Wahlempfehlungen: Marketing statt Entscheidungshilfe

3. September 2007 • PR & Marketing, Ressorts • von

Schweizer Journalist, 08/09 2007

Die Financial Times Deutschland und der Corriere della Sera haben mit ihren Wahlempfehlungen in Europa Aufsehen erregt, in den USA sind dagegen solche „endorsements“ an der Tagesordnung.

Doch geben die Zeitungen wirklich „unabhängig“ Entscheidungshilfen und beeinflussen damit womöglich das Wahlergebnis, oder folgen sie eher dem, was die Mehrheit ihrer Leserinnen und Leser ohnehin denkt und zu wählen beabsichtigt? Am Beispiel der US-Präsidentschaftswahl von 2004 hat der Kommunikationsforscher Jun-Seok Kang von der Indiana University dieser Frage nachgespürt – und herausgefunden, dass überall dort, wo es unter dem Wahlvolk klare Mehrheiten zugunsten eines der Kandidaten gab, meist auch das Lokalblatt diesen Kandidaten mit seinem „endorsement“ unterstützt hat. Es ist also, so vermutet mit guten Argumenten der Forscher, nicht die Zeitung, die den Wählerwillen beeinflusst, sondern umgekehrt die Meinung der Lesermehrheit, die sich in der Wahlempfehlung widerspiegelt. Das Forschungsergebnis lässt sich übrigens mit grosser Wahrscheinlichkeit auf die FTD und vermutlich auch auf den Corriere della Sera übertragen.

Jun-Seok Kang: Economics of Newspapers’ Presidential Endorsement Decisions: Evidence for Endogenous Product-Type Choices of Media Firms, Präsentation bei der Jahrestagung der ICA, San Francisco, Mai 2007

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