Radio, aber kein Frieden: Kann das Radio Myanmars Zugang zu Informationen retten?

13. Februar 2023 • Aktuelle Beiträge, Internationales, Pressefreiheit, Qualität & Ethik • von

In Myanmar, einem südostasiatischen Land, in dem sich der Putsch zum zweiten Mal jährt, herrscht Angst unter der Zivilbevölkerung. Angst, den Zugang zu Informationen ganz zu verlieren. Die Menschen kämpfen hart um ihr Recht, zu erfahren, was im Lande geschieht.

Auch am zweiten Jahrestag des Staatsstreichs in Myanmar setzt sich die Bevölkerung tagtäglich dafür ein, ihr Recht auf Information geltend zu machen – das Recht, zu erfahren, was in ihrem Land vor sich geht. Grund dafür ist der Putsch vom 1. Februar 2021. Seitdem ist Myanmar in Chaos und Gewalt versunken, während das Militär mit allen Mitteln versucht, den Informationsfluss zu unterbinden.

Der Staatsstreich vom 1. Februar 2021 hat die demokratisch gewählte zivile Führung des Landes gestürzt. Darunter auch die Friedensnobelpreisträgerin und Leitfigur Myanmars, Aung San Suu Kyi, die derzeit in einem Gefängnis in der Hauptstadt Naypyidaw in Einzelhaft gehalten wird und bereits wegen 19 Fällen, darunter Korruption und Aufwiegelung, zu 33 Jahren Haft verurteilt wurde.

Nicht nur Journalist:innen sind in Gefahr, sondern auch Zivilisten, die Zugang zu Informationen suchen und nutzen. Denn die Junta hat die Nutzung sozialer Medien verboten. Dieses Verbot umgehen die Menschen, indem sie VPNs nutzen. Doch ihre Aktivitäten werden in sozialen Medien überwacht und bestraft.

Die Militärjunta hat die Medienfreiheit ausgehebelt, indem sie den Medienhäusern die Lizenzen entzogen und die Journalisten in die Verantwortung nahmen. Mehr als 130 Journalist:innen wurden verhaftet, einige wurden schwer gefoltert und getötet.

Laut dem Committee to Protect Journalists (CPJ) gehört Myanmar zu den Ländern, die Journalsit:innen am meisten verfolgen und inhaftieren, zusammen mit Iran, China, Türkei und Belarus. Die Angaben an derzeit inhaftierten Medienschaffenden schwanken zwischen 42 laut CPJ und 74 nach Angaben von Reporter ohne Grenzen. Laut Reporter ohne Grenzen ist Myanmar an viertletzter Stelle der Rangliste für Pressefreiheit angelangt – Platz 176 von 180. Seit dem Putsch kommt es immer wieder zu Fällen von Folter und Tötungen

Da es keine zuverlässige Internetverbindung gibt und auch andere Kommunikationsmittel unter der Kontrolle des Militärs nicht zuverlässig sind, beruft man sich auf altbewährte Wege, um die Öffentlichkeit zu informieren: das Radio. Gerade weil die Junta ihre Überwachung der digitalen Kommunikation kontinuierlich ausbaut, spielt das Radio eine wichtige Rolle, um den Informationszugang wieder verbessern zu können.

Die altbewährte Praxis wird gebraucht

“Radio zu hören ist weniger gefährlich als die sozialen Medien zu nutzen, um an Informationen zu gelangen”, sagt Maung Han, 77, gegenüber EJO. “Wenn mein jüngster Sohn nach Yangon fährt, erinnere ich ihn immer daran, dass er sich nicht auf Facebook über Politik informieren soll. Einige wurden bereits am Busbahnhof verhaftet, weil sie Facebook benutzt und das Foto von (A. May) Suu Kyi gepostet hatten”, erklärt er.

Auch die Mitglieder der Volksverteidigungskräfte (PDF) im Dschungel nutzen Radio, wenn sie keinen Zugang zu Internet haben / Quelle: Athens Zaw Zaw

Maung Han, ist Landwirt und seit den 1980er Jahren ein großer Fan des Radios. Er stammt aus Suu Kyis Wahlkreis in der Gemeinde Kawhmu, die fast zwei Autostunden von Myanmars größter Stadt Yangon entfernt liegt. Vor dem Staatsstreich erfuhr er von den Nachrichten durch Fernsehkanäle der unabhängigen Medien, und sein Sohn erzählte ihm, wenn es auf den sozialen Netzwerken etwas Neues gab.

