Neue Zürcher Zeitung, 13. Mai 2005
Journalisten und Forscher in getrennten Welten
Noch weiter auf die Praxis zugehen kann Wissenschaft wohl kaum: Mit Seymour Hersh hatten die deutschen Kommunikationsforscher letzte Woche einen der renommiertesten und streitbarsten amerikanischen Journalisten als Keynote-Speaker zu ihrer Jahrestagung eingeladen. Der Kongress fand mitten in der Medienmetropole Hamburg statt..
Doch einmal mehr blieben die Kommunikationsforscher – wie auch schon kurz zuvor bei der Jahrestagung der Schweizer Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft in Winterthur – weitgehend unter sich. Von der Krise gebeutelt, finden Journalisten und Medienmanager offenbar nicht einmal mehr die nötige Musse, um sich bei solchen Gelegenheiten mit frischem Fachwissen zu verproviantieren. Dafür tummeln sich dann auf den immergleichen Medien-Events immer wieder dieselben Leute. «Anders als bei Ärzten, von denen wir ganz selbstverständlich erwarten dürfen, dass sie sich wissenschaftlich weiterbilden, ist das offenbar in der Medienbranche ziemlich "wurscht" – auch, weil die gesellschaftlichen Schäden, die schlecht informierte Journalisten anrichten, kaum messbar, geschweige denn zurechenbar sind.»
In den USA ist das anders: Dort wird zumindest einmal im Jahr der Kongress der Association for Education in Journalism and Mass Communication (AEJMC) zu einem Forum, wo sich Forschung und Praxis ganz selbstverständlich begegnen – und voneinander lernen. «Wie lange mag es noch dauern, bis auch im deutschsprachigen Raum Kommunikationswissenschaftler und Kommunikationspraktiker wirklich miteinander kommunizieren?»