Schnäppchen für alle

10. September 2004 • Medienökonomie • von

Neue Zürcher Zeitung, 10. September 2004

Internet-Auktionen als Geldquelle für Regionalzeitungen
In den USA wurde ein neues Geschäftsmodell für Regionalzeitungen erfolgreich erprobt. Es basiert auf Internet-Auktionen im Anzeigenbereich und soll den Verlust von Anzeigeneinnahmen verhindern. Auch in der Schweiz gab es bereits erste Versuche.

Das Internet mit seinen zahllosen Nachrichtenangeboten verändert die Medienlandschaft nicht nur im Bereich der journalistischen Inhalte, es macht den Printmedien auch die gedruckten Anzeigen streitig. Ein neues Kooperationsmodell verspricht nun eine Lösung. Online-Auktionen sollen dazu beitragen, das Abdriften des Anzeigenmarktes ins Netz zu verhindern. Das System der Online-Auktion ist simpel, aber durchaus effektiv: Lokale Inserenten und potenzielle Werbekunden stellen der Zeitung Produkte und Dienstleistungen aus ihrem Angebot für eine Auktion zur Verfügung. Die von den Werbekunden garantierten Produkte werden alsdann in einer Sonderbeilage zur Zeitung den Lesern präsentiert. Schliesslich kommen die verschiedenen Schätze im Internet unter den Hammer. Wird ein Produkt ersteigert, erhält die Zeitung das Geld in der Höhe des erfolgten Zuschlages. Der Werbekunde erhält im Gegenzug eine Art Kredit für zusätzliche Werbeflächen in der Zeitung im Umfang des Ladenpreises des ersteigerten Produkts. Sollte dieses im Verlaufe der Auktion jedoch nicht versteigert werden, behält der Werbekunde das Produkt, und es entsteht kein weiterer Aufwand.

In den USA erfolgreich erprobt

Dieses Konzept wurde als erstes von dem im kanadischen Vancouver beheimateten, 1997 gegründeten Unternehmen CityXpress entwickelt. Es scheint sich zu bewähren. In mehr als 200 Versteigerungen in den USA und Kanada sollen bis anhin Gewinne von über 46 Millionen Dollar erwirtschaftet worden sein. Die Erfolge überzeugten selbst das Medienunternehmen Knight Ridder, mit 31 Tageszeitungen nach Gannett der zweitgrösste Zeitungskonzern der USA. Knight Ridder ging eine Allianz mit CityXpress ein. Das Unternehmen wird zum exklusiven Provider von Online-Auktionen für sämtliche Zeitungen des Mediengiganten. Nun schwappt die Welle allmählich nach Europa über. Nach einem ersten Testlauf in England («Bristol Evening Post») hat im Juni dieses Jahres mit der «Berner Zeitung» auch in der Schweiz eine Versteigerung stattgefunden.

Das Prinzip der Online-Auktion basiert auf einem Geschäftsmodell, das mehrheitlich auf lokaler Ebene zur Anwendung kommt und bei dem verschiedene Kommunikationskanäle ineinander greifen, woraus sich ein reziproker Vorteil ergeben sollte. Dabei wird primär die Vormachtstellung von Lokal- oder Regionalzeitungen ausgenützt, welche in ihrem Gebiet den einflussreichsten Marketingkanal innehaben und in den meisten Fällen keiner oder wenig Konkurrenz ausgesetzt sind. Nicht zuletzt spielt das Image eine entscheidende Rolle. Regionalzeitungen sind bei ihrem Publikum grossenteils fest verankert. Der Leser baut meist über Jahre hinweg eine enge Beziehung zu seiner Zeitung auf – eine Voraussetzung, ohne die ein neuartiges Modell wie die Zeitungs- und Online-Auktion nicht umgesetzt werden könnte.

Das Auktionsmodell bringt verschiedene Vorteile mit sich. Aus Sicht der Zeitung können neue Werbekunden gewonnen und bereits bestehende Beziehungen aufgefrischt werden. Gemäss einer im vergangenen Jahr durchgeführten Studie von CityXpress sind bis zu 45 Prozent neue Werbekunden. Einige davon können danach sogar als dauernde Werbepartner gewonnen werden, was zusätzliche Werbeeinnahmen ermöglicht. Zudem besteht ein Grossteil der Bieter, die an der Versteigerung teilnehmen, aus Nichtabonnenten, was der Zeitung wiederum zu potenziellen Neuabonnenten verhelfen kann.

Stärkung des Marktführers

Die Werbekunden ihrerseits erlangen durch die Präsentation ihrer Produkte sowohl in der Zeitung als auch online zusätzliche Publizität, wobei die interessierten Bieter die jeweiligen Produkte oftmals vor Ort betrachten wollen und dem Verkäufer dadurch mehr Kundschaft bescheren. Die Leserschaft kann ihrerseits einen Profit erzielen, indem sie innerhalb der Produktepalette auf Schnäppchenjagd geht. Allerdings läuft die Zeitung Gefahr, sich vom Anbieter journalistischer Produkte in einen Gemischtwarenladen zu verwandeln. Darüber hinaus schafft das Auktionsmodell ein weiteres Problem. Es nützt auf der lokalen Ebene die Monopolstellung der Regionalzeitung aus und bindet dabei die (potenziellen) Werbekunden noch stärker an. Das macht die Lage für allfällige Konkurrenten schwieriger.

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