Die zwei Neuen an der SRG-Spitze reden recht viel. Aber was sie sagen, ist transparent.
Am 1. September 1996 hatte SRG-Generaldirektor Armin Walpen seinen ersten Arbeitstag. Dann schwieg er gegenüber den Medien drei Wochen lang. Am 1. Januar 2011 hatte Walpens Nachfolger Roger de Weck seinen ersten Arbeitstag. Dann schwieg er gegenüber den Medien nicht eine Stunde lang.
Im Stakkato feuerte er eine Serie von Statements und Interviews ab, von Absichtserklärungen im eigenen Radio DRS über eine Rede vor Schweizer Verlegern bis zu einer “State of the Union” in der NZZ.
Assistiert wurde er von Rudolf Matter, dem neuen Radio- und TV-Direktor. Auch Matter lieferte den Medien, vom Migros-Magazin bis zum Sonntagsblick, seine Antrittsvorlesungen ab. Noch kaum je zuvor, so fiel uns auf, hat eine neue Unternehmensspitze eine derartige Salve an frühen Absichtserklärungen abgeschossen.
Das hat für uns sein Gutes. Nach drei Wochen ist recht klar geworden, wohin das neue Duo die SRG steuern will. Wir können seine Position in drei Thesen verdichten.
Erstens: Wir sind die Macht. Es gab Zeiten, da entschuldigte sich die SRG fast, dass sie die dominante Medieninstitution des Landes ist. Die neue Doppelspitze hat hier keine Komplexe. Als in einem Radiointerview eine DRS-Journalistin den angeblich schlechten Ruf des Staatsfunks thematisierte, ging der neue Generaldirektor fast in die Luft. De Weck will eine starke SRG. Der selbstbewusste Auftritt wird auch bei der Multimedia-Offensive deutlich, die das Duo gegen den Widerstand der privaten Medienhäuser ankündigte.
Zweitens: Wir sind der Staat. Armin Walpen betonte noch bei jeder Gelegenheit, die SRG sei quasi eine Firma wie jede andere auch. De Weck und Matter zeigen stattdessen, dass sie mit Stolz ein Staatsunternehmen leiten, ähnlich wie die Post und die SBB. Darum forcieren sie auch die Diskussion über eine Mediengebühr. Sie müsste, wie bei den Staatssteuern, wohl auch von Nichtnutzern des Service public entrichtet werden. Es wäre ein weiterer Schritt zur engen Verflechtung der SRG mit dem politischen Apparat, die vor fünfzehn Jahren begann.
Drittens: Wir sind der Anspruch. In der Ära von TV-Chefin Ingrid Deltenre galt das Primat der Quote in der Prime Time. Die Neuen reden nun viel von Qualität und Relevanz, denn das hören Politiker gern. Aber de Weck und Matter sind nicht dumm. Sie sind näher an die Deltenre-Linie gerückt und signalisieren, dass Marktanteilsverluste nicht das Ziel sein können. Matter denkt an eine neue Soap und sympathisiert mit Reality-Formaten. Die “Arena” soll nicht Kuschelfunk werden, sondern kontrovers bleiben.
De Weck und Matter sind gut gestartet. Sie haben ihre Mitarbeiter neu motiviert. Sie sind in ihren Positionen transparent. Sie haben eine stimmige PR-Leistung abgeliefert. Das muss man anerkennen, auch wenn man ihre Stoßrichtung nicht mag. Es wird noch genügend Zeit sein, darüber publizistisch zu streiten.
De Weck und Matter haben bisher auch die politischen Fallen gut vermieden. Die bürgerlichen Parteien, speziell die SVP, warteten nur darauf, von den beiden unbedachte progressive Töne zu hören, etwa zu Konkordanz und EU. Davon war nichts zu hören. Sichtbarer Schwachpunkt der beiden ist bisher nur die Finanzstrategie.
Das notorische SRG-Defizit soll zwar verschwinden. Die Korrektur geschieht jedoch primär über die Einnahmenseite, weil TV-Werbung ab 2011 wieder wächst. Bei strukturellen Defiziten aber ist Ertragswachstum ein kurzfristiger und untreuer Freund. Wir sind noch nachsichtig, erwarten aber bald ein nachhaltiges Sanierungspaket.
De Weck und Matter schlugen sehr unterschiedliche Erwartungen entgegen. Sie reichten von Himmel bis Hölle. Bis jetzt ist das Duo nicht sehr infernal.
Erstveröffentlichung: Weltwoche Nr. 03/2011
Schlagwörter:Absichtserklärung, Armin Walpen, Finanzstrategie, Roger de Weck, Rudolf Matter, Schweiz, SRG, Transparenz
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