Dr. rer. spin

14. Juli 2007 • PR & Marketing • von

Weltwoche, Nr. 14, 2007

Nachdem es mit dem Sozialismus und dem Kapitalismus nicht geklappt hat, präsentieren wir eine neue Konvergenztheorie: die Verschmelzung von Journalismus und PR.

Der Standardwitz über den Unterschied zwischen Journalismus und PR ist uralt, und darum erzählen wir ihn gerne nochmals: Der PR-Berater einer Grossbank und der Journalist haben mit dem Chef der Bank zum Lunch abgemacht. Da fällt vor dem Restaurant ein Rottweiler über ein kleines Kind her. Furchtlos stürzt sich der Bänkler auf den Hund und tötet das wilde Tier mit blossen Händen. Der PR-Berater rennt in sein Büro und formuliert das Communiqué: «Bankier riskiert sein Leben, um ein Kind zu retten.» Der Journalist rennt ebenso in sein Büro und formuliert die Schlagzeile: «Bankenboss erwürgt Haustier!»

Es ist der unterschiedliche Blickpunkt, der die beiden Branchen trennt. PR-Leute sind ihrem Dienstherrn verpflichtet, den sie in ein gutes Licht rücken wollen. Journalisten sind keinem Dienstherrn, sondern einzig der Wahrheit verpflichtet.

In letzter Zeit haben einige prominente Journalisten die Seite gewechselt und sich als PR-Berater vorgestellt. Viele ehemalige Chefredaktoren sind darunter, etwa jene der Weltwoche (Wildberger), der Berner Zeitung (Z’Graggen), der Bilanz (Meier) und von Cash (Gisler). Zuvor hatte es schon Chefredaktor-Kollegen von Tages-Anzeiger, Blick, Facts und Sonntagsblick ins PR-Fach gezogen.

Der Trend ist international. Den letzten Coup landete soeben Joe Ackermann. Er holte Stefan Baron, den Chefredaktor der Wirtschaftswoche, als neuen Kommunikationschef zur Deutschen Bank.

Nachdem die prophezeite Annäherung zwischen Kapitalismus und Sozialismus in den sechziger Jahren scheiterte, können wir also eine neue Konvergenztheorie präsentieren. PR und Journalismus nähern sich an. Die PR-Branche wird journalistischer, der Journalismus wird PR-orientierter.

Nun ist es nicht so, dass Journalisten plötzlich ihre Unabhängigkeit an der Garderobe abgeben würden. Wirklich unabhängig waren Schweizer Journalisten nur während 35 Jahren in ihrer 235-jährigen Geschichte. Zuvor waren sie zumeist Parteisoldaten. Noch vor vierzig Jahren machte es keinen grossen Unterschied, ob man unter Willy Bretscher in der NZZ über die FDP schrieb oder ob man unter Gustav Däniker bei Farner-PR für die FDP schrieb.

Dann, nach 1968, kam die Öffnung. Nun wurden im Journalismus Begriffe wie Objektivität und Sachgerechtigkeit nicht nur theoretisch diskutiert, sondern auch umgesetzt.

In der PR-Branche dauerte es bis zur Öffnung länger. Man arbeitete bis in die achtziger Jahre nach der Mentalität, mit der Rudolf Farner für eine Million Franken auch einen Kartoffelsack zum Bundesrat gemacht hätte. Manipulation und nicht Information stand im Vordergrund.

In den achtziger Jahren änderte sich dies. Die PR-Branche lernte die klassische Information kennen. Sie lernte es vom Journalismus. PR-Bataillen wie jene um Swissfirst sind heute durchstrukturierte Informationsschlachten. Neben dem üblichen Kram wie Medienkonferenzen, Interviews und Communiqués organisieren die PR-Berater den News-Austausch im kleinen Kreis: Vier-Augen-Gespräche, Briefings und Kooperationen mit Journalisten.

Handkehrum lernte der Journalismus von der PR die Inszenierung der Information.
Wie aus einer Meldung ein Ereignis wird

Machen wir zur Illustration einen kleinen Vergleich. Was geschieht, wenn in der Dritten Welt die Kaffeepreise sinken? Der traditionelle Journalist schreibt einen kritischen Kommentar über die Folgen der Globalisierung und ruft nach staatlicher Hilfe durch höhere Entwicklungshilfebudgets. Der PR-Mann hingegen sorgt dafür, dass bei der Migros von jedem verkauften Kilo Kaffee 50 Rappen auf ein Spendenkonto gehen. Anlässlich eines Charity-Konzerts mit U2 übergibt der Migros-Chef das Geld der Caritas.

Journalisten haben von den PR-Leuten gelernt, dass eine Information erst durch ihre dramaturgische Umsetzung zum Ereignis wird. Erst die Komposition macht die News zum Event. Wir haben in letzter Zeit dazu viele gute Beispiele erlebt, etwa die Doku-Soaps um Managergehälter, Fluglärm, Pensionskassenverwalter und Fussball-Nationaltrainer.

PR-Altmeister Klaus J. Stöhlker irrt darum, wenn er in der Finanz & Wirtschaft schreibt, all diese ehemaligen Chefredaktoren seien «höchstens PR-Lehrlinge, die auf Kosten ihrer Kunden das Gewerbe erlernen».

Journalisten lernen heute das Gewerbe der zielorientierten Öffentlichkeitsarbeit im eigenen Bereich. Sie wissen, wie man als Spin-Doctor Informationen dreht, wie man Kampagnen baut, wie man missliebige Fakten ausklammert und dienliche Fakten überhöht, sie wissen um das subtile Wechselspiel zwischen öffentlichem und privatem Interesse.

All die Chefredaktoren, die nun PR-Berater werden, sind darum keine Quereinsteiger. Sie sind Längseinsteiger.

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