Medialer Public Service ist ein Garant der Demokratie

3. März 2022 • Aktuelle Beiträge, Medienpolitik, Qualität & Ethik • von

Die Lust, mit der auf Medien eingedroschen wird, die Public Service und Public Value hochhalten, ist brandgefährlich. Studien belegen, wie wichtig sie für Demokratien sind. Es geht um das Prinzip, erklärt Journalistik-Professorin Marlis Prinzing.

Das Hauptstadtstudio der ARD am Berliner Spree-Ufer.

Die Regierung Johnson hat angekündigt, der BBC die finanzielle Basis zu entziehen; in Deutschland will die CDU in Sachsen-Anhalt die ARD abschalten; in Österreich entwarfen ÖVP und FPÖ den Plan, wie sie sich über Personalentscheidungen den ORF untertan machen können und wie sie die ORF-Gebühren abschaffen; in der Schweiz muss sich die SRG immer wieder rechtfertigen, dass sie Gebühren für ihre Leistungen erhält. Geld ist der Hebel.

Von Eigeninteressen angetriebene, kommerzielle Medienakteure treiben solche Ansinnen lautstark mit voran: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk solle gestutzt werden, er sei zu teuer. Und überdies linkslastig. Die Kritik ist oftmals pauschal und letztlich destruktiv, weil sie das Prinzip des Public Service angreift und nicht differenziert zwischen Kritik an konkretem Medienhandeln und der Bestandsgarantie für kritischen Journalismus. Zu dessen Aufgabe gehört, Medien, auch die öffentlich-rechtlichen, kritisch zu beobachten und offenzulegen, wenn zum Beispiel die SRG ihrer Führungsriege Boni zukommen lässt, während zugleich ein Teil der Belegschaft Corona-bedingt mit Kurzarbeit zurechtkommen muss. Oder wenn die Programmgestaltung Fragen aufwirft, ob der Leistungsauftrag erfüllt wird. Oder wenn der Eindruck entsteht, dass Corona-Maßnahmen der Regierung kritischer eingeordnet werden müssten.

Es ist wichtig, die Bedeutung des Public-Service-Prinzips klarzumachen: Diese öffentliche Dienstleistung, einen Zugang zu Informationen bereitzustellen und zu garantieren, ist geknüpft an den Wertbeitrag, den Public Value, dass die Bürgerinnen und Bürger informiert an der Meinungsbildung, an Abstimmungen und an Wahlen teilhaben können; auch Unterhaltungs- und Bildungsleistungen können Medien wertvoll für eine Gesellschaft machen.

Öffentlich-rechtliche Medien und die Demokratie

Wenn also Politikerinnen und Politiker das Prinzip des Public Service im Medienbereich hochhalten, dann stärken sie zugleich ihre eigene Funktion als Mandatsträger. Allerdings müssen sie damit auch akzeptieren, dass Public Value die kritische Beobachtung von Politik einschließt: Die kontroverse, auch dissonante Debatte über politische Positionen ist ein Grundprinzip der Demokratie. Medien sollen solchen Diskussionen einen Raum geben, Sachverhalte auch kommentieren und zudem ans Tageslicht bringen, wenn Politikerinnen und Politiker sich Fehler erlauben oder gar unredlich handeln. Das passt manchen Politikerinnen und Politikern nicht; sie leihen sich per Mandat zwar gerne Macht vom Volk, wollen aber nicht kritisiert werden, sondern möglichst unbehelligt ihre Macht einsetzen, um eigene oder parteipolitische Ziele zu verfolgen und umzusetzen.

