Putin bündelt russische Medienmacht

19. Dezember 2013 • Pressefreiheit • von

Der russische Präsident Wladimir Putin hat die staatliche Nachrichtenagentur RIA Nowosti aufgelöst und sie in ein neues Medienunternehmen überführt. Es trägt den Namen „Russland heute“ und soll künftig international das Meinungsbild über Russland prägen. Der Chef der neuen Nachrichtenagentur, Dmitry Kiselyov, ist berühmt-berüchtigt für seine konservativen, homophoben und antiwestlichen Ansichten.

Auch der staatliche Rundfunksender „Stimme Russlands“ soll unter der neuen Holding firmieren. Die staatliche Tageszeitung Rossiiskaya Gazeta und das Magazin Rodina sollen ebenfalls umstrukturiert werden.

Bislang gehörte RIA Nowosti neben der staatlichen Nachrichtenagentur ITAR-TASS und der privaten Nachrichtenagentur Interfax zu den größten Medienunternehmen Russlands. RIA Nowosti und sein internationales Korrespondentennetzt arbeiteten in insgesamt 22 Sprachen, zur Medienholding gehörten zudem die Agentur für Wirtschaftsinformationen PRIME, die Agentur für Justiz- und Gerichtsinformationen RAPSI, die Agentur für Wissenschaftsinformationen RIA Nauka und das Verlagshaus Moskowskije Nowosti (Moskauer Nachrichten). Momentan ist die Zukunft der Angestellten bei RIA Nowosti noch unklar, sie haben noch keine genauen Informationen erhalten.

Bekannt für seine Unabhängigkeit

Obwohl RIA Nowosti ein staatliches Medienunternehmen war, genoss es in der Berichterstattung über nationale und internationale Ereignisse mehr Freiheiten als viele der bundesstaatlichen russischen TV-Sender. Unter Chefredakteurin Svetlana Mironyuk, die den Posten seit 2004 innehatte, machte sich die Agentur als relativ vertrauenswürdige und ausgewogene Nachrichtenquelle einen Namen. Viele der RIA Nowosti-Journalisten nahmen auch aktiv an den Protesten von 2011/12 gegen Putin teil. Bekannt war die Agentur auch für ihren Einsatz von neuen Medienformaten wie Datenjournalismus und Infografiken, die in der übrigen russischen Medienlandschaft eher selten zu finden sind.

Die ehemalige Chefredakteurin Mironyuk brach in Tränen aus, als sie sich vergangene Woche von ihren Mitarbeitern verabschiedete. Sie sagte, sie verstehe nicht, warum ausgerechnet „das beste Medium“ Russlands aufgelöst werden müsse, um Geld zu sparen.

Das Budget von RIA Nowosti war in den vergangenen Tagen einer der Kernpunkte der Diskussionen. Angeblich betrug das Jahresbudget 2013 rund 2,9 Milliarden Rubel (knapp 65 Millionen Euro). Der Staat spielt in der russischen Medienlandschaft eine große Rolle, vor allem in finanzieller Hinsicht. Laut Schätzungen gehören 80 Prozent aller russischen Medien dem Staat.

Es war geplant, dass RIA Nowosti auch über die olympischen Winterspiele Anfang 2014 berichten sollte. Viele fragen sich, warum die Nachrichtenagentur nun kurz vor und nicht nach den Olympischen Winterspielen umstrukturiert wird. Hauptgrund seien die antirussischen und Pro-EU-Proteste in der Ukraine (das EJO berichtete), sagen Analysten. Mit dem neuen Medienunternehmen Russland heute versucht die Kreml-Regierung ihre politische Macht in Russland und im Ausland zu stärken.

Der Anti-Held im staatlichen russischen Fernsehen

Auch die Besetzung des Chefpostens von Russland heute sorgt für Diskussionen. Dmitry Kiselyov, ehemaliger Chefnachrichtensprecher des staatlichen TV-Senders Rossiya, ist für seine Putin-treuen Ansichten bekannt. Unter Kreml-Gegnern gilt er als Anti-Held im staatlichen russischen Fernsehen. Nach seiner Ernennung haben russische Medien einige seiner Aussagen aus den vergangenen Jahren gesammelt und veröffentlicht, auf ‚Platz 1‘ landete folgendes Zitat:

„Ich denke, das Gesetz gegen homosexuelle Propaganda ist nicht genug. Es sollte Homosexuellen verboten werden, Blut und Sperma zu spenden, und ihre Herzen sollten im Falle von Autounfällen in der Erde vergraben oder verbrannt werden, da sie ungeeignet sind, das Leben von irgendjemandem zu verlängern.“

Die russische Regierung geht also gegen ihre Kritiker in die Offensive. Dieses Vorgehen, das sich auch in der Besetzung des Russland heute-Chefpostens mit Kiselyov ausdrückt, könnte einen vernünftigen Dialog mit der restlichen Welt blockieren.
The Conversation

Erstveröffentlichung auf Englisch: The Conversation vom 13. Dezember 2013

Übersetzt aus dem Englischen von Tina Bettels

 

Bildquelle: World Economic Forum / Wikimedia Commons

 

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