Die Welt als solche

19. Februar 2008 • Medienökonomie • von

Weltwoche 03/2008

Wenn man nicht mehr weiterweiss, muss man ältere Herren fragen. Sie können die Welt erklären. Mit seinen zwei neusten Entscheiden hat Rupert Murdoch die Medienwelt glasklar dargestellt. Wer diese Kolumne lesen will, muss bezahlen. Fr. 5.70 am Kiosk, Fr. 3.95 im Abonnement. Das ist wenig. Denn diese Kolumne ist unvergleichlich. Es ist die einzige Medienkolumne der Schweiz. Und sie ist geschrieben von einem älteren Herrn. Damit sind wir beim Thema. 

Es geht um die Sicht älterer Herren in der Medienwelt. Ältere Herren sind weniger wettbewerbsorientiert als spätere Jahrgänge. Jüngere lieben den direkten Kampf gegen direkte Konkurrenten. Ältere Herren wollen nicht mehr kämpfen, sie wollen nur noch gewinnen.

Diesen Januar hat Rupert Murdoch, 76 Jahre alt, zweierlei getan. Zuerst beteiligte er sich am deutschen Pay-TV-Sender Premiere. Dann beschloss er, den Inhalt seines Wall Street Journal nicht mehr kostenpflichtig anzubieten, sondern gratis ins Internet zu kippen.

Beides ist klug. Ältere Herren wie Murdoch zeigen uns, dass es nur noch zwei Modelle in der Medienwelt gibt – das Pull-Modell und das Push-Modell. Entweder hat man etwas zu bieten, was niemand sonst hat. Das ist Pull. In diesem Fall kann man das Publikum teuer für den Inhalt zahlen lassen. Oder man hat nichts zu bieten, was andere nicht auch haben. Das ist Push. In diesem Fall muss man den Inhalt gratis anbieten und auf andere Weise Geld verdienen.

Auf Premiere, wie auf seinen diversen Sky-Sendern, hat Murdoch etwas zu bieten, was sonst keiner bieten kann. Spiele von Bundesliga, Premier League und Serie A kann nur er live übertragen. Die Konkurrenz ist nicht schlechter, sie ist inexistent. Das ist ein klassisches Pull-Modell, für das die Zuschauer zahlen.

Das Wall Street Journal hingegen hat nichts zu bieten, was andere nicht auch bieten. Die Redaktion produziert zwar die besten Business-News der Welt. Doch das ist zu wenig, um sich im Konkurrenzvergleich unentbehrlich zu machen. Das Wall Street Journal ist darum nun im Netz gratis. Man vervielfacht damit das Publikum und kommt so zu mehr Werbeeinnahmen. Das ist ein klassisches Push-Modell.

Internet und Gratis-Boom haben die neue Grundregel im Mediengewerbe geschaffen. Wenn man nur zehn Prozent besser als die Konkurrenz ist, kann man mit den Nutzern immer weniger Geld verdienen. Man muss hundert Prozent besser sein, also etwas bieten, was den anderen gänzlich fehlt.

Hundert Prozent besser ist man, wenn man unvergleichlich ist. Unvergleichlich ist zum Beispiel ein Monopol in der regionalen Berichterstattung. Viele grosse Regionalzeitungen haben Erfolg mit diesem Pull-Prinzip. Gut schlagen sich auch Internet-Sites und Zeitschriften, die ihre Märkte dominierend abdecken.

Wenn man nichts Unvergleichliches zu liefern hat, dann hilft oft nur der Gang in den Push. Dann muss man andere Argumente als den Inhalt finden. Von Washington Post bis Spiegel stellt man dann die Inhalte und Archive gratis ins Netz. Dasselbe Modell haben Titel wie 20 Minuten im Print vorgemacht.

Im murdochschen Dilemma stecken die überregionalen Tages- und Wochenzeitungen. Sie können nicht hundert Prozent besser als ihre neuen Online- und Offline-Konkurrenten sein. Sie haben letztlich nichts, was andere nicht auch haben. Im Grunde müssten sie auf eine Push-Strategie einschwenken.

Ihre Redaktionen halten am Pull fest und hoffen stattdessen, dass ihre Recherchen und Analysen den entscheidenden Unterschied zu den anderen Marktteilnehmern schaffen. Sie geben viel Geld dafür aus. Ihr Differenzierungspotenzial bleibt trotz aller Anstrengung gering, da mögen auch ihre Kolumnen älterer Herren noch so scheinbar unvergleichlich sein.

Murdoch hat die neue Medienregel präzise vorgeführt: Nur besser zu sein, ist nicht mehr gut genug.

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