Verdient man mit Journalismus im Internet allmählich Geld? Es scheint so. Der Februar 2014 brachte für den Online-Auftritt von 20 Minuten einen neuen Rekord. Erstmals zählte 20 Minuten mehr als sechs Millionen Unique Clients pro Monat.
Unter Unique Clients versteht man die Zahl der Computer, Smartphones und Tablets, von denen auf eine Website zugegriffen wird. Bei 20 Minuten kommen drei Viertel der Nutzer aus der Deutschschweiz, der Rest stammt aus der Romandie.
Die News-Site von 20 Minuten ist die Nummer eins im Land. Dahinter folgt mit vier Millionen monatlichen Zugriffen der Blick, ungefähr gleichauf liegt der Internet-Auftritt des staatlichen Radio und Fernsehens. Tages-Anzeiger und NZZ kommen mit ihren Online-Angeboten auf rund zwei Millionen.
Der journalistische Online-Markt, jahrelang ein chaotisches Experimentierfeld, hat sich zuletzt stark beruhigt. Man weiß nun besser, was funktioniert, man weiß es bei den Geschäftsmodellen wie bei den Inhalten.
Fast überall hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die großen, bezahlten Blätter auch im Netz für ihr Angebot Geld verlangen. Nach der NZZ schwenkte soeben der Tages-Anzeiger auf diese Strategie ein. Nur die ersten zwanzig Artikel pro Monat sind gratis, dann senkt sich die Bezahlschranke herab. Weitere Blätter wie Blick und Berner Zeitung haben ein vergleichbares Finanzmodell angekündigt.
Auch inhaltlich hat sich die Lage beruhigt. Die führenden Online-Seiten der Verlage sind stark News-orientiert und verzichten auf Schnickschnack. All die lustigen Spielchen, Rankings und Tiervideos, die zwischenzeitlich grassierten, sind wieder vermehrt einem informativen Stil gewichen. Auch die weltweit führenden News-Sites wie die von BBC, CNN oder Huffington Post geben sich bewusst nüchtern und nah an den Fakten.
Eine auffällige Ausnahme von dieser Branchenregel der Seriosität macht das neue Gratis-Newsportal Watson aus dem Hause der Aargauer Zeitung, das mit viel Tamtam startete. Es bietet oft ein banales Bilderbuch, in dem sich bunte Listen von allerlei Prominenten und allerlei Absurditäten finden. Wie zu erwarten, ist heute ein solches Konzept des Kinderkrams erfolglos. Die Site erreicht bisher nicht einmal zehn Prozent des Publikums, das etwa der Marktleader 20 Minuten online anspricht.
Ein Massenpublikum jedoch ist unerlässlich, wenn man sich im hart umkämpften Internet-Journalismus mit einem Gratisangebot durchsetzen will. Nur über eine enorm hohe Nutzerzahl lassen sich die Investitionen in Redaktion und Technik wieder hereinspielen. Denn ohne die große Masse bleibt die Werbewirtschaft fern.
Fünfzehn Jahre lang hat die Medienindustrie versucht, ihre Gratisangebote im Netz über Werbung zu refinanzieren. Gelungen ist es nur wenigen. Nach fünfzehn Jahren des Scheiterns hat sich darum nun das Prinzip des bezahlten Inhalts auch in der digitalen Welt durchgesetzt.
Kommen wir noch einmal zur Ausnahme. Seit zehn Jahren sind die gedruckten 20 Minuten mit ihren 2,2 Millionen Lesern das finanzielle Flaggschiff des Tamedia-Konzerns. Keine andere Gratiszeitung weltweit verdiente so viel, um die dreißig Millionen Franken im Jahr.
Nun könnte dieselbe Marke auch im Netz eine Premiere setzen. 2013 verdiente 20 Minuten online auf Ebitda-Stufe rund fünf Millionen Franken. Mehr Geld machte hierzulande noch nie ein publizistisches Internet-Angebot. In diesem Jahr, wenn es wie bisher läuft, könnten es gar zehn Millionen Gewinn werden.
Zehn Millionen im Jahr verdienen bei uns nur noch ganz wenige Zeitungen auf Papier. Im Jahr 2014 hat die digitale Welt die gedruckte Welt eingeholt.
Erstveröffentlichung: Die Weltwoche vom 3. April 2014
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