Lug und Trug beim VW-Skandal

28. September 2015 • Digitales, Qualität & Ethik • von

Die Sorge, dass wir in einer Flut von Nachrichten und Werbebotschaften ertrinken könnten und dass wir „overnewsed and underinformed“ sind, ist möglicherweise bereits von gestern.

VWUnser Problem von heute und morgen wird es sein, irgendwie dafür zu sorgen, dass wir nicht in Niagara-Fällen von verflüssigtem Bullshit ersaufen. Alles Mögliche wird in den sozialen Netzwerken wie wild „geshared“ und „geliked“ und damit aufgeplustert. Es ist einfach geworden, dort Dinge zu verbreiten, die niemand mehr auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft.

Unter solchen Umständen „rechnet“ es sich für Spin-Doktoren und Trolls und deren Auftraggeber zunehmend, Unsinn zu verbreiten – nicht nur Putins Propagandamaschinisten lassen da grüßen. Die Aufmerksamkeitsökonomie wird auch zu einer Desinformationsökonomie. Selbst für Weltkonzerne nimmt offenbar die Wahrscheinlichkeit ab, bei Manipulation und Betrug ertappt zu werden, wie das allerdings dann doch spektakulär letzte Woche Volkswagen und eine Woche zuvor dem Ölmulti ExxonMobile wiederfahren ist.

Vergleicht man die beiden Fälle, scheinen indes auch die Redaktionen hochangesehener Medien inzwischen Schwierigkeiten zu haben, angemessen einzuordnen, was da eigentlich passiert. Bei Volkswagen ein Medienhype, der fürs erste 27 Milliarden Euro, also rund 40 Prozent des Börsenwerts, vernichtet und damit wohl auch weltweit zahllose Arbeitsplätze und Existenzen gefährdet. Und dabei wird so getan, als wüssten all diejenigen, die überdimensionierte SUVs und Dieselfahrzeuge kaufen, nicht, dass sie damit die Umwelt verpesten. Beim Ölmulti, der seit den 70er Jahren ihm vorliegende Erkenntnisse zu den desaströsen Folgen seines Hauptprodukts im Blick auf Erderwärmung und Klimawandel verheimlicht haben soll, bisher dagegen kein wirklicher Aufschrei in der Öffentlichkeit und auch keine Folgen für den Kurswert.

Die britischen Sozialforscher Carl Miller und Steve Ginnis haben derweil im Guardian davor gewarnt, wie selbst die Forschung über soziale Medien der Daten nicht mehr Herr wird, die sie hervorbringt. Auch für Eingeweihte sei kaum noch erkennbar, welche Indikatoren zur Mediennutzung aussagekräftig sind und welche nicht. Wir leben im Sodom und Gomorrha von Fakes und Datenbetrug – und haben es nur noch nicht so richtig gemerkt.

Eine kürzere Version erschien im Tagesspiegel vom 27. September 2015

Bildquelle: Gerry Lauzon / Flickr

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