Wie viel kosten 1000 Leser?

30. August 2007 • Medienökonomie • von

Weltwoche, Nr. 34, 2007

Heute etwas Medienkunde für Anfänger. Wir beschäftigen uns mit dem TKP. Die drei Lettern sind der Grund, warum eine neue Flut von Gratiszeitungen das Land überschwemmt.

Drei gibt es schon. 20 Minuten, Heute und Cash daily. Zwei neue kommen nun hinzu. Ab 19. September werden 430000 Exemplare von .ch morgens gratis an die Haustür geliefert. Voraussichtlich ab Spätherbst werden ähnlich viele Exemplare eines neuen Gratisblatts verteilt, das die Verlage des Tages-Anzeigers, der Berner Zeitung und der Basler Zeitung gemeinsam lancieren. 20 Minuten erhöht zudem die Auflage massiv.

Damit ist es auch in der Schweiz so weit wie in England, Spanien oder Dänemark. Hier werden die Eingeborenen auf dem Weg von der Haustür bis zum Büro mit bis zu sechs Gratistiteln traktiert.

Betrachten wir einmal den Grund für diese Schwemme. Der Grund heisst TKP. Der TKP ist der Tausend-Kontakt-Preis. Er sagt aus, wie viel es kostet, um 1000 Leser eines Blattes per Inserat zu erreichen.

Der TKP ist das Mass aller Dinge für die Werbeindustrie. Sein wichtigstes Element ist die Zahl der Leser, die eine Zeitung erreicht, die sogenannte Reichweite. Wenn die Reichweite steigt, sinkt bei gleichbleibendem Inseratepreis logischerweise der TKP. Je tiefer der TKP, umso attraktiver wird das Blatt für die Werbewirtschaft. Weil wir heute didaktisch drauf sind, liefern wir die Formel dazu. Insertaepreis geteilt durch Reichweite mal 1000 ergibt den TKP.

 
Schauen wir einmal, wie viel es kostet, um 1000 Leser ausgewählter Titel mit einem ganzseitigen Farbinserat zu erreichen.
20 Minuten hat einen TKP von 30,64 Franken, Sonntagszeitung 35,00, Tages-Anzeiger 44.97, NZZ 58,24, Berner Zeitung 58,38 und Basler Zeitung von 81,54 Franken.

Damit ist die Frage geklärt, warum es dem führenden Gratisblatt der Schweiz finanziell so glänzend geht. 20 Minuten hat für die Werbebranche einfach ein tolles Preis-Leistungs-Verhältnis, und dies erst noch mit einem hohen Anteil im jüngeren Publikum.

Auch der neue Konkurrenztitel .ch will darum einen sehr tiefen TKP bieten. Wir sehen auch den Erfolg der Sonntagspresse bestätigt. Und wir sehen, warum die Tageszeitungen seit Jahren deutlich an Anzeigen verlieren. Sie haben viele Leser eingebüsst und sind für die Werbung einfach zu teuer geworden.
Rapid steigende Reichweite

Nun könnten ja die Tageszeitungen ihren Inseratepreis senken, um zu einem attraktiveren TKP zu kommen. Das ist nicht sehr empfehlenswert. Die Preisreduktion müsste so massiv ausfallen, dass sie schwerlich über zusätzliches Volumen kompensiert werden könnte.

Darum sind nun Tages-Anzeiger, Basler Zeitung und Berner Zeitung auf eine andere Idee verfallen. Sie lancieren gemeinsam ein neues, fünftes Gratisblatt. Dieses Gratisblatt kombinieren sie für die Werbung mit ihren bestehenden Tageszeitungen. Die Inserate können zugleich in allen vier Titeln geschaltet werden. Über das neue Gratis-Angebot erkaufen sich die Verlage also Hunderttausende von zusätzlichen, jüngeren Lesern. Die Reichweite ihrer damit gekoppelten Tageszeitungen steigt damit rapid, und der TKP sinkt deutlich. Das könnte klappen, aber das Resultat sehen wir erst in zwei Jahren.

Die Lektion in Medienpädagogik ist zu Ende. Sie haben gut aufgepasst. Sie dürfen nun in die Pause.

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