Ein kurzer Blick nach vorn

8. März 2018 • Redaktion & Ökonomie • von

Wie sieht die journalistische Landschaft in der Schweiz im Jahr 2028 aus? Eher interessanter als heute.

Tageszeitungen 2028: Es ist erstaunlich. Von den 57 Schweizer Tageszeitungen, die es Anfang 2018 gab, gibt es 2028 immer noch 50 Stück. Fast alle erscheinen weiterhin auf Papier, manche allerdings nur noch drei- oder viermal pro Woche in gedruckter Form. Nur ein paar Titel, wie etwa die Boulevardblätter Blick und Le Matin, werden bloß noch online publiziert.

Größtes Zeitungshaus sind mit 22 Tageszeitungen die AZ Medien. Sie haben die Regionalblätter der NZZ-Gruppe übernommen, wie das schon 2017 vertraglich vereinbart wurde.

Die hohe Überlebensquote der Zeitungen erklärt sich damit, dass sie endlich ein tragfähiges Geschäftsmodell gefunden haben. Das Modell ist der konsequente Lokaljournalismus, der nur via bezahlte Abos zu haben ist. Den nationalen und internationalen Teil hingegen beziehen alle Blätter von zwei externen Quellen, entweder aus dem AZ-News-Pool oder dem Tamedia-News-Pool. Auch kleine unabhängige Titel wie Freiburger Nachrichten oder Walliser Bote kaufen ihre überregionalen Inhalte von einem der beiden Pools.

Bleibt die große Ausnahme. Die NZZ macht 2028 weiterhin ihr Blatt wie in alten Zeiten. Die Redaktion interessiert sich für die große Welt und die große Politik und schreibt als einzige Redaktion all ihre Texte selbst. Eine Kapitalerhöhung durch die Aktionäre hat dafür gesorgt, dass das Gegenmodell NZZ noch lange überlebt.

SRG 2028: Verschiedene Volksabstimmungen ab 2020 haben dazu geführt, dass die Gebühren der SRG im Jahr 2028 auf rund 200 Franken gesunken sind. Zudem wurde ihr ein Werbeverbot nach 20 Uhr auferlegt. Die SRG hat damit zwar immer noch ein Budget von 1,1 Milliarden Franken, aber das sind 600 Millionen weniger als zu ihren besten Zeiten.

Restrukturierungen im Programm waren darum unumgänglich. So wurden die zweiten TV-Ketten der drei Landesteile zusammengelegt. Der neue Kanal unter dem Namen S 2 liefert nun Sport, Filme und Serien an alle drei Sendegebiete in deren Landessprache. Beim Radio blieben die drei Kanäle pro Sprachregion erhalten. Eingestellt aber wurden Spartensender wie SRF Virus und SRF Musikwelle.

Privatfernsehen 2028: Dominik Kaiser, der Inhaber der 3+-Gruppe, hatte 2018 einen ehrgeizigen Plan. Er wollte SRF 1 in der Zielgruppe der 15- bis 49-jährigen Zuschauer überholen. Das gelang beinahe. Im Jahr 2028 werden Kaisers Sender und SRF 1 gleichauf liegen, beide bei rund 9 Prozent Marktanteil. Kaiser macht Boden gut, weil zeitverschobenes TV zunehmend dominiert. Nur noch die Altersgruppe über sechzig schaut live auf der Couch.

Ansonsten gibt es kaum neue TV-Initiativen. Tamedia versuchte zwar, auf deutschen Sendern wie Sat 1 und RTL helvetische Programmfenster zu produzieren, kam aber nicht richtig voran.

Internet 2028: Es gibt zwei führende journalistische Angebote. Gut unterwegs ist der Blick. Er hat einen Sprung nach vorn gemacht, seit er die gedruckte Ausgabe eingestellt hat und dadurch agiler wurde. Der Rivale 20 Minuten konnte die Spitzenposition dennoch halten, indem er die Print-Auflage auf die Hälfte der früheren 650 000 Exemplare herunterfuhr und so mehr Online-Nachfragedruck erzeugte.

Und sonst 2028: Es gibt immer mal wieder Versuche, unabhängige Online-Magazine zu etablieren. Der letzte Versuch hieß Die Demokratie und wurde von ehemaligen Starjournalisten gegründet. Nach viel anfänglichem Tamtam verschwand das Ding wieder.

Erstveröffentlichung: Weltwoche vom 1. März 2018

Bildquelle: abstrkt.ch/Flickr CC: lecture; Lizenzbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/

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