Als er jedoch nach dem Putsch von den Verhaftungen wegen der Nutzung sozialer Medien erfuhr, verlor er den Mut, seine Gewohnheit auf die gleiche Weise fortzusetzen. Er warnte seinen Sohn, das Internet nicht mehr zu nutzen. Da er bereits früher unter der Herrschaft des Militärs gelebt hatte, erinnerte er sich wieder an seine Angst, als das Militär das Gebiet, in dem er lebt, vollständig kontrollierte. Auch damals spielte das Radio eine wichtige Rolle. “Vor Jahrzehnten habe ich bereits BBC und RFA (Radio Free Asia) gehört. Jetzt gibt es einige Sender mehr als damals”, sagt er.

Also wählte er schließlich seinen alten Weg, um an Informationen zu gelangen, indem er in seinem eigenen Zimmer still Radio hörte, um zu erfahren, was im Lande – und darüber hinaus – geschieht.

Radio, aber kein Frieden in Myanmar

Am 13. Februar 2023 jährt sich der Weltradiotag zum zwölften Mal. Das diesjährige Thema lautet “Radio und Frieden” . Die UNESCO engagiert sich dafür, das Bewusstsein zu schärfen und den konstruktiven, konfliktsensiblen Ansatz in der Medienarbeit zu fördern, insbesondere auch für das Radio. Dafür haben sie das diesjährige Thema gewählt.

In reporting and informing the general public, radio stations shape public opinion and frame a narrative that can influence domestic and international situations and decision-making processes. (UNESCO)

“Durch ihre Berichterstattung und Informationen sind Radiosender ein wichtiger Teil der öffentlichen Meinungsbildung. Sie entwerfen ein Narrativ, das nationale und internationale Situationen und Entscheidungsprozesse beeinflussen kann.” So die UNESCO in ihrer Erklärung zum Weltradiotag, in der sie die Radiosender auffordert, ihre Aktivitäten nicht darauf auszurichten, die Konflikte in der Welt zu schildern, sondern aktiv Frieden zu schaffen und die Spannungen im Namen des Weltfriedens zu entschärfen.

Ein Radiojournalist produziert die täglichen Nachrichten. Insbesondere Menschen im Konfliktgebiet haben oft keinen Zugang zum Internet und beziehen Informationen über das Radio / Quelle: Athens Zaw Zaw

In Myanmar haben die Menschen den alten Weg mit dem Radio wieder aufgenommen, seit die Oppositionsregierung der Junta, die Nationale Einheitsregierung (NUG), Ende August 2021 ihren eigenen Radiosender namens Radio NUG angekündigt hat. Die ethnischen Medien und Exilmedien arbeiteten bei dieser Entwicklung Hand in Hand, um der Zivilbevölkerung den Zugang zu unabhängigeren Informationen über Kurzwellenradio zu ermöglichen.

“Myanmar ist nicht friedlich, und alle Nachrichten, die wir haben, sind meist schrecklich. Wir machen also nicht die Konflikte, aber die Nachrichten sind meistens über die Konflikte”, sagt Nan Phaw Gay, die Chefredakteurin von KIC News, einem ethnischen Medienunternehmen. Sie ist außerdem Vorsitzende von «Burma News International (BNI)», einem Netzwerk von 16 unabhängigen Medien- und Nachrichtenorganisationen in und um Myanmar. BNI arbeitet auch mit den Partnermedien an einem Radioprogramm, das zum Ziel hat, der Bevölkerung den Zugang zu Informationen zu garantieren, besonders in den Gebieten, in denen das Internet oft gesperrt ist.

“Wir versuchen, Informationen, die die wahre Situation des Landes widerspiegeln, auch über das Radio zu verbreiten.” sagt Nan Phaw Gay, die Chefredakteurin von KIC News.

