Meinung
Eine Rose für Ringier: Das Haus hat von allen Großverlagen die unterhaltsamste Strategie.
Diese Woche fand in Luzern die Rose d’Or statt. Die Rose d’Or ist das wichtigste Fernsehfestival Europas. Seit fünfzig Jahren werden die besten TV-Shows mit einer Goldenen Rose prämiert.
Ich kenne das Festival recht gut, weil ich mal Mitbesitzer war. Vor 2006 waren wir als Inhaber der Rose d’Or zu viert. Dann verkauften wir die Markenrechte an die Event-Agentur von Freddy Burger. Drei Jahre später verkaufte Burger sie an Ringier weiter.
Dass das Festival 2010 nun bei Ringier landete, ist folgerichtig. Ringier ist das einzige Schweizer Medienhaus, das die Zeichen der Zeit konsequent umsetzt. Die Zeichen der Zeit heißen Unterhaltung und Transaktion.
In der Unterhaltung hat Ringier inzwischen eine hübsche Palette zusammen, die auch bei der Wertschöpfung Sinn macht. Neben der Rose d’Or ist man beim Konzertveranstalter Good News mit 48 Prozent beteiligt. Für Events braucht es Eintrittskarten, weswegen Ringier Ticketcorner kaufte, gemeinsam mit Europas Marktleader Eventim. Im TV-Fach ist das Haus hälftig an Sat 1 Schweiz beteiligt und hält einen Drittel des Pay-TV-Anbieters Teleclub. Dazu kommen Radios wie Energy, das voll auf Unterhaltung ausgerichtet ist und deshalb Probleme mit der Konzession bekam.
Interessant daran ist der Gegensatz zu den zwei letzten verbliebenen Konkurrenten im nationalen Markt. Sowohl Tamedia wie auch die NZZ-Gruppe haben kein Angebot im Markt, das auf reine Unterhaltung ausgerichtet ist. Auch ihre TV- und Radio-Stationen wie Tele Züri, Radio 24, Tele Ostschweiz und Radio Pilatus setzen in höherem Masse auf Information. Die Zeitungen tun das ohnehin.
Das ist einigermaßen erstaunlich, wenn man sieht, wie Entertainment und Events an Umsatz gewinnen und wie Information und News verlieren. Es ist der Gegensatz zwischen der Medienwelt von morgen und jener von gestern.
Sichtbar wird das auch im Internet. Auch hier hat sich in der Branche die Erkenntnis etabliert, dass mit Information kein Geld oder nur wenig Geld zu verdienen ist. Geld verdient man mit Shopping, also mit der spaßigen Seite des Geldausgebens. Der Unterschied zwischen den Großverlagen ist ebenso bemerkenswert.
Tamedia und NZZ investieren Millionen in ihre Online-Redaktionen. Bei Tamedia arbeiten sechzig Journalisten für das sogenannte Newsnetz. Noch mehr sind für die Seite von 20 Minuten im Dienst. An beiden Orten produziert man gutbeachtete News. Dennoch schaut wenig bis nichts heraus, weil die Kunden nichts bezahlen. Wenn Tamedia seine Journalisten zum Pilzesammeln in den Wald schicken würde, wäre der Profit mit Sicherheit höher.
Ringier hingegen geht genau in diese Richtung. Als einziges Medienhaus in der Schweiz verkauft man in großem Stil konkrete Produkte. Auf www.geschenkidee.ch gibt es Tausende von Präsenten, von Duftkerzen bis zu Ohrringen. Und www.bettybossi.ch liefert das Sortiment für die Küche, vom Mixer bis zum Tomatenmesser.
Nun ist Ringier noch einen Schritt weiter gegangen und hat www.vanilla.ch lanciert. Das ist eine Verkaufsplattform, auf der Retailer von Mobilezone bis Fielmann ihre Telefone und Brillen anbieten können. Bezahlt wird mit Kreditkarte oder Handy. Von den daran beteiligten Banken bekommt Ringier Provisionen. Dazu kommen Flat Fees der beteiligten Partner.
Natürlich ist es etwas bizarr, wie Medienhäuser nun zu Handelshäusern werden. Sie müssen, weil sie mit Informationen im Netz kein Geld machen. Mit Transaktionen aber verdienen sie Geld. Das ist der Unterschied von Infos zu iPhones, Brillen, Duftkerzen und Kochlöffeln.
Auch bei der Rose d’Or kostet der Eintritt: 870 Franken. Alle zahlen widerspruchslos.
Erstveröffentlichung: Weltwoche Ausgabe 38/10
Schlagwörter:Entertainment, Fernsehen, Online-Shopping, Ringier, Rose d'Or, Schweiz