Oppositionelle Medien, die in repressiven Regimen tätig sind, stehen vor einer großen Herausforderung: Sie kämpfen nicht nur für mehr Demokratie, sondern auch ums finanzielle Überleben, wie eine Studie zeigt.
Clare E. Cook (University of Lancashire) analysiert in ihrer Studie die Finanzierungsstrukturen von 19 unabhängigen Oppositionsmedien, darunter Medien im Exil und Medien, die im jeweiligen Inland unter staatlichem Druck stehen. Ihr Fokus liegt dabei auf sich entwickelnden Volkswirtschaften im Nahen Osten, Osteuropa, Südasien und Afrika.
Wie die Ergebnisse zeigen, sind alle untersuchten Medien von ausländischer Förderung und von Zuschüssen abhängig, von denen sie sich allerdings gerne befreien würden. Als Hauptgründe, warum sich Oppositionsmedien so lange auf bestehende Beihilfen verlassen haben, werden die Unkenntnis über andere Finanzierungsquellen aufgeführt – und das begrenzte verfügbare Kapital, um neue Einkommensquellen zu erschließen. Ein Mitarbeiter eines Mediums aus Simbabwe erklärte, das Bewährte fühle sich sicherer an, als etwas Neues auszuprobieren: „Wir schreiben einen Antrag und halten nach den besten Angeboten Ausschau. Wir haben jahrelange Erfahrung mit Spenden und fast keine, was andere Einnahmen betrifft.“
Allerdings wird es für unabhängige Oppositionsmedien immer schwieriger, finanzielle Hilfe zu bekommen. Einige wie Short Wave Radio (Simbabwe) und Uznews.net (Usbekistan) mussten, trotz ihrer langen Geschichte, 2014 wegen mangelnder Finanzmittel schließen. Häufig sind ausländische Zuschüsse an außenpolitische Interessen der Geberländer gebunden, was zu langwierigen Entscheidungsprozessen und sehr spezifischen Auswahlkriterien führt, die Antragsteller erfüllen müssen. Zudem wollen viele Geldgeber inzwischen entweder nicht mehr alleinige Finanzierungsquelle sein, oder lediglich eine Startfinanzierung sichern. Sich nur auf Spenden zu verlassen, ist deshalb zu einem riskanten Geschäftsmodell geworden.
Von den untersuchten Medien experimentiert knapp die Hälfte (47 Prozent) mit einem Mix aus Display-Werbung und Native Advertising. Werbung bleibt aber nur eine bescheidene Einnahmequelle, was auch einem Mangel an Knowhow rund um die Werbung geschuldet ist.
Der größte Fortschritt auf dem Weg zur Sicherung nachhaltiger Werbeerlöse ist die Gründung eines Netzwerks, das die Medienunternehmen auf einer gemeinsamen Plattform bündelt und vermarktet. Somit wird für Werbetreibende ein globaler Markt geschaffen, und die beteiligten Medien generieren gemeinsam Einnahmen aus internationaler Werbung. Sie bekommen 70 Prozent des Umsatzes. Der Hauptvorteil des gemeinsamen Netzwerks: die Medienunternehmen tragen die Infrastruktur-Kosten für Werbung nicht mehr alleine, sondern diese werden auf alle umgelegt.
Wie Cook zeigt, gelingt es den Oppositionsmedien allerdings nicht, Werbung vollständig in ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu integrieren, da Werbetreibende ihre Anzeigen lieber in anderen Medien schalten. Die meisten wollen nicht mit oppositionellen Medien in Verbindung gebracht werden. So sagt ein Mitarbeiter eines Mediums, das über den Kaukasus berichtet: „Wir schreiben über verschwundene Menschen, Folter, Menschenrechtsverletzungen… Damit wollen Werbetreibende nichts zu tun haben.“
In finanzschwachen Ländern wie Simbabwe trägt der Zeitungsverkauf mehr zum Gesamtumsatz bei als Werbung, in einem Fall bis zu 60 Prozent. Da Werbetreibende durchschnittlich 45 Tage Zeit haben, um ihre Rechnung zu begleichen, setzen einige Medienunternehmen auf den Straßenverkauf, um tägliche Einnahmen zu erzielen.
Bis auf fünf der untersuchten Oppositionsmedien haben alle schon Erfahrungen mit Spenden, Mikrospenden und Crowdfunding gesammelt. Allerdings haben nur sieben Medien auch Einnahmen aus diesen Tätigkeiten erzielt, und selbst dann ließen die Ergebnisse zu wünschen übrig. Ein usbekisches Medium hat mit Flattr experimentiert, einem Social-Payment-Service, bei dem der Benutzer über Kreditkarte oder Paypal Guthaben auf ein Konto einzahlt und von diesem monatlich Medienanbietern einen Abonnementsbetrag spendet. Dennoch wurde nur ein Bruchteil des Budgets durch Spenden gedeckt.
„Die Menschen sind nicht sehr politisch aktiv, und sie halten alles für selbstverständlich“, meint ein Mitarbeiter eines usbekischen Oppositionsmediums. Und sein Kollege aus Simbabwe sagt zur mangelnden Spendenbereitschaft: „Jeder ist arm […] auch die, die in der Diaspora in einem Erste-Welt-Land arbeiten, arbeiten sehr hart, um genug nach Hause schicken zu können. Das letzte, woran sie denken, ist, ihr Geld Medien zu spenden.“
Zudem sind Bankgeschäfte oft problematisch für oppositionelle Medien, vor allem für die, die im Untergrund arbeiten. Einerseits benötigen digitale Zahlungsplattformen wie PayPal spezifische Bankverbindungen, die von der Regierung verfolgt werden können und sowohl die Medien als auch ihre finanziellen Unterstützer gefährden. Andererseits würde die Einrichtung von kundenspezifischen digitalen Strukturen eine technische Expertise erfordern, die den Medien fehlt. Auch hier wäre der Zusammenschluss zu einem Netzwerk eine Lösung, um ein System für anonyme Spenden, Online- und Mobilfunkzahlungen einzurichten, das für jedes Unternehmen allein zu teuer wäre.
Fragile Finanzen sind offenbar typisch für unabhängige oppositionelle Medien. Unabhängig von ihren Bemühungen, neue Einnahmequellen zu generieren und Geschäftsmodelle zu erproben, werfen die Forschungsergebnisse die Frage auf, ob ihr Publikum nur Gefallen an ihnen findet, wenn sie sich von kommerziellen Überlegungen wie Umsatz und Gewinn lossagen. So sagt beispielsweise der Mitarbeiter eines syrischen Mediums: „Man hört uns zu, weil wir kämpfen und gemeinnützig sind. Wenn unsere Nutzer das Gefühl hätten, dass wir Geld verdienten, würden sie den Glauben an uns verlieren.“ Dies verkompliziert die Frage nach dem richtigen Finanzierungsmodell, das das Überleben sichern kann.
Wie die Studie zeigt, kombinieren unabhängige oppositionelle Medien in repressiven Regimen eine Vielzahl unterschiedlicher Strategien, um Einnahmen zu generieren. Sie unterscheiden sich beträchtlich von den Finanzierungsstrategien, die Mainstream-Medien anwenden. In der wissenschaftlichen Literatur wurden erstere bisher vernachlässigt. Diese Lücke schließt Cook mit ihrer Studie.
Aus Sicherheitsgründen wurden in der Studie alle beteiligten Medienunternehmen anonymisiert.
Clare E. Cook (2016): Fragile Finance: The Revenue Models of Oppositional News Outlets in Repressive Regimes. In: International Communication Gazette, Vol. 78, No.6, 514-535.
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