Thematisieren Chefredakteure Probleme und Schwächen journalistischer Berichterstattung im Dialog mit ihren Publika? Oder bleibt das Metier für Leserinnen und Leser eine „blackbox“, ein Buch mit sieben Siegeln?
Die amerikanischen Medienforscher Norman P. Lewis, Jeffrey Neely und Fanfang Gao haben dieser Frage im Newspaper Research Journal (Vol. 32, No. 2 Spring 2011) nachgespürt. Sie finden kaum Anhaltspunkte dafür, dass Journalisten in Leitungsfunktionen redaktionelle Entscheidungen für ihre Leser transparent machten.
Von 280 untersuchten amerikanischen Tageszeitungen hatten ohnehin nur 39 Blogs leitender Redakteure in ihrem Angebot. Die meisten von ihnen werden nur sporadisch aktualisiert. Von insgesamt 621 Einträgen, die die Forscher analysiert haben, beschäftigten sich ganze 34 mit redaktionellen Entscheidungen. Von diesen 34 wiederum befassten sich 25 mit Berichterstattungsfehlern, nur fünf Einträge deuteten Gewissensbisse an.
Wenn leitende Redakteure die eigene Zeitung thematisieren, tun sie das, um Neuerungen oder technische Informationen mitzuteilen – ansonsten gehe es in solchen Blogs oftmals um „politische Grübelei, Familienangelegenheiten und ähnliches“. Man könne eher erfahren, auf welches College die Verfasser „ihr Kind senden würden“, als dass gegenüber Leserinnen und Lesern transparent würde, weshalb „eine bestimmte Story gegenüber einer anderen bevorzugt wurde“, klagen die Autoren. Es ist das alte Lied, jenseits wie diesseits des Atlantik: Von anderen fordern Journalisten tagtäglich Transparenz ein, sie selbst lassen sich indes nur sehr zögerlich in die Karten gucken.
Erstveröffentlichung: Schweizer Journalist 10+11/2011
Schlagwörter:Blogs, Chefredakteure, Newspaper Research Journal, Transparenz, USA