Aus ökonomischer Sicht gibt es keinen Grund, die Medien zu subventionieren. Dennoch möchte die Politik sie staatlich fördern. Sie will mehr Kontrolle über die Verlagshäuser. Die wehren sich nicht.
Beginnen wir mit dem Vorurteil gegenüber der Medienbranche in der Schweiz. Das Vorurteil lautet: Der Medienbranche in diesem Land geht es schlecht.
Das Vorurteil ist falsch. Und damit sind wir beim Problem.
Das Problem besteht darin, dass die Politiker – von der Linken bis weit ins sozialliberale Lager hinein – liebend gern eine stärkere staatliche Medienförderung aufziehen möchten. Sie könnten damit mehr staatliche Kontrolle über die privaten Verlagshäuser gewinnen.
Doch blöderweise verdient die Medienbranche immer noch gutes Geld. Wie also, so das Problem der Politik, kann man einen Industriezweig staatlich beglücken, der keine Finanzhilfe braucht?
Kurz dazu die Zahlen aus dem letzten Jahr. Marktleader Ringier machte bei einem Umsatz von einer Milliarde Franken im operativen Geschäft einen Gewinn von 110 Millionen. Der Gewinn von Tamedia, mit nahezu demselben Umsatz, lag bei 245 Millionen. Die Nummer drei im Markt ist CH Media, das neue Fusionsunternehmen aus NZZ-Regionalmedien und AZ Medien. Es machte 50 Millionen vorwärts.
Auch mittelgroße und kleinere Verlagshäuser schrieben 2017 teils ansehnliche Gewinne, wie etwa die Basler Zeitung Medien, Axel Springer Schweiz, die Zürcher Oberland Medien in Wetzikon, die Rheintal Medien in Berneck, Somedia in Chur und Meier in Schaffhausen.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht ganz leicht, überzeugende Argumente für zusätzliche staatliche Eingriffe in den freien Medienmarkt zu finden.
Letzte Woche veröffentlichte der Bundesrat sein neues Gesetz über elektronische Medien. Die Vorlage stammt aus dem Departement von Doris Leuthard. Sie ist, wie so vieles, was von Leuthard kommt, dirigistisch ausgerichtet, indem der Zentralstaat private Industriezweige und private Märkte regulieren soll. Auch Leuthards missratene Energiestrategie ist ein Beispiel für diese Denkungsart.
„Stärkung der Demokratie“
Das neue Mediengesetz enthält zwei Schwerpunkte, einer davon nachvollziehbar, einer davon unsinnig. Nachvollziehbar ist, dass die Position der SRG als zwangsfinanziertes und größtes Schweizer Medienhaus unangetastet bleibt. Das ist legitim, nachdem die SRG in der Abstimmung zu „No Billag“ einen triumphalen Sieg eingefahren hat.
Unsinnig hingegen ist die Idee, gemäß der der Staat künftig publizistische Online-Angebote subventionieren will. Finanziell besonders fördern will man jene Anbieter, die wenig traditionellen Text und dafür viel Video und Audio auf ihre Website laden. Geld bekommen dann jene digitalen Redaktionen, die einen „besonderen Beitrag zur demokratischen Meinungs- und Willensbildung leisten“. Geld bekommen also praktisch alle, denn wer leistet das nicht?
Warum in aller Welt, so muss man sich fragen, will der Staat auf einmal Online-Redaktionen in Zürich, Luzern, Basel, Oberglatt und Niederbipp finanzieren?
Die Antwort ist einfach. Seit je versuchen Schweizer Politiker, sich einen größeren Einfluss auf die heimische Medienbranche zu verschaffen. Im Politikerjargon nennt man eine solche Umarmungsstrategie dann „Stärkung der Demokratie“.
Nun, so denkt man sich, könnte sich die Medienbranche ja leicht gegen die staatliche Vereinnahmung wehren, indem sie die angebotenen Hilfsgelder zurückweist. Sie könnte es sich leisten, weil sie nicht in akuter Geldnot steckt.
