Die Schnäppchenjagd geht weiter

27. Mai 2005 • Digitales • von

Neue Zürcher Zeitung, 27. Mai 2005

Online-Auktionen als erfolgreiches Zusatzgeschäft
Mit Online-Auktionen erkunden zurzeit Schweizer Tageszeitungen ein neues Geschäftsfeld. Und das mit einigem Erfolg. Profitieren sollen alle Teilnehmer: die Konsumenten, die Werbekunden und die Zeitungen, die so neue Geldquellen erschliessen.

Die Produktpalette reicht vom Abonnement für eine Gesichtsfaltenbehandlung über die Matratze bis zum Marmorbrunnen. Versteigert wird alles, was unter den Bietern Gefallen finden könnte – und offenbar auch findet. Die Internet-Auktionen finden im Schweizer Zeitungsmarkt aufgrund der durchwegs positiven Resultate Anklang. Der Erfolg dieses neuartigen Geschäftsmodells beruht auf verschiedenen Faktoren. In erster Linie ermöglicht das ausgeklügelte Konzept einen Tauschhandel zwischen Zeitung und Werbekunden mit Vorteilen für beide Seiten. Werden Produkte ersteigert, geht der erzielte Preis an das Blatt. Im Gegenzug erhält der Werbekunde, welcher die Produkte für die Auktion zur Verfügung gestellt hat, ein Inserateguthaben, das dem Ladenpreis der Artikel entspricht. Werden Artikel nicht versteigert, so bleiben sie beim Werbekunden, ohne dass Kosten anfallen.

Die Schweiz als gutes Terrain

Nachdem im vergangenen Jahr die "Berner Zeitung" zum ersten Mal eine Internet-Auktion durchgeführt hatte und diese als Erfolg gewertet worden war, hat sich daraus geradezu ein neuer Trend entwickelt. Die Auktion bescherte dem Blatt damals Mehreinnahmen im Anzeigenbereich in der Höhe von 350 000 Franken. Obendrein wurden hundert neue Werbekunden gewonnen, die zusätzliche Reklame von 700 000 Franken garantierten. Diese Zahlen überzeugten auch andere. Das "Bieler Tagblatt" hat mittlerweile ebenfalls eine Auktion durchgeführt, die "Aargauer Zeitung" sogar deren zwei. Im internationalen Vergleich scheint die Schweiz ein gutes Terrain für Online-Versteigerungen zu sein: Das "Bieler Tagblatt" placierte sich mit Werbeeinnahmen von über 150 000 Franken in weltweit mehr als 240 solcher Auktionen unter den Top 40. Damit gewann das Blatt, zusammen mit der "Aargauer Zeitung", den "Golden Auction Award" für die erfolgreichste Auktion in Europa. Verliehen wurde der Preis vom Erfinder dieses Konzepts – dem kanadischen Unternehmen CityXpress.

Inzwischen ist der "Tages-Anzeiger" ebenfalls auf den Zug aufgesprungen und führt in diesen Tagen eine Online-Auktion durch. Für das "St. Galler Tagblatt" und den "Zürcher Oberländer" erfolgt der Start am 28. Mai beziehungsweise am 1. Juni. Ausserdem veranstalten auch in Deutschland und Österreich grössere Zeitungsunternehmen immer häufiger solche Auktionen, unter ihnen die "Berliner Morgenpost".

Produkte statt Inserate

Christoph Marty, Projektleiter der Internet- Auktion bei der "Aargauer Zeitung", sieht den Hauptgrund für den Erfolg des Modells im konkreten Nutzen, den der Werbekunde aus dem Verkauf eines Produkts zieht. Die Zeitung versucht in diesem Fall nicht mehr, Werbeplätze zu verkaufen, sondern fordert ein Produkt, das sie dann auf ihrer Internetseite – quasi als Makler – anbietet. Dies ist offenbar eine vielversprechende Ausgangslage, um neue Werbekunden nicht nur zu gewinnen, sondern nach erfolgter Auktion auch längerfristig zu halten.

Das Internet nimmt bei diesem Kooperationsmodell eine zentrale Position ein. Erstens bietet es den mehrheitlich lokal verankerten Anbietern eine weitere Plattform für ihre Produkte. Zweitens stellt es die Zeitungsverlage erstmals vor die Aufgabe, eine konkrete cross-mediale Strategie und damit innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln. Denn bisher wurde das Internet überwiegend als zusätzlicher Vertriebskanal genutzt – mit spärlichem Erfolg. Darüber hinaus ist das Web als Werbeträger in der Schweiz noch nahezu bedeutungslos, liegt es doch mit einem Anteil von 0,8 Prozent am gesamten Werbekuchen sogar hinter der Kinowerbung zurück. Es gibt also noch viel Potenzial auszuschöpfen.

Im Anzeigengeschäft – der Haupteinnahmequelle von Zeitungsverlagen – findet zurzeit ein Umbruch statt. Die Werbeinvestitionen verlagern sich in Fernsehen und Internet; entsprechend stagnieren die Anzeigenumsätze oder gehen weiter zurück. Insbesondere das Internet erzwingt ein radikales Umdenken bei den Presseunternehmen. Die neuen Märkte müssen mit mehr Verve bearbeitet werden. Online-Auktionen scheinen einen Weg zu weisen, um die Kundenbindung zu erhöhen und gegenüber den Lesern und Werbetreibenden die eigene Marke zu stärken.

Vorerst keine italienischen Zustände

Gerade die Printmedien, so scheint es, sind immer häufiger auf Nebeneinkünfte angewiesen, die nicht direkt dem Anzeigengeschäft entspringen. Marty indes relativiert diese These: "Die Zeitungsbranche hängt nicht ausschliesslich von diesen neuen Geschäftsmodellen ab." Auf der Suche nach neuen Geldquellen werden somit auch andere Möglichkeiten ins Auge gefasst. In Deutschland betätigen sich Presseverlage seit kurzem auch als Buchverleger, Musikproduzenten oder gar als Wein- und Kaffeeverkäufer. Die Bucheditionen der "Süddeutschen Zeitung" und der "Bild"- Zeitung haben im vergangenen Jahr immerhin vier Prozent des Gesamtumsatzes mit belletristischer Literatur ausgemacht (Meldung dazu auf dieser Seite).

Ob derartige Verkaufsstrategien auch in der Schweiz von Erfolg gekrönt wären, bleibt noch unklar. Die Verlage geben sich zugeknöpft. Auch Marty äussert sich in diesem Zusammenhang skeptisch: "Andere Zusatzgeschäfte wie Bücherverkäufe werden durchaus in Betracht gezogen, doch sind wir uns nicht sicher, ob dies den Wünschen der Leser überhaupt entspricht." Vorerst sind also von Beigaben überfüllte Kioske, wie man sie in Italien, der Heimat aller Zusatzgeschäfte häufig antrifft, nicht zu befürchten.

Online-Auktionen sind ein erster Schritt in Richtung einer cross-medialen Geschäftsstrategie, bei der die spezifischen Vorteile unterschiedlicher Kommunikationskanäle, sprich Zeitung und Internet, ausgenützt werden. Doch damit besteht die Gefahr, dass Zeitungen ihre ursprüngliche Aufgabe der Informations- und Unterhaltungsvermittlung aus den Augen verlieren und zum Tante-Emma-Laden verkommen. Insbesondere dann, wenn Produkte angeboten werden, die mit der Medienbranche nichts zu tun haben.

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