Der Kampf um die Pressefreiheit in Ungarn und Polen: Eine medienethische Betrachtung

18. März 2025 • Aktuelle Beiträge, Internationales • von

Bildquelle: unsplash/ Michael Dziedzic.

In Ungarn und Polen kämpfen Journalist:innen mit politischem Druck und eingeschränkter Pressefreiheit. Trotz Verbesserungen im World Press Freedom Index bleiben die ethischen Herausforderungen und der Kampf um Unabhängigkeit bestehen.

Ungarn und Polen stehen immer wieder im Mittelpunkt, wenn es um die Frage nach Pressefreiheit und dem staatlichen Einfluss auf die Medienlandschaft geht. Journalist:innen sehen sich in diesen Ländern großen Herausforderungen in ihrem Arbeitsalltag und bei der unabhängigen Berichterstattung gegenüber. Besonders aus medienethischer Perspektive sind die Arbeitsbedingungen in beiden Ländern interessant.

Ein Blick auf den World Press Freedom Index 2024 von Reporter ohne Grenzen zeigt:  Ungarn belegt im Vergleich mit 180 Ländern den 67. Platz, während Polen auf Rang 47 liegt. Obwohl sich beide Länder im weltweiten Vergleich in den letzten Jahren verbessert haben, bleibt die Frage bestehen: Wie können Journalist:innen ihre Arbeit im Einklang mit ethischen Grundsätzen fortführen, wenn die Medienlandschaft unter politischem Druck steht? Welche ethischen Herausforderungen ergeben sich, wenn sie mit staatlicher Einflussnahme konfrontiert sind?

Die Medienlandschaften in Ungarn und Polen

Die mediale Situation in beiden Ländern ist seit Jahren angespannt. Auch wenn Polen über eine vielfältige Medienlandschaft verfügt, ist der Einfluss der Regierung besonders während der vergangenen Jahre zu einer bedeutenden Einschränkung geworden. Während der Regierungszeit der rechtspopulistischen PiS-Partei (2015–2023) wurde der öffentlich-rechtliche Rundfunk zunehmend zu einem politischen Instrument umfunktioniert. Besonders 2021 eskalierte die Lage: Journalist:innen wurden verhaftet und daran gehindert, über die Flüchtlingskrise an der belarussischen Grenze zu berichten.

Mit dem Regierungswechsel ist der politische Druck auf private Medien zurückgegangen. Doch die PiS-Partei hat nach wie vor Einfluss auf die Medienaufsichtsbehörde. Kritik an staatlichen Institutionen kann weiterhin zu Strafen führen – im schlimmsten Fall sogar zu Freiheitsentzug.

Auch in Ungarn ist die Medienlandschaft stark regierungsnah. Seit Viktor Orbán 2010 an die Macht kam, hat seine Regierung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowie zahlreiche regionale Medien zunehmend unter Kontrolle gebracht. Kritische Medien wurden eingestellt, und es existieren schwarze Listen mit den Namen unerwünschter Journalist:innen. Orbán hat ein umfassendes Medienimperium geschaffen, das sich in den Händen von regierungsnahen Unternehmen befindet. Zwar gibt es in Ungarn auch unabhängige Medien, doch diese stehen unter massivem politischem und wirtschaftlichem Druck.

Für Journalist:innen bedeutet das konkret: Der Verlust der Medienpluralität erschwert es Ihnen, verschiedene gesellschaftliche Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Besonders problematisch ist dies in Krisenzeiten, wie etwa bei der Berichterstattung über Migration: Wenn Medien aufgrund staatlicher Eingriffe nicht frei berichten können, bleibt die Bevölkerung uninformiert.

Journalistische Ethik im Konflikt

In Ungarn und Polen geraten grundlegende journalistische Prinzipien unter Druck: die Verpflichtung, wahrheitsgemäß und sorgfältig zu berichten, ohne falsche Informationen zu verbreiten, die Menschenwürde zu achten und unabhängig von politischen oder wirtschaftlichen Interessen zu arbeiten. Staatliche Eingriffe erschweren den Zugang zu Informationen und bedrohen die freie Berichterstattung. Journalist:innen stehen vor der ethischen Frage: Inwieweit können sie ihrer Verantwortung noch gerecht werden? Ist es vertretbar, Berichterstattung anzupassen, um die eigene Existenz zu sichern?

