Twitter ist nicht das Internet

20. August 2018 • Digitales • von

Twitterdiskurse sind nicht repräsentativ für den Stand einer gesellschaftlichen Diskussion, ergibt eine Untersuchung des Hans-Bredow-Instituts. Dennoch können sie eine wichtige Aufgabe erfüllen.

Als @RealDonaldTrump hat der US-Präsident über 38.000 Tweets abgesetzt.

Onlinenutzer sind nicht repräsentativ für die Bevölkerung und was sich auf Twitter abspielt, steht nicht stellvertretend für die gesamte Netzgemeinde. Das dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Trotzdem ist die Stimmungslage beim Kurznachrichtendienst immer wieder in aller Munde und die Tweets herausgehobener Akteure bestimmen häufig auch in den konventionellen Massenmedien die Tagesordnung.

Eine Untersuchung von Sascha Hölig am Hans-Bredow-Institut in Hamburg zeigt jetzt erstmals systematisch einige individuelle Eigenschaften derjenigen auf, die vergleichsweise häufig selbst Tweets absetzen, kommentieren oder weiterleiten – also nicht nur passiv mitlesen.

Dabei sind neben einigen demografischen Besonderheiten (Männer sind überrepräsentiert, das Durchschnittsalter ist etwas niedriger und sie sind formal etwas besser gebildet) vor allem die erhobenen Persönlichkeitsmerkmale der 209 aktiven Twitterer unter den 763 befragten Onlinern interessant.

Tendenz zu extremen Positionen

Erwartbar war in diesem Zusammenhang vielleicht noch eine ausgeprägte Persönlichkeitsstärke und eine größere Offenheit für Neues sowie die Bereitschaft, seine Meinung kundzutun. Damit verbunden ist aber nach dieser Studie auch ein stärkerer Hang zur Angeberei, ein ausgeprägtes Anspruchsdenken, ein höherer Autoritätsanspruch und eine überdurchschnittliche Überheblichkeit unter den aktiven Twitterern. Außerdem zeigt diese Gruppe eine stärkere Tendenz bei politischen Fragen auch extremere Positionen zu vertreten.

Der Autor zieht daraus vor allem den Schluss, dass Twitterdiskurse nicht als repräsentatives Stimmungsbild für den Diskussionsstand über gesellschaftliche Streitfragen missinterpretiert werden sollten. Vielleicht sind sie aber gerade deshalb als Seismograph und gesellschaftliches Frühwarnsystem im Journalismus nützlich, um extreme und radikale Positionen und ihre Protagonisten zu identifizieren und der allgemein zugänglichen öffentlichen Auseinandersetzung zuzuführen.

Hölig, Sascha (2018): Eine meinungsstarke Minderheit als Stimmungsbarometer?! Über die Persönlichkeitseigenschaften aktiver Twitterer in: M&K Medien & Kommunikationswissenschaft, Jahrgang 66 (2018), Heft 2, Seite 140 – 169. ISSN print: 1615-634X, ISSN online: 1615-634X, DOI:  10.5771/1615-634X-2018-2-140

Erstveröffentlichung: tagesspiegel.de vom 19. August 2018

Bildquelle: Twitter-Screenshot vom 20. August 2018

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