen von Bedeutung ist.
Wir wollten daher wissen, welche Medien Auslandschweizer:innen nutzen, um sich über ihr Herkunftsland zu informieren und wie diese Mediennutzung mit der politischen Partizipation zusammenhängt. Für unsere Studie haben wir Daten einer Leserschaftsbefragung der Schweizer Revue, der offiziellen Publikation der Auslandschweizer-Organisation (ASO), ausgewertet. Die Befragung wurde vom Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich im Auftrag der ASO durchgeführt.
Mediennutzung einer politisch relevanten Zielgruppe
Auslandschweizer:innen nutzen am ehesten kostenpflichtige (M = 2.96 auf einer Skala von 1 «gar nicht» bis 4 «regelmässig») aber auch kostenlose Onlinezeitungen (M = 2.11) aus der Schweiz (vgl. Tabelle 1). Gedruckte Zeitungen aus der Schweiz werden hingegen weniger oft genutzt (M = 1.88). Zeitungen, die nicht aus der Schweiz stammen, sind die zweitwichtigste Informationsquelle (M = 2.88). Auch Social Media (M = 2.29) sind für Auslandschweizer:innen zentrale Kanäle für Informationen zu Ereignissen und Themen in der Schweiz. Eine wichtige Stellung nehmen die Angebote der öffentlichen Rundfunkanbieterin SRG SSR ein, besonders ihr Auslandangebot swissinfo.ch (M = 2.41). Die Auslandeinheit der SRG SSR liegt somit in der Präferenz von Auslandschweizer:innen deutlich vor ihren Fernseh- (M = 2.09) und Radioangebote (M = 1.94) sowie der Websites (M = 1.91). Private Fernseh- und Radioangebote (M = 1.51) spielen in den Medienrepertoires eine untergeordnete Rolle.
Tabelle 1 | ||||||
Mediennutzung von Auslandschweizer:innen im Total und nach Repertoire | ||||||
Media | Total | Information Seekers | Digitally Connected | Broadcasting Regulars | Occasional Spectators | |
Schweizer Abo-Zeitungen Online | 2.96 | 3.62 | 3.38 | 2.54 | 2.33 | |
Schweizer Abo-Zeitungen Print | 1.88 | 2.25 | 1.65 | 2.28 | 1.58 | |
Kostenlose Schweizer Onlinezeitungen | 2.11 | 3.03 | 2.50 | 1.59 | 1.42 | |
Zeitungen aus dem Ausland | 2.88 | 3.41 | 3.32 | 2.78 | 2.09 | |
SRG swissinfo.ch | 2.41 | 3.01 | 2.70 | 2.08 | 1.90 | |
SRG Fernsehen | 2.09 | 3.27 | 1.50 | 2.92 | 1.32 | |
SRG Radio | 1.94 | 2.99 | 1.39 | 2.72 | 1.26 | |
SRG Online | 1.91 | 3.08 | 1.67 | 2.05 | 1.28 | |
Privates Radio- und Fernsehen | 1.51 | 2.38 | 1.23 | 1.66 | 1.11 | |
Social Media | 2.29 | 2.90 | 2.96 | 1.52 | 1.66 | |
Overall | 2.21 | 3.00 | 2.26 | 2.21 | 1.61 | |
Die meisten Menschen informieren sich nicht über eine einzelne Quelle. Sie nutzen ein Menü von verschiedenen Angeboten, ein sogenanntes Medienrepertoire. Medienrepertoires sind über die Zeit stabile Muster der individuellen Mediennutzung. Wir haben in unserer Studie mit einer Cluster-Analyse fünf typische Medienrepertoires identifiziert, die Auslandschweizer:innen nutzen, um sich über die Schweiz zu informieren. Diese ähneln den Repertoires, die in allgemeinen Nutzungsstudien ausgewiesen werden, weisen aber auch einige Besonderheiten auf.
- die “Information Seekers” (14% der Befragten),
- die “Digitally Connected” (23%),
- die “Broadcasting Regulars” (15%),
- die “Occasional Spectators” (21%),
- die “Revue-only Readers” (26%).
Die Repertoires setzen sich mit absteigender Intensität mit News aus der Schweiz auseinander. Die Gruppe der “Information Seekers” verfolgt Neuigkeiten aus der Schweiz aktiv über diverse Quellen und nutzt alle Angebote intensiv (vgl. Tabelle 1). Die «Digitally Connected» informieren sich online und speziell auf Social Media über die Schweiz. Die «Broadcasting Regulars» wiederum nutzen zu diesem Zweck vorwiegend die Radio- und Fernsehprogramme der SRG SSR, dies regelmässig. Die «Occasional Spectators» nutzen die abgefragten Kanäle, um sich sporadische über die Schweiz zu informieren. Die «Revue-only Readers» nutzen einzig die Schweizer Revue, die offizielle Publikation der ASO, um sich über Themen mit Bezug zur Schweiz zu informieren. Unsere Studie hat nur die Informationsnutzung zu Ereignissen und Themen mit Bezug zur Schweiz untersucht. Konkret wissen wir beispielsweise nicht, ob die «Revue-only Readers» generell wenig Medien nutzen oder ob sich dieses Muster nur auf die Nutzung von Schweiz-spezifischen Informationen bezieht. Es ist plausibel, dass in dieser Gruppe Personen subsummiert sind, die sich zu anderen Themen vielseitig und oft informieren.
Die Analyse zeigt weiter, dass die Mediennutzung und die politische Partizipation eng verknüpft sind. Politische Partizipation haben wir erhoben, indem wir nach der Registrierung als Wähler:in gefragt haben. Diese muss proaktiv beantragt werden und verfällt, wenn man für vier Jahre nicht an Abstimmungen oder Wahlen teilnimmt. Sie ist somit ein geeigneter Proxy für politische Partizipation. Unsere Studie zeigt, dass die «Information Seekers» und die «Digitally Connected», also die Segmente, die sich regelmässig über ihr die Schweiz informieren, eher als Wähler:innen registriert sind. Der in der Forschung etablierte positive Zusammenhang von Informationsnutzung und politischer Partizipation gilt somit auch für die Gruppe der Auslandschweizer:innen.
Heterogene Gruppe
Auslandschweizer:innen sind eine heterogene Gruppe. Unsere Studie zeigt, dass je enger die Beziehung zur Schweiz ist, desto intensiver und vielfältiger die Mediennutzung ausfällt. Die Extreme bilden dabei die Repertoires der «Information Seekers» und die «Revue-only Reader». Personen, die der Gruppe der «Revue-only Reader» angehören, leben in der Regel schon lange im Ausland, sind typischerweise Doppelbürger:in und nehmen nich
t am politischen Prozess in der Schweiz teil. Die «Information Seekers» hingegen haben oft nur den Schweizer Pass, leben noch nicht lange im Ausland und sind als Wähler:in registriert. Sie können es sich gemäss Befragung auch vorstellen, in naher Zukunft wieder in die Schweiz zurückzukehren. Informationen zur Schweiz sind somit für ihren geplanten Lebensentwurf nach wie vor von Bedeutung.
Literatur
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Schlagwörter:Diaspora, Mediennutzung, Schweiz