Die Junta verliert an Kontrolle, das Leid bleibt

Die Junta in Myanmar verliert die Kontrolle über ihr Land, da der bewaffnete Widerstand von Tag zu Tag stärker wird, so der Bericht des Sonderbeirats für Myanmar (SAC-M) unter der Leitung von Yanghee Lee, der ehemaligen UN-Sonderberichterstatterin für die Situation der Menschenrechte in Myanmar. Der wachsende bewaffnete Widerstand bedeutet, dass die Junta derzeit nur 72 der 330 Gemeinden des Landes “stabil” kontrolliert.
Anfang Februar 2023 verhängte die Militärjunta in 37 Gemeinden im ganzen Land das Kriegsrecht, darunter auch in den Hochburgen des Widerstands Sagaing, Magwe, Karen, Karenni (Kayah) und Chin State. In Anbetracht dieser Situation hat das Militär den Ausnahmezustand um weitere sechs Monate verlängert.
Jüngsten Erhebungen zufolge sind etwa zwei Millionen Menschen in Myanmar aufgrund der Kämpfe auf der Flucht. Landesweit wurden etwa 40 000 Häuser niedergebrannt.

Warum also Radio? Und nicht Social Media?

Die Internetfreiheit in Myanmar brach nach dem Putsch von 2021 zusammen. Zu Beginn des Jahres 2022 lag die Internetdurchdringung des Landes noch bei 45,9 Prozent. Heute würde diese Zahl wohl kleiner ausfallen. Die Junta hat versucht, den Zugang zum Internet einzuschränken, insbesondere zu den sozialen Medien. Einerseits sind soziale Medien in Myanmar besonders wichtig, um den Informationszugang zu gewährleisten und somit die Meinungsfreiheit zu stärken. Andererseits besteht die Gefahr, dass das Internet für bestimmte Aktivitäten gegen den Putsch und die Militärjunta genutzt werden. Das spüren die Nutzer:innen.

“Sie kappen das Internet, verbieten die sozialen Medien und kontrollieren die Telekommunikation. Deshalb ist das Radio ein Medium, über das man gefahrlos an Informationen kommt. Das beschäftigt uns seit dem Putsch.”, so Soe Myint, der Gründer der Mizzima Media Group. Er hat zusammen mit anderen Medienpartnern innerhalb und außerhalb des Landes, einschließlich der ethnischen Medien, an unterschiedlichen Radioprojekten mitgearbeitet.

Die Abschaltung des Internets war offensichtlich eine der ersten Maßnahmen der Junta nach der Machtergreifung. Seitdem hat die Junta immer wieder Internetdienste abgeschaltet, Social-Media-Plattformen und Websites blockiert und die Kontrolle über die Telekommunikationsinfrastruktur übernommen. Dies zusätzlich zu den erweiterten Überwachungsmaßnahmen. Bis September 2022 waren mindestens 54 der 330 Gemeinden Myanmars von Internet-Blackouts betroffen. In anderen Regionen sind die Servicepreise sehr hoch und die Geschwindigkeit sehr langsam – auch Formen der Einschränkung des Internets.

Die Medien, die Radiodienste betreiben, haben viele verschiedene Wege genutzt, um die Informationen über Websites, die sozialen Medien, TV-Nachrichten und über Radioprogramme zu verbreiten. Sie publizieren sogar Radioprogramme in den sozialen Medien und bieten Podcasts an. “Das Internet ist nicht stabil genug, also müssen wir alle Möglichkeiten des Informationszugangs unterstützen”, erklärt Soe Myint. “Die Hälfte des Landes ist jetzt ein Konfliktgebiet. Die Menschen bevorzugen das Internet, um an Informationen zu gelangen, aber auch das Radio wird eine Schlüsselrolle spielen, wenn die Konflikte weiter eskalieren”, fügt er hinzu.

Auf den Punkt gebracht: Das Land ist weiterhin im Rückschritt. Die enge Sichtweise der Junta spiegelt die aktuelle Situation Myanmars wider, nicht nur in Bezug auf die Freiheit der Medien oder des Internets, sondern auch in Bezug auf die Menschenrechte und die Justiz im Land. Glücklicherweise haben die Bevölkerung und die Medien noch eine letzte Chance, um am Informationsfluss teilzuhaben: Das Radio. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg, aber Myanmar ist immer noch in Gefahr und dürstet nach einem Leben in Freiheit und Würde.

 

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1 Responses to Radio, aber kein Frieden: Kann das Radio Myanmars Zugang zu Informationen retten?

  1. […] La version originale de cet article est à retrouver sur le site germanophone de l’EJO. […]

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