Österreich: Die Corona-Krise und die Medien

2. April 2020 • Aktuelle Beiträge, Qualität & Ethik • von

Zwar kursieren auch in Österreich reihenweise Fake News rund um das Coronavirus, aber viele Medien gehen mit gutem Beispiel voran: Sie veröffentlichen Faktenchecks und kontinuierliche Hintergrundrecherchen zum Thema.

Der Einschlag kam spät, aber mit voller Wucht: Bis weit in den Februar 2020 hinein griffen die Medien in Österreich das Thema Covid-19 allenfalls zurückhaltend auf – und wenn, dann überwiegend in der Auslandsberichterstattung. Mittlerweile hat die Corona-Krise jedoch auch den österreichischen Journalismus fest im Griff. Nachdem am 25. Februar die ersten Corona-Fälle in Tirol gemeldet wurden, nahm die Zahl der Beiträge in allen Nachrichten-Medien schlagartig zu. Spätestens als Bundeskanzler Kurz am 10. März – und damit erheblich früher als viele andere europäische Regierungschefs – erste Maßnahmen zur Einschränkung des öffentlichen Lebens in der Alpenrepublik verkündete, entwickelte sich Covid-19 in allen Ressorts zum dominanten Leitthema. Das scheinbar resolute Auftreten von Kurz wurde in der Folge auch von zahlreichen Auslandsmedien thematisiert – nicht selten im Tonfall offener Bewunderung.

Trotz der Informationsflut zu den verschiedensten Aspekten rund um die Corona-Pandemie lässt sich bislang keine merkliche Übersättigung der österreichischen Mediennutzer feststellen. Im Gegenteil: Journalistisch aufbereitete Informationen werden nachgefragt wie selten zuvor. Jedenfalls gehören Nachrichtenportale laut Reppublika Digital Ratings zu den großen Gewinnern des Shutdowns in Österreich. Vor allem die Online-Präsenzen des Österreichischen Rundfunks (ORF), des Standard und der Kleinen Zeitung konnten im März erhebliche Reichweitenzuwächse verbuchen.

Fake News und Verschwörungstheorien

Daran konnte auch die teils heftige Kritik am medialen Umgang mit der Krise nichts ändern. Für Verunsicherung sorgte dabei nicht nur der Umstand, dass auf sozialen Medien reihenweise Fake News zur Ausbreitung von SARS-CoV-2 kursieren. Auch journalistische Redaktionen wirkten mitunter eifrig an der Publikation von Falschinformationen mit. So sorgte beispielsweise der Fall des emeritierten Wiener Infektiologen Wolfgang Graninger für Aufregung, der in einem Interview mit dem Kurier erklärte, das Virus sei ein gezielter Versuch Chinas, die US-amerikanische Wirtschaft zu beschädigen. Die Verbreitung derartiger Verschwörungstheorien sei „unverantwortlich“, kritisierte daraufhin Publizistik-Professor Fritz Hausjell von der Universität Wien. Die Redaktion distanzierte sich später von der Veröffentlichung.

Klar ist: Überzogene Sensationsberichterstattung schürt Ängste in der Bevölkerung – das gilt in Zeiten von Corona mehr denn je. Umso begrüßenswerter ist es, dass auch der Österreichische Presserat sich frühzeitig in die Diskussion zur journalistischen Begleitung der aktuellen Krise eingemischt hat. In einer Stellungnahme forderte die Selbstkontrolleinrichtung dazu auf, „möglichst faktenbezogen und sachlich“ an das Thema heranzugehen. Eine sensationelle Darstellung etwa durch eine plakativ-reißerische Wortwahl sei in jedem Falle zu vermeiden. „Es ist Aufgabe der Medien, auf Risiken und Gefahren aufmerksam zu machen“, heißt es in der Mitteilung weiter, „doch sollte dazu besonders gewissenhaft recherchiert und die Meinung von Experten eingeholt werden.“

Dass dieser Anspruch in vielen österreichischen Medienhäusern ernst genommen wird, zeigen verschiedene Positiv-Beispiele. So veröffentlicht die Austria Presse Agentur (APA) regelmäßig Faktenchecks zu aktuellen Meldungen im Kontext der Corona-Krise. Der Standard überzeugt unter anderem mit seinen kontinuierlichen Recherchen zur Rolle des Skiorts Ischgl als Coronavirus-Drehkreuz. Und gerade auch der Österreichische Rundfunk leistet Bemerkenswertes: Ende März zogen zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter  zum Leben und Arbeiten in einen Isolationsbereich auf dem ORF-Gelände am Küniglberg, um den Sendebetrieb aufrecht zu erhalten.

Vertrauen in klassische Medien

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass ein Großteil der Österreicher mit der journalistischen Berichterstattung zu Covid-19 grundsätzlich zufrieden ist. Laut einer repräsentativen Umfrage des Gallup-Instituts fühlen sich 77 Prozent der Teilnehmer in Sachen Corona durchwegs gut oder sehr gut informiert. Ebenfalls 77 Prozent der Befragten bewerten in dieser Situation die Rolle des Journalismus für die Gesellschaft als wichtig oder sehr wichtig. Besondere Bedeutung kommt dabei offenbar den klassischen Medien – also Fernsehen, Radio und Zeitungen – zu. Gerade in Krisenzeiten zeige sich die „entscheidende Rolle“ von Qualitätsmedien und professionell gestaltetem Journalismus, folgert daher auch Matthias Karmasin, Direktor des Instituts für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung (CMC) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Klagenfurt.

Unklar bleibt derweil allerdings, wie lange Österreichs Medien diese Rolle noch wahrnehmen können: Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise führen bereits jetzt zu erheblichen Werbeeinbrüchen in der Branche. Viele Medienhäuser reagieren darauf mit Kurzarbeit, wie ein aktueller Rundruf des Standard zeigt. Auch wenn der Betrieb kurzfristig gesichert scheint, dürften zumindest kleinere Medienunternehmen auf eine ungewisse Zukunft zusteuern. Medienberater Markus Posset warnt in einem Gastbeitrag für meedia.de schon jetzt: „Viele österreichische Medien werden die nächsten Jahre nicht überleben.“

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