Doch leider sind Schweizer Verleger nicht gerade von hoher moralischer Standfestigkeit. Sie machen gern die hohle Hand. Die Politiker sind nicht dumm und wissen das. Sie setzen also dort an, wo die Medienhäuser im Alltagsgeschäft Schwierigkeiten haben und darum der Verlockung staatlicher Gelder erliegen. Ein solcher Problemfall der Medienbranche ist der Online-Markt.
Nur zwei digitale Informationsangebote verdienen hierzulande richtig Geld, der Marktführer 20 Minuten online und die Nummer zwei, Blick online. Alle anderen kommen nur stotternd voran, vor allem lokale und regionale Internetangebote verdienen kein Geld.
Die Politiker, besonders von SP, Grünen und CVP, setzen darum auf einen naheliegenden Trick. Man hält den Medienanbietern eine Online-Karotte vor die Nase und hofft, dass sie zubeißen.
Wenn sie zubeißen, bekommen sie Geld. Und gleichzeitig bekommen sie natürlich eine staatliche Aufsichts- und Kontrollbehörde.
Diese Methode hat schon einmal funktioniert. Auch die regionalen TV- und Radiosender der privaten Medienunternehmen verdienten kein Geld. Der Bundesrat lockte sie mit permanent erhöhten Subventionsgeldern, die er aus dem Gebührentopf der SRG abzweigte. Die privaten Medienhäuser bissen dann noch so gern in die Rundfunk-Karotte vor ihrer Nase.
67,5 Millionen Franken flossen zuletzt als Subventionen an die privaten TV- und Radiostationen des Landes, die vielfach im Besitz der größeren Verlage sind. Die Somedia in Chur etwa bekommt pro Jahr 6,7 Millionen Franken, die NZZ-Gruppe 5,9 Millionen, und die AZ Medien erhalten 5,8 Millionen vom Bundesrat. Das sind ziemlich substanzielle Summen.
Im Gegenzug handelten sich die privaten TV- und Radiostationen eine feinmaschige behördliche Überwachung ein. Das Bundesamt für Kommunikation überprüft sie regelmäßig nach einem detaillierten Fragenkatalog. Darin steht beispielsweise: „Sind inhaltliche und formale Qualitätsstandards formuliert? Finden sie in der journalistischen Praxis Anwendung? Welche Mechanismen und Strukturen zur Vorbeugung von redaktionellen Fehlleistungen bestehen?“
„Redaktionelle Fehlleistungen“ sind in den Augen der Politiker natürlich primär journalistische Inhalte, in denen ihre politische Position und ihre Person zu wenig prominent und zu wenig gewichtig dargestellt sind. Dagegen soll der Zentralstaat helfen.
Die Methode funktioniert. Die regionalen TV- und Radiosender sind in der politischen Debatte kein ernsthafter Faktor. Sie sind ruhiggestellt, wie gewünscht.
Es gibt in den letzten Jahren kaum Fälle von Kontroversen zwischen Politik und Medien, in denen private Radio- und Fernsehstationen eine tragende Rolle gespielt haben. Wenn es kracht zwischen Politikern und Journalisten, sind es die nichtsubventionierten Zeitungen wie Tages-Anzeiger, Basler Zeitung oder St. Galler Tagblatt, die in ihrer Region mit kritischem Journalismus aufwarten. Die subventionierten Radio- und TV-Sender hingegen sind domestiziert, sogar mehr noch als die SRG.
Nahe an polizeistaatlichen Philosophien
Die bisherigen 67,5 Millionen Franken an direkten Subventionen für die privaten Medienhäuser steigen ab nächstem Jahr auf 81 Millionen. Damit ist genug Geld vorhanden, neben Radio und Fernsehen auch die Online-Medien zu subventionieren und sie dadurch ebenfalls näher zur Brust zu nehmen.
