Polnische Medien protestieren gegen geplante Reklamesteuer

16. Februar 2021 • Aktuelle Beiträge, Medienökonomie, Pressefreiheit • von

Die polnische Regierung will Werbeumsätze von Zeitungsverlagen, TV- und Radiosendern, Kinos, Websites und Tech-Plattformen zusätzlich besteuern. Die Abgabe solle vor allem die Gewinne der großen Internetriesen wie Google abschöpfen – doch in Wirklichkeit würde sie die traditionellen Medien viel stärker belasten als die globalen Tech-Giganten.

“Medien ohne Wahl” titelten polnische Zeitungen und Websites aus Protest gegen die geplante Reklamesteuer. Bildquelle: Screenshot gazeta.pl

Die Ankündigung einer Reklamesteuer hat bei den privaten Medien große Proteste ausgelöst. Mit Ausnahme der regierungsfreundlichen Titel erschienen vergangene Woche Zeitungen mit leerer Titelseite, Bildschirme blieben schwarz, Radiosender sendeten nicht. Statt des regulären Programms waren schwarze Tafeln mit Slogans wie „Medien ohne Wahl“ und „Das war einmal Ihre Lieblingssendung“ zu sehen.

Mit diesem Schritt wollten Medienbesitzer, Journalisten und Redakteure dem Publikum bewusst machen, wie es ohne freie Medien wäre, da sie befürchten, dass einige der Medien unter dem finanziellen Druck, der mit der Einführung einer Reklamesteuer noch größer werden würde, nicht überleben könnten.

Was es mit der neuen Steuer auf sich hat

Was als lang erwartete Digitalsteuer dargestellt wird, die seit geraumer Zeit auf der EU-Agenda steht, ist in Wirklichkeit eine sehr eng gefasste Werbesteuer. Sie gilt nicht nur für digitale Einnahmen, sondern auch für Einnahmen aus konventioneller Werbung.

Die vorgeschlagene Abgabe beginnt bei 2% für die gedruckte Presse, deren jährliche Werbeeinnahmen 15 Mio. Zloty (ca. 3,34 Mio. Euro) übersteigen, und bei 6% für Werbeeinnahmen über 30 Mio. Zloty. Der Satz für Fernsehen, Radio, Kinos und Außenwerbung beträgt 7,5% und wird von den jährlichen Werbeeinnahmen berechnet, die 1 Mio. Zloty übersteigen, und geht bis zu 10% für Einnahmen, die 50 Mio. Zloty übersteigen. Der Satz verdoppelt sich für Werbung für bestimmte Produkte wie Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel und gesüßte Getränke.

Für Online gilt ein pauschaler Satz von 5%, aber nur für Unternehmen, die pro Jahr mindestens 750 Mio. Euro an globalen Werbeeinnahmen mit mindestens 5 Mio. Euro aus Werbung in Polen generieren; dies wird also hauptsächlich große Tech-Plattformen wie Google, Facebook und E-Commerce-Dienste betreffen und nicht digital-native polnische Medien.

Nach Angaben der Regierung soll die Hälfte der Einnahmen aus der Steuer in das Gesundheitssystem fließen und damit in den Kampf gegen die Pandemie. Die andere Hälfte sei für den neu geschaffenen Fonds zur Unterstützung der Kultur und des nationalen Erbes im Medienbereich sowie für den Denkmalschutz bestimmt. Der neu geschaffene Medienfonds, so heißt es, soll die Produktion von Nachrichtensendungen, Schulungen zur Medienkompetenz und den Kampf gegen Desinformation finanzieren.

Zeitungsverleger warnen davor, dass die Steuer in dieser Form zu einem Anstieg der Anzeigenpreise in traditionellen Medien führen und die Verlagerung von Werbebudgets ins Internet zugunsten der Tech-Giganten beschleunigen wird.

Die Steuer wird vor allem private Medien belasten, die nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen können. Schätzungen zeigen, dass Tech-Giganten etwa 100 Mio. Zloty pro Jahr zahlen würden, während polnische Verleger gemeinsam 700 Mio. Zloty zahlen würden.

Medien seien „Nutznießer der Pandemie“

Die Regierung bezeichnet die Steuer als „Solidaritätsbeitrag“ und argumentiert, dass die von der neuen Abgabe belasteten Unternehmen die „größten Nutznießer der durch die Pandemie erzwungenen schnellen digitalen Transformation“ seien.

Doch diese Argumentation hält nicht stand. Die Pandemie hat die Medienbranche hart getroffen – nach Schätzungen der Publicis Groupe betrugen die Gesamtverluste des polnischen Werbemarktes im vergangenen Jahr 8,6%.

