Das European Journalism Observatory ist Partner der Europa-Projektwochen 2022 des Vereins Europe Direct Dortmund. Bei der diesjährigen Veranstaltung dreht sich alles um das Thema Pressefreiheit in Europa. Die Themen und Gäste der Gesprächsreihe wollen wir hier vorab vorstellen.
Moritz Hergl ist Redaktionsleiter des mehrsprachigen Webmagazins treffpunkteuropa.de der Jungen Europäischen Föderalisten. Die Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel auf Deutsch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Polnisch, Rumänisch und Französisch und gibt so jungen Menschen die Möglichkeit, den europäischen Medienraum eigenhändig zu gestalten. Im Interview berichtet Hergl von den Herausforderungen der grenzüberschreitenden journalistischen Arbeit und erzählt, wie die Redaktion an einer gemeinsamen europäischen Medienöffentlichkeit arbeitet.
Wenn man sich die öffentlichen Debatten in verschiedenen europäischen Ländern anschaut, fällt schnell auf, dass europäische Themen oft noch durch die nationale Brille gefiltert werden. Warum bleibt es so schwer, eine europäische Medienöffentlichkeit herzustellen?
Moritz Hergl: Eine europäische Medienöffentlichkeit kommt einem gemeinsamen Debattenraum gleich, in dem Menschen, seien sie aus Rumänien, Portugal oder Deutschland, regelmäßig miteinander in den Dialog treten, um über politische Entscheidungen in Europa zu diskutieren. Für das Gelingen eines föderalen Europas wäre diese Form der gemeinsamen Meinungsbildung elementar. Allerdings stehen einer europäischen Medienöffentlichkeit einige Hindernisse im Weg: Neben praktischen Problemen, wie Sprachbarrieren, räumlicher Distanz und nationalen Medienhäusern, tragen auch Politiker*innen und Journalist*innen selbst zu einer Nationalisierung von Debatten bei. Für Politiker*innen ist es oft einfacher, sich auf nationaler oder lokaler Ebene für eine gewisse Politik einzusetzen, da hier ihre Wählerbasis ist. Außerdem werden in Brüssel immer noch zu viele Entscheidungen in Hinterzimmern verhandelt, was breite gesellschaftliche Debatten nicht gerade begünstigt. Andererseits scheint es manchmal, dass Journalist*innen selbst, sich auf nationale Debatten stürzten, und EU-Politik oft nur als Randnotiz behandelten. Dadurch entsteht ein Narrativ der Distanz zwischen Bürger*innen und europäischen Amtsträger*innen, das für eine europäische Medienöffentlichkeit das größte Hindernis ist.
Ist eine gemeinsame europäische Medienöffentlichkeit mit den verschiedenen Sprachen Europas überhaupt möglich?
Mit treffpunkteuropa.de und unseren sieben anderen Sprachversionen zeigen wir jeden Tag, wie es gehen kann: Unsere Artikel sind in acht verschiedenen Sprachen abrufbar. Unsere Sprachenvielfalt ist ein wichtiger Bestandteil unserer europäischen Kultur, doch das bedeutet nicht, dass eine europäische Öffentlichkeit an dieser Diversität scheitert. Im Gegenteil, über 90 Prozent der Europäer*innen sprechen neben der Muttersprache mindestens noch eine weitere Fremdsprache. Und vor allem in meiner Generation kommt man mit Englisch in fast jedem EU-Land durch. Sprachenvielfalt ist eine geringere Barriere, als nationale Denkmuster, die unsere Debatten zu Themen der EU verzerren und uns in nationale Bubbles trennen.
Wie versuchen Sie journalistisch über europäische Grenzen hinweg zu arbeiten?
Treffpunkteuropa.de ist das Online Magazin der Jungen Europäischen Föderalisten, einem Verband, der europaweit aktiv ist. Basierend auf diesem Netzwerk ist eine journalistische Community entstanden, die jungen Menschen die Möglichkeit bietet, eigene erste Erfahrungen im Schreiben und Veröffentlichen von Artikeln zu sammeln. Im Mittelpunkt steht dabei die Stärkung eines europäischen Medienraums, denn unser Ziel ist die Verbreitung über Grenzen hinweg. Beispielsweise kümmern wir uns um Übersetzungen von Beiträgen unserer Partnermagazine, damit die Ideen von jungen Menschen aus Italien, Polen oder Frankreich auch in Deutschland gelesen werden.
Moritz Hergl wird am 08.06. bei der Online-Veranstaltung Am Kiosk in ganz Europa – Herausforderung europäische Medienöffentlichkeit zu Gast sein.
Interview und Beitragsbild: Europe Direct Dortmund
Schlagwörter:Cross-Border-Journalismus, EU, Europa, Europe Direct, Pressefreiheit