Um der politischen Einflussnahme entgegenzuwirken, sind Solidarität und internationale Kooperation entscheidend. Ein Beispiel ist das “Visegrád-Netzwerk”, das sich 2017 aus Journalist:innen aus Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei gebildet hat. Dieses Netzwerk macht auf die schwierigen Arbeitsbedingungen aufmerksam und zeigt, dass eine gemeinsame Stimme stärker ist als die eines einzelnen Landes.

Auch einzelne Medienhäuser leisten Widerstand. Die polnische Gazeta Wyborcza enthüllte 2019 durch investigative Recherchen einen Skandal um den damaligen PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński, der seine politische Macht für private Zwecke genutzt haben soll.

Das ungarische Nachrichtenportal Index.hu galt lange als eine der letzten unabhängigen Medienplattformen des Landes. Doch 2020 wurde der Chefredakteur Szabolcs Dull entlassen, nachdem er vor einer Gefährdung der redaktionellen Unabhängigkeit gewarnt hatte. Dies führte zum Rücktritt fast des gesamten Redaktionsteams – ein deutlicher Protest gegen die Einflussnahme der Regierung. Während die neue Regierung in Polen die Chance eröffnet, staatliche Eingriffe in die Pressefreiheit zurückzudrängen, bleibt Solidarität und investigativer Journalismus in Ungarn eine der wenigen verbliebenen Möglichkeiten, sich gegen die fortschreitenden Einschränkungen zu wehren.

Die Rolle der EU

Die EU sieht sich als Hüterin demokratischer Werte innerhalb der Mitgliedsstaaten. Dazu gehört auch die Einhaltung der Pressefreiheit. Innerhalb der letzten Jahre hat die EU bereits Maßnahmen ergriffen, um auf die Einschränkungen der Medienfreiheit in Ungarn und Polen zu reagieren. Dabei haben die EU-Kommission und das europäische Parlament mehrfach Kritik gegenüber den Einschränkungen der Medienfreiheit geäußert. Außerdem wurden gegen beide Länder sogenannte Artikel-7-Verfahren eingeleitet, die im Extremfall zum Entzug der Stimmrechte im Europäischen Rat führen könnten. Die finanziellen Mittel der EU für beide Nationen wurden gekürzt und unabhängige Medien unterstützt. Doch trotz dieser Schritte stößt die EU bei der Durchsetzung ihrer Maßnahmen oft an die Grenzen nationaler Souveränität.

Die EU bekennt sich also klar als Kritikerin des staatlichen Einflusses auf die Medien und hat bereits gehandelt. Doch ist das genug? Müsste die EU mehr dafür tun die Pressefreiheit in Ungarn und Polen zu schützen?

Ein Ausblick

Die politische Wende in Polen gibt Anlass zur Hoffnung, doch die Pressefreiheit bleibt ein umstrittenes Thema. Die Platzierungen im World Press Freedom Index zeigen zwar eine langsame Verbesserung, doch strukturelle Probleme bleiben bestehen. Polen steht vor einer entscheidenden Phase: Die kommenden Wahlen werden zeigen, inwieweit die neue Regierung den Einfluss der PiS-Partei auf die Medien aufbrechen kann. In Ungarn bleibt die Lage weiterhin kritisch: Ohne tiefgreifende Veränderungen wird der politische Einfluss auf die Medien wohl bestehen bleiben. Internationale Unterstützung und ein wachsendes Bewusstsein für die Bedeutung der Pressefreiheit könnten langfristig zu Verbesserungen führen – doch ob und wann diese eintreten, bleibt ungewiss.

 

Quellen:

https://osteuropa.lpb-bw.de/rechtsstaatsmechanismus-artikel-7-verfahren?utm_source=chatgpt.com

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/ostblogger/visegrad-netzwerk-100.html

https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/meldung/journalist-ohne-gerichtsanhoerung-verurteilt

https://www.reporter-ohne-grenzen.de/polen

https://www.reporter-ohne-grenzen.de/ungarn

https://rsf.org/en/index?year=2023

https://www.presserat.de/pressekodex.html

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