Erfolgreiche Zeitungs-Websites in den USA

29. Juni 2004 • Digitales, Medienökonomie • von

Neue Zürcher Zeitung, 29. Juni 2004

Neue Konkurrenz auf dem lokalen Werbemarkt
Die Verleger können sich freuen: Laut einer Umfrage arbeiten die meisten US-Zeitungs-Websites im schwarzen Bereich. Weniger Begeisterung auslösen dürfte der Vorstoss von Google, Yahoo und anderen Internet-Giganten in den lokalen Bereich.

Mit Zeitungen lasse sich im Internet kein Geld verdienen, ist immer wieder zu vernehmen. Mit Ausnahme der «New York Times» rentiere kein einziges Nachrichtenportal «im weltweiten Cyberspace», war jüngst gar im Magazin «Facts» zu lesen. Weit gefehlt, wie eine Ende Mai von Borrell Associates veröffentlichte Studie mit dem Titel «What Local Web Sites Earn»* zeigt.

Beachtliche Gewinnmargen

Mehr als vier Fünfteln der Internet-Angebote amerikanischer Tages- und Wochenzeitungen ist es gemäss der Umfrage im vergangenen Jahr nämlich gelungen, ihre Geschäftsleitungen mit schwarzen Zahlen zu überraschen, und das mit bisweilen beachtlichen Gewinnmargen. Auf 30% belief sich diese zum Beispiel bei den Online-Ablegern der New York Times Company, die 2003 mehr als 20 Millionen Dollar zum Gewinn des Gesamtunternehmens beisteuern konnten. Dies entspricht zwar nur knapp 4% des Gesamtgewinns, nähert sich aber allmählich dem Betrag an, den die acht Fernsehstationen des New Yorker Medienhauses gemeinsam erwirtschaften. Zahlreiche Zeitungs-Websites könnten gar mit Margen von weit über 50% auftrumpfen, heisst es im Bericht. Indes ist festzuhalten, dass die meisten Websites – im Gegensatz zur «New York Times» – unentgeltlich auf die (allerdings ohnehin bereits vorhandenen) Inhalte und Dienstleistungen des jeweiligen Mutterhauses zugreifen können, diese in den Büchern also nicht als Aufwand aufgeführt werden.

Ein besonderes Augenmerk richtet die Studie auf das lokale Online-Werbeaufkommen, das für den überwiegenden Teil der Zeitungs-Websites von besonderer Bedeutung ist. Mit gut 2 Milliarden Dollar entspricht dieser Markt zwar nur rund 20% der gesamten Online-Werbeausgaben, er dürfte im laufenden Jahr aber mit 28% doppelt so stark wachsen wie derjenige für national ausgerichtete Werbung.

Im Internet befindet sich das Lokale vorerst noch fest in den Händen der Zeitungsbranche. Beinahe 40% (811 Millionen Dollar) der lokalen Internet-Werbeausgaben sind im vergangenen Jahr den Online-Ablegern von Zeitungen zugeflossen, derweil sich die Online-Angebote lokaler Radio- und Fernsehstationen mit gerade einmal 4% begnügen mussten. Auf Branchenverzeichnisse («Gelbe Seiten») entfielen 15%, während reine Online-Rubrikenmärkte wie Monster.com, Autotrader.com oder auch eBay 26% des Marktes auf sich ziehen konnten. Letztere sind gemäss der Studie derzeit denn auch als Hauptkonkurrenten der Online-News-Branche zu betrachten (NZZ vom 6. 2. 04), entstammen doch rund 60% der Einnahmen von Zeitungs-Websites dem klassischen Rubrikengeschäft (Stellen-, Immobilien- und Fahrzeugmärkte).

Mit 15% noch relativ bescheiden nimmt sich der Marktanteil der «Big Four» (Google, Yahoo AOL und MSN) aus. Diese haben sich bis vor kurzem hauptsächlich auf den nationalen Werbemarkt konzentriert, der sich mit weniger Aufwand beackern liess. Die hohen Wachstumsraten auf regionaler und lokaler Ebene haben nun aber auch die Internet-Giganten auf den Geschmack des Lokalen kommen lassen, weisen doch gemäss dem Marktforscher Kelsey Group 60% aller Internet-Suchen einen Lokalbezug auf.

Werbung fürs Dorf

«Think globally, act locally», scheint denn auch die neuste Devise im Internet-Geschäft zu lauten (NZZ vom 7. 5. 04), mit der sich auch die kürzlich veröffentlichte Studie «The Geo-Google Threat: Search Engines Target Local Advertising»** der Advanced Interactive Media Group und der Neil Budde Group ausführlich befasst.

So bieten seit einigen Monaten sowohl Google als auch Yahoo in den USA die Möglichkeit, Suchergebnisse durch Eingabe von Postleitzahl oder Ortsnamen einzugrenzen. Die Internet- Giganten bedrohen mit diesen Bestrebungen nicht nur ganz unmittelbar das Geschäft der Anbieter von Branchenverzeichnissen, sie stossen damit auch in das ureigenste Territorium der Zeitungsbranche vor. Denn lokalisierte Trefferlisten werden so gewissermassen zu Adressbüchern, Suchresultate mutieren zu lokalen Marktplätzen.

Damit aber nicht genug. Im Rahmen des Ad- Words genannten Werbeprogramms von Google können Werbetreibende seit Mitte April bei der Placierung von Anzeigen für einige Länder den geographischen Bereich auswählen, in dem eine Annonce auf den Bildschirmen der Surfer erscheinen soll. Für Deutschland werden etwa Bundesländer als unterste geographische Einheit angeboten, in den USA kann der Bereich bis auf einzelne Postleitzahlen heruntergebrochen werden, und es besteht gar die Möglichkeit, den Radius um einen bestimmten Punkt herum frei zu definieren.

Mit diesem auf Zielgruppen gerichteten Vorgehen dürfte Google auch für Klein- und Mittelbetriebe, lokale Veranstalter, die Brockenstube oder den Dorfmetzger zur attraktiven Werbeplattform werden, und die Zeitungsverleger könnten dadurch auch ausserhalb des klassischen Rubrikengeschäfts in Bedrängnis geraten. Einige Tageszeitungen würden schon bald gezwungen sein, ihren Erscheinungsrhythmus auf zwei- oder dreimal die Woche zu reduzieren, prophezeit die Studie pointiert. Dies nicht zuletzt als Folge der hohen Benutzerfreundlichkeit des Google-Produktes – Anzeigen erscheinen nach Auftragserteilung innert weniger Minuten auf der Website – sowie der auktionsbasierten Preisgestaltung, bei der nur effektiv angeklickte Anzeigen verrechnet werden.

Bald auch in der Schweiz?

Zwar lassen sich auf Search.ch, dem hiesigen Senior unter den Suchmaschinen, Anfragen auf einzelne Kantone, Regionen oder ausgewählte Gemeinden einschränken. Vom Trend zu lokalisierter Online-Werbung ist die Schweiz hingegen noch weitgehend verschont geblieben. Neuste Entwicklungen weisen aber darauf hin, dass sich dies bald ändern könnte. So kooperiert die erst kürzlich lancierte Suchmaschine Swissclick mit der auf Online-Werbung spezialisierten Yahoo- Tochter Overture, die sich nach eigenen Angaben ebenfalls mit geographischem Targeting befasst. Und auch die unlängst erfolgte Übernahme von Search.ch durch die Schweizer Post könnte in der einen oder anderen Form mit der Rückbesinnung aufs Lokale zu tun haben.

* www.borrellassociates.com
** www.aimgroup.com

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