Die Forschung zeigt: In Ländern mit starkem Public Service genießen demokratische Institutionen hohes Ansehen bei den Menschen; die Medienfreiheit ist dort vergleichsweise hoch, ebenso das Vertrauen in Informationsjournalismus; und die Bereitschaft zur Korruption ist eher gering. Die amerikanischen Kommunikationswissenschaftler Victor Pickard und Timothy Neff untersuchten entlang diverser Kriterien in 33 Ländern den Bezug zwischen öffentlich-rechtlichen Medien (Rundfunkgebühr, Finanzierungsgarantie, institutionelle Unabhängigkeit, getrennte Aufsicht, pluralistisch strukturierte Gremien) und Demokratie und kommen zu dem Schluss: funktionierende Demokratien mit stabilen Regierungen haben solide finanzierte öffentliche Medien, die institutionell abgesichert sind und politisch unabhängig; öffentlich-rechtliche Medien können das öffentliche Engagement für Politik vergrößern. Medienförderung ist demnach Demokratieförderung – und Ausdruck einer demokratischen Kultur. Auch hier geht es ums Prinzip.

Warn- und Weckruf zur Kritik am Prinzip

Die zahlreichen Befunde aus der Wissenschaft zum Zusammenhang zwischen Public-Value-Leistung und Demokratie lassen sich als Warn- und Weckrufe an Politik, Gesellschaft und auch an den Journalismus selbst sehen, sich dem Eindreschen auf Medien und insbesondere auf jene, die sich Public Service und Public Value verpflichten, zu widersetzen. Wer diesem Prinzip die finanzielle Grundlage entzieht, beschädigt ein Fundament der Demokratie. Der Kostenbeitrag, die Gebühr, die von Bürgerinnen und Bürgern verlangt wird, soll Abhängigkeiten vom Markt oder von staatlichen Mitteln möglichst vermeiden; sie ist im Kern ein Solidarbeitrag für die Demokratie. Ganz sicher ist sie kein Beitrag für eine bestimmte Sendung, die wir eh nicht sehen wollen, wie einem manche Kritiker weis machen wollen, und auch kein Zwangsbeitrag, um Staatsfunk zu finanzieren. Demokratische Länder haben keinen Staatsfunk.

Wenn wir ein gutes gesellschaftliches Miteinander wollen, dürfen wir das Public-Service-Prinzip nicht aushöhlen. Im Gegenteil: Es muss dringend ausgeweitet werden.

Mehr Public Service – auch im Netz

Überlegenswert wäre, die Gebührenfinanzierung auszudehnen, um generell demokratierelevanten Informationsjournalismus abzusichern. Das käme letztlich auch privat finanzierten Medien zugute. Sie lieferten unter anderem in der Pandemie journalistische Qualität, die quasi freiwillig den öffentlich-rechtlichen Leistungsauftrag erfüllte, mussten aber zugleich Teile der Redaktionsbelegschaft in Kurzarbeit schicken, weil Anzeigenerlöse einbrachen.

Und zweitens ließe sich entlang des Public-Service-Prinzips ein öffentlicher, digitaler Debattenraum gestalten. Wissenschafterinnen und Wissenschaftler haben ein Manifest für öffentlich-rechtliche Medien und für ein öffentlich-rechtliches Internet angestoßen. Über 1.200 Personen haben bislang unterzeichnet. Sie wollen gemeinsam mit Politik und Zivilgesellschaft der von globalen Tech-Unternehmen dominierten plattformisierten Öffentlichkeit mit kommerzialisierter Verhaltensüberwachung ein demokratieförderndes Internet entgegensetzen, das auf zuverlässige Informiertheit, konstruktive öffentliche Debatten und sozialen Zusammenhalt baut.

 

Literaturhinweise

Janna Anderson und Lee Rainie (2021): The Future of digital spaces and their role in democracy. Pew Research Center.

Christian Fuchs und Klaus Unterberger (Herausgeber) (2021). The Public Service Media and Public Service Internet Manifesto. London: University of Westminster Press.

Timothy Neff und Victor Pickard(2021): Funding Democracy: Public Media and Democratic Health in 33 Countries. The International Journal of Press/Politics. 1–27, Sage.

Barbara Thomass (2021): What already exists. In: Socialeurope, 16.11.2021, On the way to a European digital public sphere.

 

Der Beitrag ist erstmals am 9.2.2022 als Kolumne in Der Standard erschienen.

Beitragsbild via falco/pixabay.com.

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