Im neuen Mediengesetz legt der Bundesrat dazu eine verschärfte Medienaufsicht vor, die schon bemerkenswert nahe an polizeistaatliche Philosophien heranrückt. Er schafft ein neues Gremium, das eine Machtfülle bekommt, wie es sie in der Schweizer Medienpolitik noch nie gab.
Das Monstergremium, das neu vom Bundesrat ernannt wird, heißt Kommission für elektronische Medien (Komem). Es soll in Zukunft die 81 Millionen an Fördergeldern verteilen und gleichzeitig das Wohlverhalten der Empfänger sicherstellen. Lapidar heißt es im Mediengesetz: „Die Komem legt die zeitlichen und inhaltlichen Aspekte der Berichterstattung fest.“ Verteilt werden die Gelder dann von der Komem „aufgrund folgender Kriterien: Inhalt, Umfang und Qualität des publizistischen Angebots“.
Man kann sich jetzt schon vorstellen, wer in der Kontrollbehörde Einsitz nehmen wird. Es werden Publizistikprofessoren wie Otfried Jarren aus Zürich und Manuel Puppis aus Freiburg sein, die bei jeder Gelegenheit nach mehr Staat in den Medien rufen. Es werden Politiker wie SP-Nationalrätin Jacqueline Badran und Grünen-Präsidentin Regula Rytz sein, die bei jeder Gelegenheit den „langsamen Tod“ (Badran) der Printmedien beschwören und, im Chor mit den Wissenschaftlern, staatliche Bemutterung nicht nur für Radio, TV und Online, sondern gleich auch noch für gedruckte Zeitungen fordern.
Das neue Mediengesetz, das nun in die Vernehmlassung geht, ist ein hübsches Beispiel für die zunehmende Verfilzung von Staat und Medienindustrie. Was 1993 mit Subventionen von 5,5 Millionen Franken für eine Handvoll Radiostationen begann, hat sich inzwischen zu einer 81 Millionen schweren Subventionsindustrie für private Fernseh-, Radio- und demnächst wohl Online-Angebote ausgewachsen. Dazu kommen staatliche Zuschüsse zur Verbilligung der Zeitungs-Posttaxen sowie ein generell reduzierter Mehrwertsteuersatz von 2,5 Prozent für die Medienindustrie. Insgesamt subventioniert der Bund die Medien mit deutlich mehr als 200 Millionen Franken pro Jahr.
Auch Leuthards neues Mediengesetz war für die Branchenorganisation des Verbands der Schweizer Medien kein Anlass, um über die Nähe von Politik und Journalismus nachzudenken. Auch über die seltsame Online-Förderung verlor man keine unnötigen Worte. Man forderte stattdessen zusätzliche Gelder für den Vertrieb der Zeitungen. Wenn schon Subventionen, dann bitte noch mehr.
Die Verbandelung von Politik und Medien ist schon so weit fortgeschritten, dass sie im Alltag oft gar nicht mehr auffällt. Zum Schluss illustriert dies ein hübsches Beispiel aus der Schweizer Illustrierten von letzter Woche.
„Wandern Sie mit Alain Berset! Das gab’s noch nie: Eine 1.-August-Volkswanderung mit dem Bundespräsidenten!“, titelte die Zeitschrift mit vielen Ausrufezeichen. 120 Leser dürfen am 1. August mit Berset auf eine dreieinhalbstündige Wanderung durch die Freiburger Alpen. Darüber gibt es dann eine große Reportage im Blatt.
Das spricht für die Verlagsspezialisten von Ringier. Es ist eine Abo-Aktion, wie man sie noch nicht gesehen hat.
Für Berset spricht es weniger. Der Bundespräsident als williger Marketing-Mitarbeiter eines Großverlags. Es sagt einiges über das Verhältnis von Politik und Medien in diesem Land.
Erstveröffentlichung: Die Weltwoche vom 28. Juni 2018
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