Wirtschaftliche Nachhaltigkeit und die Suche nach neuen Geschäftsmodellen bleiben wichtige Herausforderungen im Journalismus, vor allem bei textbasierten Medien. Ein Problem scheint die fehlende Zahlungsbereitschaft der Nutzer:innen zu sein, die gerade im Internet vor Bezahlschranken Halt machen. Genau dieses Verhalten hat sich Tim Groot Kormelink, von der Vrije Universiteit Amsterdam in einer Forschungsarbeit angesehen, die in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Journalism veröffentlicht wurde (Anm.: online bereits 2022). Seine Hauptfrage ist: Was hält Mediennutzer:innen vom Bezahlen ab?
Mit schwindenden Werbeeinnahmen, viel kostenloser Konkurrenz im Internet und steigenden Produktionskosten sind Print- und Onlinemedien dringend auf Einnahmequellen angewiesen – Abonnements und Bezahlschranken sind dabei wichtige Strategien, Einnahmen zu erzielen. In Deutschland wird außerdem aktuell über die Möglichkeiten des gemeinnützigen Journalismus debattiert. Wie der aktuelle Reuters Digital News Report zeigt, sind 54 Prozent der Befragten Deutschen unter keinen Umständen bereit, für Nachrichten im Netz zu bezahlen wir berichteten). Dabei müssen Interesse an Nachrichten und Bereitschaft zu zahlen nicht miteinander einhergehen und es lassen sich unterschiedliche Haltungen je nach Alter ausmachen (Newman et al., 2021). Neben der finanziellen Bedrängnis der Medienschaffenden und Verlage steht hinter der Frage nach dem Bezahlverhalten auch die Sorge, wie ein vielfältiges und diverses Angebot an Qualitätsjournalismus ohne adäquate wirtschaftliche Erträge aufrechterhalten werden könnte.
Groot Kormelinks qualitative Studie trägt dazu bei, die Verhaltensmuster und Beweggründe der Leser:innen besser zu verstehen, was wiederum Medien helfen könnte, ihre Strategien anzupassen. Die Motive der Nutzer:innen stellten bisher eine Forschungslücke dar. Er interviewte 68 Studienteilnehmer:innen, die ein kostenloses Probeabo einer von ihnen gewählten niederländischen Zeitung erhielten. Während des dreimonatigen Testzeitraumes hatten alle Zugriff auf die digitalen Angebote der Zeitungen sowie nach Wunsch auch eine Zustellung der Print-Ausgabe (an allen Erscheinungstagen oder nur am Wochenende). Beim Online-Zugang konnten sie Website, Nachrichten-App und PDF-Version der Zeitung nutzen. Im Anschluss entschieden ausnahmslos alle Teilnehmer:innen, die Abonnements nicht bezahlpflichtig zu verlängern und wurden nach ihren Gründen für diese konkrete Entscheidung befragt. Auch ihre allgemeine Haltung gegenüber Bezahlangeboten kam zur Sprache. Dabei kristallisierten sich vier Hauptgründe heraus: ein als zu hoch wahrgenommener Preis, genügend frei verfügbare Nachrichten, keine Bereitschaft, sich zu verpflichten, sowie Liefer- und technische Probleme.
Die Gründe im Zusammenhang mit dem Preis teilten sich in verschiedene Unterkategorien auf. Einigen war das Abonnement zu teuer, teils aufgrund eines geringen (Studierenden-)Budgets, teils weil sie es stellte sich allerdings bei einigen Teilnehmer:innen ein Mangel an Informiertheit über die tatsächlichen Kosten heraus. Ihnen war zum Beispiel nicht bewusst, dass es günstigere Möglichkeiten gibt, die auch noch stärker ihren Interessen entsprechen – zum Beispiel die Kombination einer Wochenendprint- oder Pdf-Ausgabe mit vollem Online-Zugang.. Andere erwähnten, bereits genügend andere Abos zu bezahlen, sie empfanden also eine Abonnement-Sättigung oder auch, dass sie die Zeitung während des Probeabos nur unzureichend genutzt hatten und sich deshalb das Weiterführen nicht lohne. Bei den bereits bestehenden Abonnements handelte es sich aber hauptsächlich um Dienste wie Netflix oder Spotify, also nicht um nachrichtenjournalistische Angebote. Eine kleine Minderheit äußerte normative Bedenken, wonach Informationen frei zugänglich sein sollten, um zum Beispiel wirtschaftlich schwächere Gruppen nicht auszugrenzen.
