In der Medienbranche geht es, metaphorisch gesprochen, derzeit fast schon zu wie bei den Taliban und im Islamischen Staat. Es rollt jedenfalls ein Kopf nach dem anderen. Und viel zu oft trifft es besonders brillante Köpfe. Dass sich – wie soeben Alan Rusbridger beim Guardian – ein Top-Journalist freiwillig aus dem Tagesgeschäft zurückzieht, statt geschasst zu werden, ist inzwischen fast schon zur Ausnahme von der Regel geworden.
Mal haben es Chefredakteure wie Wolfgang Büchner geschafft, den einflussreichen Teil der Redaktion gegen sich aufzubringen – die Print-Journalisten, die zugleich die privilegierten Miteigentümer des Spiegel sind. Immer öfter, wie gerade bei der Neuen Zürcher Zeitung und zuvor bereits beim Stern und bei der New Republic durchexerziert, sind es indes die Verlags-Hierarchen, die nicht mehr ein und aus wissen und einen Schuldigen dafür suchen, dass es mit dem „neuen“, einträglichen Business-Modell für den Journalismus weiterhin hapert. Dabei ist es wahrlich nicht die Schuld der Chefredakteure, dass Leserinnen und Leser sich in User verwandeln und online alles gratis erwarten, wofür in der guten alten Zeit bereitwillig bezahlt wurde. Und es ist auch nicht eine Fehlleistung der Redaktionen, dass Anzeigenkunden lieber in sozialen Netzwerken wie Facebook oder bei Suchmaschinen wie Google werben, weil sie dort ihre Zielgruppen ohne Streuverluste erreichen können, während auf Newssites eben oftmals Leute mit Werbebotschaften behelligt werden, die gar nicht im Visier der Werbetreibenden sind.
Den Vogel abgeschossen hat bisher freilich Gruner und Jahr: Dort hat man, zum Bespiel bei der Brigitte, die ganze Redaktion an die frische Luft gesetzt, und nur die Chefs durften bleiben. Im Blick auf den Roboter-Journalismus, der inzwischen nicht nur in der amerikanischen Fachwelt lebhaft diskutiert wird, war das bestimmt eine zukunftsweisende Entscheidung. Überall dort, wo noch keine Roboter im Einsatz sind, würde man sich indes wünschen, dass Chefredakteure und Verlagsobere sich öfter mal eine Auszeit gönnen. Sie sollten sich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Redaktionsmanagement verproviantieren. Dann ginge es mutmasslich in einigen Redaktionen wieder etwas humaner zu als bei den Taliban.
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Erstveröffentlichung: Tagesspiegel am 21.12.2014
Schlagwörter:Brigitte, Chefredakteure, Gruner und Jahr, Guardian, Islamischer Staat, Neuen Zürcher Zeitung, New Republic, Redaktionsmanagement, Roboter-Journalismus, Spiegel, Stern, Taliban