Die ARD im Shitstorm

26. Februar 2019 • Qualität & Ethik • von

„Framing Manual“: Frappierend ist, wie eine gefeierte Sprachwissenschaftlerin mit platter Propaganda und Parteinahme ihren Ruf als Forscherin gefährdet. 

Das von der ARD bestellte „Framing“-Handbuch wurde jüngst viel zitiert, gehypt und durch den Kakao gezogen. Jedermann und jedefrau sollte es am besten selber lesen, um zu erfahren, mit welch schlichtem „Neusprech“ er oder sie davon überzeugt werden sollte, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr oder minder „freiwillig“ zu lieben und mit höheren Beiträgen zu beglücken. Es gab dazu nicht nur in den sozialen Netzwerken Shitstorms, auch viele Redaktionen würdigten das Machwerk kritisch – was sonst angesichts der Machtpositionen von ARD und ZDF im öffentlichen Diskurs viel zu selten passiert.

Frappierend ist, wie eine gefeierte Sprachwissenschaftlerin mit platter Propaganda und Parteinahme ihren eigenen Ruf als Forscherin gefährdet. Immerhin hatte Elisabeth Wehling zuvor zum politischen Framing, also zur subtilen Beeinflussung des Publikums durch Wortwahl und Sprachgewalt, einen Sachbuch-Bestseller publiziert. Ein Rätsel bleibt auch, weshalb bei der ARD die PR-Abteilungen sowie die Granden vom Chefredakteur an aufwärts offenbar zu phantasielos waren, um aus Wehlings schlauem Büchlein selbst die nötigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Dass die ARD-Oberen stattdessen bei ihr eine „Arbeitshilfe“ für ihre Selbstdarstellung orderten und der Wissenschaftlerin für ihr eher stümperhaftes Manual samt Begleitauftritten 120.000 Euro zuschoben, ist vielleicht ja nur ein Skandälchen. Aber es ist eben doch in mehrfacher Hinsicht ein Armutszeugnis. Es zeigt, wie kommunikationsunfähig die öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Bürokratien in eigener Sache sind. Vielleicht hat sich die ARD ja von Karl Lagerfeld inspirieren lassen. Dem Modemacher, der letzte Woche verstarb, wird ja der Tipp zugeschrieben, man solle das Geld zum Fenster hinauswerfen, damit es durch die Tür wieder hereinkomme.

Ohne einen Anflug von Kollegen-Neid möchte ich zum Schluss Unvergleichbares vergleichen: Ich müsste für den Tagesspiegel 2.400 Media-Lab Kolumnen schreiben, um auf das Honorar zu kommen, das die ARD Frau Wehling aus unseren Beitragsgeldern gewährte, damit wir alle noch mehr für ihre zahlreichen TV- und Radio-Programme bezahlen. Der Spaßfaktor beim Kolumnen-Schreiben ist allerdings wohl größer!

Erstveröffentlichung im Tagesspiegel am 24.02.2019

Foto: Flickr

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