Um sich über Geschehnisse aus dem Ausland zu informieren, sehen sich Mediennutzer lieber die klassischen abendlichen Nachrichtensendungen im Fernsehen an, als sich im Internet die Informationen selbst zusammenzusuchen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Reuters Institute for the Study of Journalism.
Die Studie “The Public Appetite For Foreign News on TV and Online” analysiert, wie das Publikum die Auslandsberichterstattung der BBC in den Jahren 2010 und 2011 angenommen hat – eine Zeit, zu der es geradezu ein Übermaß an Auslandsnachrichten zu geben schien. In diesem Zeitraum fielen beispielsweise die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, das Ende des Gaddafi-Regimes in Libyen, das Erdbeben in Haiti, der Tsunami in Japan, die Überflutungen in Pakistan und die Rettung von 33 chilenischen Bergleuten nach 69 Tagen.
Die Studie widerlegt die vorherrschende Meinung, dass Fernsehzuschauer nicht an Auslandsnachrichten interessiert seien beziehungsweise von ihnen sogar abgeschreckt würden. Ein großes internationales Ereignis kann die durchschnittliche Quote einer Nachrichtensendung sogar um 20 Prozent steigern und auch bei weniger spannenden Auslandsthemen schalten meistens nicht mehr als 10 bis 15 Prozent der Zuschauer ab, heißt es in der Studie.
Die Studie ist das Ergebnis einer Kooperation von Richard Sambrook, Journalistik-Professor an der Cardiff University, David Levy, Direktor des Reuters Institute for the Study of Journalism, und Simon Terrington, ein ehemaliger Gaststipendiat am Reuters Institute. Die Autoren untersuchten, wie die Zuschauer der beiden BBC-Hauptnachrichtensendungen um 18 Uhr und um 22 Uhr Auslandsnachrichten aufgenommen haben und verglichen dies mit dem Interesse der Nutzer auf den Nachrichtenwebsites der BBC.
Ihre Studie zeigt, dass die beiden Hauptnachrichtensendungen der BBC im Schnitt mehr Zuschauer haben als auf den BBC-Websites Auslandsnachrichten abgerufen werden.
Dazu zogen die Autoren Daten der „BBC Pulse“-Umfragen heran. Darin werden Zuschauer regelmäßig von einem unabhängigen Meinungsforschungsinstitut dazu befragt, wie intensiv sie lokale, regionale und internationale Nachrichten verfolgen. Diese Informationen ergänzten die Autoren mit Zahlen des britischen Broadcasting Audience Research Board (BARB), das die offiziellen TV-Quoten für Großbritannien im Minutentakt erhebt. Weiterhin werteten die Forscher die Seitenaufrufe der Nachrichtenwebsites aus und verfolgten, wie sich diese während großer internationaler Nachrichtenereignisse veränderten. Die Autoren analysierten auch, ob sich redaktionelle Entscheidungen über Platzierung und Länge der Beiträge auf die Zuschauerzahlen und die Abschaltquote auswirkten.
Zudem verdeutlichen die Autoren, dass die Entscheider bei der BBC mutig genug waren, ihren Fokus auf Auslandsnachrichten zu legen, noch bevor ihr Publikum an ihnen Geschmack gefunden hatte. „Wir wollten die Frage beantworten, ob man sein Publikum verliert, wenn man den Fokus seines Programms auf Auslandsnachrichten legt“, sagt Levy, einer der Autoren der Studie. „Es ist ermutigend zu sehen, dass TV-Nachrichtensendungen Auslandsthemen bringen können, ohne Zuschauer zu verlieren. Online lesen die Leute allerdings nur die Beiträge, die sie lesen wollen.“
Bemerkenswert detailliert hatte die BBC 2011 vom Aufstand in Tunesien berichtet, obwohl das Interesse daran zunächst sehr gering war. Doch die BBC blieb bei ihrer Linie, und das Interesse der Fernsehzuschauer wuchs. Die Nutzer der BBC-Websites hingegen lasen nur selten Beiträge über Tunesien, auch zu Zeiten, als sie einen großen Teil der TV-Nachrichtensendungen ausmachten.
Als der arabische Frühling auf Ägypten übergriff, wuchs das Interesse der Online-Nutzer am Thema, blieb aber nach wie vor hinter dem der Fernsehzuschauer zurück. Nachdem die TV-Nachrichtensendungen zum ersten Mal über die Proteste in Ägypten berichtet hatten, dauerte es noch einen Tag, bis sich auch mehr Nutzer für die Berichterstattung auf den Websites interessierten. Hinweise darauf, dass die Online-Berichterstattung mehr Zuschauer vor die Fernsehbildschirme gelockt hätte, fanden sich nicht.
Die Autoren der Studie schätzen, dass TV-Redakteure stärker als Online-Redakteure beeinflussen können, wie prominent Inhalte platziert werden und welche Wirkung sie somit beim Publikum erzielen können. In diesem Zusammenhang interpretieren sie die Befunde so: „Dies könnte zeigen, wie wichtig es ist, dass professionelle Journalisten wichtige Ereignisse filtern und in den Fokus der Öffentlichkeit rücken, bevor selbst recherchierende Online-Nutzer auf sie aufmerksam werden.“
Die Studie zeigt auch: Sobald Zuschauer und Online-Nutzer an einem Thema Geschmack gefunden haben, suchen sie gezielt nach Informationen dazu und finden diese auch. Traditionell liegt der Schwerpunkt der BBC-News um 18 Uhr auf Nachrichten aus dem Inland, während die Sendung um 22 Uhr internationaler geprägt ist. Aber sobald ein Thema die Zuschauer gepackt hat, halten sie in beiden Sendungen gezielt danach Ausschau.
Sie entscheiden jedoch selbst, wie lange und wie intensiv sie ein Thema verfolgen. Sobald die BBC in ihren Nachrichtensendungen Themen sehr ausführlich behandelte, tendierten die Zuschauer dazu, nach 15 bis 20 Minuten wegzuschalten. In den Augen der Programmmacher hatten beispielsweise der Tsunami in Japan und der Rücktritt von Mubarak große Sendeplätze verdient – doch die Zuschauer waren anderer Meinung und schalteten ab.
Übersetzt aus dem Englischen von Tobias Jochheim
Originalversion auf Englisch: Viewers Still Watch Foreign News on TV, Not Online
Das Reuters Institute for the Study of Journalism ist Partner des EJO.
Photo credits: Scorpions and Centaurs / Flickr CC
Schlagwörter:Ägypten, Arabischer Frühling, Auslandsnachrichten, BBC, David Levy, Fernsehen, Nachrichtensendung, Online, Reuters Institute for the Study of Journalism, Richard Sambrock, Simon Terrington, The Public Appetite For Foreign News on TV and Online, Tunesien, TV