Hokuspokus verschwindibus

30. November 2007 • Medienökonomie • von

Weltwoche, Nr. 26 / 2007

Es ist selten, dass im Mediengeschäft über Nacht ein ganzer Markt verschwindet. Wir müssen also die parallele Geschichte von Facts und Cash bis zu den tröstlichen Schlusspsalmen nacherzählen.Man kann von Roger Köppel halten, was man will. Aber eins muss man ihm lassen: Schwein hat der Mann.

Innert drei Wochen haben seine schärfsten Konkurrenten aufgegeben. Der gehobene Wochenzeitungs-Markt der Schweiz hat sich in Luft aufgelöst. Ringiers Cash und Facts von Tamedia gibt es nicht mehr. Es verbleibt Köppels Weltwoche-Monopol. Daneben gibt es nur noch wöchentliche Unterhaltungs- und Fachblätter wie Schweizer Illustrierte, Handelszeitung und Tierwelt.

Die Nachrufe auf Facts und Cash sind erschienen, wir können also auf weitere Gedenkworte verzichten. Wenn allerdings ein ganzer Markt implodiert, ist es interessant, seine Historie zu untersuchen. Es wird eine nette Story über Unternehmenskulturen.

Cash und Facts, dies vorweg, machten seit Jahren keinen guten Journalismus mehr. Sie waren fad und öd geworden. Ihre Parallele ist, dass ihre Mutterhäuser absichtlich dafür gesorgt hatten, dass sie fad und öd wurden.

Als Facts 1995 startete, ich war Herausgeber, positionierte sich das Newsmagazin als undogmatisches und provokatives Blatt, das der Skandalisierung der öffentlichen Sache durchaus zugeneigt war. Besonderes Potenzial ortete man in der Hinterfragung der Umverteilung, die damals noch via Tabubegriffe wie Sozialstaat und Solidarität weitgehend vor Kritik geschützt war.

Cash begann 1989 ähnlich gegen den Strich. Der Titel profilierte sich als Plattform kapitalistischer Freuden rund um die Börsenhaussen der neunziger Jahre. Gleichzeitig ärgerte man mit spritzigen Geschichten die Würdenträger in Wirtschaft und Politik und entstaubte so die spröde Wirtschaftsjournaille der Schweiz.

Beide hatten schnellen Erfolg. Cash erreichte bald eine Auflage von über 70’000, Facts von über 100’000. Also hatten sie auch Erfolg im Werbemarkt. Beide verkauften noch im Jahr 2000 über 2200 Inserateseiten. Hätten sie dieses Niveau gehalten, sie hätten auf Dauer Millionen verdient. Doch dann brachen Auflagen und Anzeigen zusammen. Was geschah? Beide Blätter wurden hausintern publizistisch ruiniert.

Bei Ringier war es die Kampfbrigade gegen Neoliberalismus (KgN), angeführt von Chefpublizist Frank A. Meyer, die Cash seit seiner Geburt hasste und auf ihren Kurs der Kapitalismuskritik trimmen wollte. Jahrelang biss die KgN auf Granit, doch nach dem Abgang von Chefredaktor Markus Gisler im Jahr 2000 war es so weit. Cash wurde journalistisch domestiziert, verlor Unabhängigkeit und Biss und war nur noch fad und öd.

Bei Tamedia war es die Schlachtformation der Bedenkenträger (SdB), angeführt von der Tages-Anzeiger-Redaktion, die Facts seit je spinnefeind war und auf ihren Kurs des Gutmenschentums trimmen wollte. Im Herbst 1999, nach einem Flop über eine Rotlichtaffäre von Bundesrat Kaspar Villiger, kam die Gelegenheit für die SdB, und Facts wurde journalistisch domestiziert. Man verwechselte intern Seriosität mit Stinklangweiligkeit, zog dem Blatt die Zähne, und Facts war nur noch fad und öd.

Beide Verlage erkannten spät, was sie angerichtet hatten, und investierten zuletzt noch einmal finanziell und personell in ihre Marke. Too late. Sie hatten nicht die Kraft und das Können für eine journalistische Kehrtwende. Es zeigte sich der generelle Branchentrend, wonach publizistische Kompetenz keinen hohen Stellenwert in der Führung von Medienunternehmen mehr hat.

Wir wollten eigentlich auf Nekrologe verzichten. Aber irgendwie hat der doppelte Tod doch etwas Tröstliches. Einfallsreicher Journalismus ist offenbar doch keine Nebensache. Noch nicht.

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