In ganz Europa setzen immer mehr Medienhäuser auf die Paywall, um mit ihren Online-Inhalten Geld zu verdienen. Polens Medien sind ein Vorreiter in diesem Geschäftsmodell. Deutschland zieht nur langsam nach. Ein Vergleich.
Immer mehr Deutsche nutzen immer häufiger das Internet. 2017 sind laut der ARD/ZDF Online-Studie 62,4 Millionen Deutsche über 14 Jahren online, was einem Prozentanteil von 89,9 Prozent entspricht. In Polen nutzen laut Internetlivestats 72,4 Prozent der Bevölkerung das Internet. Gerade der mobile Internetkonsum nimmt jährlich weltweit zu. Kein Wunder also, dass immer mehr Menschen ihre Nachrichten online statt offline konsumieren. In ganz Europa haben sich die meisten Rundfunkanstalten (97 Prozent) laut der ARD-ZDF Online-Studie dafür entschieden, ihre Online-Angebote kostenlos anzubieten. So sieht es auch bei den größten deutschen und polnischen Rundfunkanbieten aus. Medien, die ihre Angebote ausschließlich im Internet bereitstellen, wie beispielsweise t-online.de oder interia.pl, bieten ihre Inhalte meistens ebenfalls weiterhin kostenlos an.
Adblocker sind ein großes Problem
Bei den Wochen- und Tageszeitungen sieht das anders aus. Da sich Medienunternehmen nicht mehr ausschließlich durch das Verkaufen von Zeitungen finanzieren können, müssen sie sich auf ihre Onlineinhalte konzentrieren und dort Geld verdienen.
Die größte Einnahmequelle war bisher Werbung, doch seit jeder vierte Deutsche einen Adblocker installiert hat, denken immer mehr deutsche Medienhäuser über alternative Einnahmequellen nach. In Polen sieht das nicht anders aus. Hier nutzt mehr als jeder dritte Internetnutzer einen Adblocker. Im Nachbarland kommt allerdings noch eine weitere Schwierigkeit für die Einnahmequelle Werbung hinzu. Der Markt von Display Advertising ist vergleichsweise gering. Dies ist mit ein Grund, warum viele polnische Tages- und Wochenzeitungen schon im Jahr 2012 Paywalls eingeführt haben.
Über 90 Prozent der polnischen Medien haben eine Paywall
Das Reuters Institute for the Study of Journalism hat kürzlich europaweit das Online-Angebot der 171 wichtigsten Medienhäuser untersucht. Darunter waren Zeitungen, Magazine, Digital-only-Angebote sowie Rundfunkanbieter.
Wie die Studie zeigt, haben 90 Prozent der polnischen Medien eine Paywall auf ihren Webseiten, was Polen zum europaweiten Vorreiter macht. Verglichen dazu fällt der Paywall-Markt in Deutschland deutlich kleiner aus: Nur 48 Prozent der deutschen Medienhäuser haben eine Paywall auf ihren Webseiten eingeführt. Was die Höhe der Zahlung angeht, sieht es allerdings im Vergleich ganz anders aus. Währen in Polen User im Durchschnitt 7,21 Euro monatlich zahlen müssen, um Zugriff auf die Inhalte zu haben, sind es in Deutschland durchschnittlich 17,64 Euro monatlich.
Es gibt verschiedene Paywall-Modelle
Die Medien haben sich dabei für jeweils unterschiedliche Arten von Paywalls entschieden. Das Freemium-Modell ist, wie die Reuters-Studie festgestellt hat, europaweit das beliebteste Modell. Dabei können Nutzer bestimmte Artikel nur gegen Bezahlung nutzen, andere bleiben frei verfügbar. Hier wird noch unterschieden, ob der User sich einen Tagespass oder ein monatliches Abonnement kauft. In Deutschland nutzen 38 Prozent der Medienwebseiten das Freemium-Modell. Dazu gehören beispielsweise die Webseiten der BILD-Zeitung, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Spiegel Online. Auch in Polen ist das Freemium-Modell das mit Abstand beliebteste. Immerhin 71 Prozent der Medienhäuser haben sich für diese Art von Paywall entschieden. Darunter unter anderem Nasz Dziennik, Express Ilustrowany und Polityka.
Das zweitbeliebteste Modell ist die gestaffelte Paywall. Hier sind beispielsweise fünf Artikel monatlich kostenfrei lesbar, ab dem sechsten muss der Nutzer oder die Nutzerin zahlen. Dieses Modell wird in Deutschland von 17 Prozent der Zeitungen genutzt, beispielsweise der Süddeutschen Zeitung, in Polen von 10 Prozent der Zeitungen, beispielsweise der Gazeta Wyborcza und der Rzeczpospolita.
Das dritte und letzte Modell der Paywall ist die harte Paywall, bei der Artikel nur gelesen werden können, wenn der User ein Abonnement abschließt. Kein Artikel steht kostenlos zur Verfügung. Dieses Modell wird in Deutschland bei keinem der analysierten Medien genutzt, in Polen bei 10 Prozent der Tages- und Wochenzeitungen, beispielweise bei der Gazeta Polska.
Wie viele zahlen für Online-Inhalte?
Betrachtet man diese verschiedenen Paywall-Modelle und auch die Tatsache, dass viele Internetseiten, gerade der Rundfunkanstalten, weiterhin kostenlos ihre Nachrichten zur Verfügung stellen, stellt sich die Frage, wie viele Menschen überhaupt bereit sind, für qualitativ hochwertige Nachrichten im Internet zu zahlen. Wie der Digital News Report 2017 vom Reuters Institute zeigt, zahlen in Polen 16 Prozent der Internetnutzer für journalistische Inhalte im Internet, in Deutschland sind es lediglich sieben Prozent.
Dieser Beitrag ist Teil unseres deutsch-polnischen Themenspezials, das von der Deutsch-Polnischen Wissenschaftssstiftung (DPWS) gefördert wird.
Bislang im deutsch-polnischen Themenspezial auf der deutschen Seite erschienen:
Im Fokus: deutsche und polnische Medien
Der Einfluss der polnischen Regierung auf die Medien
Starke Kritik an Polens Medienreformen
Polnische Medien und Flüchtlinge: viele Fake News
Politikthemen waren tabu – Medien im Kommunismus
Katholische Medien in Polen – nah am Staat?
Polnische Medienreform forderte ihre Opfer
Über die Freiheit der Berichterstattung
Hier geht es zum deutsch-polnischen Themenspezial auf der polnischen EJO-Seite:
Schlagwörter:Adblocker, Deutsch-Polnisches Themenspezial, Deutschland, Digital News Report, Paywall, Polen