Malta: Unklare Zukunft für umstrittene Parteisender

10. März 2021 • Aktuelle Beiträge, Medienpolitik, Qualität & Ethik • von

Auf der Mittelmeerinsel Malta wird derzeit diskutiert, ob Fernseh- und Radiosender, die politischen Parteien gehören, gegen die Verfassung verstoßen. Denn diese fordert bei der Ausstrahlung von Nachrichten Unparteilichkeit. Bald soll ein Gerichtsverfahren darüber entscheiden.

Malta ist das einzige Land in der EU, in dem die beiden im Parlament vertretenen Parteien, die regierende sozialdemokratische Partit Laburista (PL) und die oppositionelle nationalistische Partit Nazzjonalista (PN) Rundfunkanstalten besitzen, was zu einer starken politischen Polarisierung im Land beiträgt.

1991 war ein Rundfunkgesetz in Kraft getreten, das dies ermöglichte. Mehr private Fernseh- und Radiosender sollten zur Medienpluralität beitragen und das staatliche Medienmonopol schwächen.

Nationalstolz vs. blinde Gefolgschaft?

Auf die Frage, ob es politischen Parteien erlaubt sein sollte, Rundfunkanstalten zu besitzen, antwortete Saviour Chircop, außerordentlicher Professor an der Fakultät für Medienwissenschaften an der Universität Malta: „In einem kleinen Staat wie Malta ersetzt die Parteitreue den Nationalstolz. Jedes Thema wird mit einer parteipolitischen Bewertung behaftet, was oft zu einem Mangel an unvoreingenommenen Analysen und Lösungen führt. Im Laufe der Jahre führte dies zu einer gesellschaftlichen und politischen Spaltung.“

Das Angebot der Parteisender reicht von Magazinsendungen über Kunst und Kultur bis hin zu Diskussionsbeiträgen. Die parteitreue Agenda zieht sich durch alle Angebote hindurch.

Doch das kollidiert mit den konstitutionellen Grundsätzen der Unparteilichkeit des Rundfunks und hat zu einer großen Debatte im Land geführt.

Im August 2020 startete das Nachrichtenportal Lovin Malta unter Leitung des Gründers und CEO Christian Peregin eine Crowdfunding-Kampagne, um die Rechtmäßigkeit der Lizenzvergabe für die Parteisender anzufechten. In einem Facebook-Post erklärte er, wie diese Sender seiner Ansicht nach die maltesische Verfassung verletzen:

„Parteimedien haben eine Kultur der Fehlinformation und des politischen Spin geschaffen. Sie unterziehen die Menschen einer Gehirnwäsche, sodass diese glauben, dass es nur zwei Arten des Denkens gibt: rot oder blau.“ Rot wird traditionell mit der regierenden Arbeiterpartei assoziiert, während blau die konservativ-christdemokratische Partei repräsentiert.

Peregin fügte hinzu, dass die Parteimedien es „Politikern erlauben, sich der Verantwortung zu entziehen, indem sie den echten Journalismus übertönen“. Sein Ziel sei es, „jedermanns Recht auf unparteiischen Rundfunk anstelle von politischer Propaganda zu sichern.“

Der CEO von Lovin Malta wies auch darauf hin, dass die Sender der politischen Parteien ihre Bilanzen nicht veröffentlicht hätten und in finanziellen Schwierigkeiten seien – was sie in gefährlicher Weise von Beihilfen der Eigentümer abhängig mache.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Sender ihre jeweilige politische Partei unter starken finanziellen Druck setzen. Das zeigt sich auch in den regelmäßigen Spendenmarathons, bei denen Parteianhänger aufgefordert werden, zusätzlich zu den regulären laufenden Kosten der Parteien Geld für den Unterhalt der Medienhäuser zu spenden.

Gegensätzliche Perspektiven

Peregins Argumente kamen bei beiden Parteisendern offenbar nicht gut an.

Robert Cremona, Leiter der Nachrichtenabteilung von Net TV, dem Sender der Nationalistischen Partei, wies alle Vorwürfe von sich und sagte, dass die Sender der politischen Parteien in ihrer Berichterstattung unparteiisch seien. Er wich dem Thema aus, indem er dazu aufrief, gemeinsam das Rundfunkgesetz zu reformieren.

Jason Micallef, geschäftsführender Vorsitzender von One Productions der Labour-Partei bezeichnete die jüngsten Bedenken von Lovin Malta als einen „bösartigen Angriff“ und sagte, dass sein Sender maßgeblich zum gesellschaftlichen Fortschritt auf Malta beigetragen habe.

Der frühere Chef der Rundfunkbehörde, Pierre Cassar, ist der Ansicht, dass die politischen Sender zu einem wichtigen Bestandteil der maltesischen Rundfunklandschaft geworden seien und vielen angehenden Journalistinnen und Journalisten ein Sprungbrett geboten hätten. Er räumte jedoch ein, dass die Verfassung und das Rundfunkgesetz unterschiedliche Interpretationen der Unparteilichkeit vorsehen. Genau über diesen Punkt werden die Gerichte zu entscheiden haben. Eine erste Anhörung ist für April geplant und es wird ein langwieriger Prozess – im Wesentlichen wird es um die Entscheidung gehen, ob die Bestimmungen der Rundfunkbehörde gegen die Verfassung verstoßen.

 

Übersetzt aus dem Englischen von Tina Bettels-Schwabbauer

 

 

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