Die Vielfalt der schon frei erhältlichen Informationen und journalistischen Angebote ist ein weiterer Aspekt, der einige Interviewte von der Zahlentscheidung abhält. Sie gaben unter anderem an, es als Geldverschwendung wahrzunehmen, wenn sie sich doch zu den meisten Themen auch kostenlos informieren könnten. Zu den kostenlosen Quellen wurden Online-Artikel von journalistischen Medien und Blogs, aber auch Podcasts und teils soziale Medien gezählt. Hinzu kommt ein Zögern, sich auf ein bestimmtes Medium festzulegen – durch den Nachrichtenkonsum im Internet sind Nutzer:innen gewohnt, auf eine Vielzahl verschiedener Quellen zurückzugreifen und dort jeweils kleine Informationshäppchen zu „snacken“, was die Entscheidung für ein Medium erschweren kann.
Was zum Zahlen motivieren könnte
Ein Abo bedeutet neben der finanziellen Bindung auch die Verantwortung bzw. den Zeitaufwand, sich um den Vertrag und eine eventuelle Kündigung zu kümmern. Einige Studienteilnehmer:innen erlebten zusätzlich technische Schwierigkeiten, wie Ladeprobleme oder dass sie sich jeweils neu einloggen mussten, aber auch zu späte oder ausgefallene Lieferungen der Printausgaben als Hürden.
Groot Kormelink befragte die Nutzer:innen auch dazu, welche Faktoren sie doch zu einem Abo-Abschluss bewegen könnten. Einige nannten geringere Preise – und besonders die jüngeren Befragten hatten überraschend konkrete Vorschläge. Sie gaben an, dass sie grundsätzlich an einem Abo interessiert sein könnten, wenn die finanzielle Hürde geringer sei und ungefähr den Kosten eines geteilten Netflixaccounts (ca drei bis fünf Euro im Monat) entsprechen würde. Ein weiterer Pluspunkt wäre demnach Flexibilität, sodass z.B. wöchentlich entschieden werden könnte, ob das Abo in dieser Woche genutzt und bezahlt werde oder nicht.
Warum sie überhaupt in Betracht ziehen würden, für Nachrichten zu zahlen, erklärten die Proband:innen damit, dass die Apps und sonstigen Angebote ihnen verlässliche und praktische sowie leicht zu handhabende Services bieten und sie sich dadurch besser oder barrierefreier informiert fühlten. Auch die Qualität hinter der Bezahlschranke nahmen sie teils als besser wahr denn bei den kostenlosen Angeboten. Andere erwähnten, dass sie sich verpflichteter fühlen würden, sich auch tatsächlich mit den Nachrichten auseinanderzusetzten, wenn sie schon einmal dafür zahlten – ähnlich wie bei einer Mitgliedschaft im Fitnesscenter.
Die Ergebnisse beinhalten keinerlei Aussagen darüber, dass politische oder ideologische Aspekte die Entscheidungen beeinflussten. Das an Abonnements im Unterhaltungsbereich gewöhnte Nutzungsverhalten gerade der jüngeren Befragten könnte aber durchaus eine Chance für nachrichtliche Medien bedeuten, sollten sie es schaffen, die potenziell Interessierten von einer positiven Kosten-Nutzen-Bilanz zu überzeugen.
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