Allein in den ersten drei Quartalen des Jahres 2020 schrumpften die Werbeeinnahmen von TV- und Radiosendern um 15,5% bzw. 11,8%, die gedruckte Presse verlor gar mehr als 30% ihrer Werbeeinnahmen. Das einzige Marktsegment, das einen leichten Zuwachs, und zwar von 2,5% verzeichnete, war die Online-Werbung.

Medienschaffende und viele Experten befürchten, dass die geplante Reklamesteuer zur weiteren Verschlechterung der ohnehin schon schwierigen finanziellen Situation der Verlage und damit zum Rückgang des Medienpluralismus in Polen beitragen werde.

Es fällt auch schwer, die vorgeschlagene Steuer nicht als Teil der großen Strategie der Regierung zu sehen, eine „neue Medienordnung“ einzuführen – wie es 2019 im Wahlprogramm der Partei hieß.

Bereits während der ersten Amtszeit (2015-2019) kündigte die nationalkonservative Regierungspartei PiS die „Repolonisierung“ der privaten Medien an, die ihrer Ansicht nach von „ausländischem Kapital“ und „liberaler Voreingenommenheit“ dominiert werden. Doch bislang wurde kein entprechender Gesetzentwurf vorgelegt.

Umso überraschender kam Ende 2020 der Verkauf von Polska Press, bis dato eine Tochter der Verlagsgruppe Passau, an den staatlichen Ölgiganten PKN Orlen. Mit 120 lokalen Wochenzeitungen und 500 Websites ist Polska Press der größte Regionalverlag Polens.

Bereits im Februar 2021 stimmte die Wettbewerbsbehörde des Landes, UOKiK, der Übernahme durch Orlen zu. Als dagegen das polnische Privatunternehmen Agora, Herausgeber der links-liberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza, vom tschechischen Unternehmen SFS seinen zweitgrößten Radiosender ZET übernehmen wollte, beriet die UOKiK 14 Monate lang über die Entscheidung und verbot schließlich im Januar 2021 den Deal.

Politisierung der Medien

Auch wenn die Regierungspartei behauptet, dass sich seit ihrem Amtsantritt Medienpluralismus und Meinungsfreiheit in Polen verbessert hätten, kommen Pressefreiheitsrankings und Analysen von Medienwissenschaftlern zu einem erschreckenden Ergebnis: Unter anderem ist Polen in den letzten fünf Jahren in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen von Platz 18 auf Platz 62 zurückgefallen.

Laut Beata Klimkiewicz, Medienwissenschaftlerin an der Jagiellonen-Universität, stellen die jüngsten Reklamesteuer-Pläne sowie die Übernahme von Polska Press durch Orlen eine direkte Bedrohung für den Medienpluralismus und die Pressefreiheit in Polen dar.

Wie der Media Pluralism Monitor 2020 zeigt, für den Klimkiewicz den polnischen Länderbericht verfasst hat, ist in Polen ohnehin schon die politische Unabhängigkeit der Medien gefährdet, da es keine regulatorischen Schutzmaßnahmen gibt, die die politische Kontrolle über die Medien begrenzen. Zudem fehlen Regeln für Interessenkonflikte zwischen Medieneigentümern und den regierenden Parteien, Parteigruppen und Politikern.

Eine Reklamesteuer würde zur Ungleichbehandlung von Medienunternehmen beitragen, da die öffentlich-rechtlichen Medien, die ebenfalls mit der neuen Abgabe belastet würde, auf staatliche Unterstützung zählen könnten.

Von Seiten der privaten Medienunternehmen gibt es einen hohen Druck auf die Regierungspartei, den Gesetzentwurf zurückzuziehen. Es ist auch nicht sicher, ob das Gesetz von allen Abgeordneten der Regierungskoalition unterstützt wird, die im Parlament für die Verabschiedung des Gesetzes benötigt würden. Es ist jedoch klar, dass der polnische Medienmarkt unter besonderer Beobachtung der Regierung steht und dies nur einer von vielen weiteren Schritten wäre, die zum Rückgang des Medienpluralismus und der Medienfreiheit führen.

Wie man im Parteiprogramm von 2019 lesen kann, steht wahrscheinlich die Regulierung des Journalistenberufs und die Gründung einer Selbstregulierungsbehörde für Journalisten, die „Standards in den Medien“ schützen soll, als nächstes auf der Agenda der Regierungspartei.

 

Übersetzt aus dem Englischen von Tina Bettels-Schwabbauer

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