Grenzüberschreitender Journalismus im heutigen Europa

18. Mai 2010 • Ausbildung • von

Erstveröffentlichung: Frankreich Jahrbuch 2009, Deutsch-Französisches Institut

Europakompetenz scheint auf der Agenda setting länderübergreifender und binationaler Ausbildungsgänge an oberster Stelle zu rangieren, wenn man sich einmal die verschiedenen Angebote im Internet anschaut.

Das gilt vor allem für den Mediensektor und darin speziell für Journalisten, die in ihrer Funktion als Mediatoren nicht nur über diese Fachkompetenz verfügen sollten, sondern sie zur Bewusstmachung eines Massenpublikums für Themen von Europadimension anwenden können.

Die Pariser Universität Sciences Politiques geht sogar noch einen Schritt weiter: sie hat Mitte Juni 2009 mit dem Ziel, ein internationales Netzwerk unter renommierten Journalistenschulen zu schaffen, eine hochkarätige Tagung zum Thema „die Zukunft der Journalismusausbildung“ mit Teilnehmern aus Spanien, China, Südafrika und England veranstaltet hat, auf der von deutschsprachigen Ausbildungsstätten allerdings nur die Schweizer Journalistenschule MAZ vertreten war.

Doch soll und kann in diesem Rahmen nicht auf die Journalistenausbildung weltweit eingegangen werden. Ein Blick allein auf die deutschsprachigen Kooperationen gibt Aufschluss über Bemühungen und Tendenzen zur grenzüberscheitenden Öffnung in der Nachwuchsausbildung.

Als ein gelungenes Beispiel sei der jüngst gegründete anwendungsorientierte Ausbildungsgang der Schweizer Journalistenschule MAZ in Luzern und der Hamburg Media School und der Universität Hamburg erwähnt. Insbesondere im deutsch-französischen Raum gibt es dank der intensiven Arbeit auf institutioneller Ebene im Bereich der Fortbildung Angebote und Nachfrage im medienspezifischen Bereich. Dies hat das deutsch-französische Institut (dfi) in einer 2003 veröffentlichten Studie den Befund einer breiten Umfrage unter Deutschen und Franzosen dargelegt. Daraus wird deutlich, dass nach Meinung der Probanden „einen auffälligen Widerspruch zwischen bestehenden Progammen und gewünschtem Austausch“ vorliegt.

Sicher bieten eine Reihe von Institutionen wie das dfi, die Robert Bosch- Stiftung, das deutsch-französische Jugendwerk (DFJW) und andere mit mehr oder weniger Erfolg seit vielen Jahren zahlreiche interessante Möglichkeiten der Aus- und  Fortbildung, von Workshops und Seminaren, Bildungsreisen und Austauschprogrammen an mit dem Ziel, auf diese Weise eine Annäherung der Nationen über die Medien zu fördern.

Es wurden Programme zur Netzwerkschaffung wie European journalists geschaffen wie auch  die Vereinigung von grenzüberschreitend tätigen Journalisten (IPI) in den Regionen Saarland, Rheinland-Pfalz/Mosel und Baden/Elsass. Die Journalistenvereinigung wurde gegründet mit dem Ziel, aktuelle Nachrichten und eine Datenbank zur Verfügung zu stellen. Die Ergebnisse lassen noch zu wünschen übrig.

Fortbildungsprogramme von  ARD, ZDF, France 2, France 3 mit dem CUEJ sollten entsprechend institutionell gefördert werden, so hieß es 2003 von parlamentarischer Seite anlässlich des 40. Jahrestags des Elysée-Vertrags. Auch wenn die Pläne heute noch bestehen mögen, in der Realität gibt es diese Fortbildung für Journalisten nicht wie die Personalabteilung und die Chefredaktion von France 3 bestätigen. Was jedoch auch ein Wunsch der Politiker war und heute regelmäßig praktiziert wird, ist ein reger Austausch von Beiträgen über den Rhein hinweg: So gibt es das Dreieckland-Magazin „Vis à Vis“ mit einer Berichterstattung von SWR, France 3 und dem Schweizer Fernsehen. Ferner werden innerhalb der Nachrichtensendung auf France 3 jeden Samstag unter der Rubrik „vent d’est „ 3-4 Beiträge zu grenzüberschreitenden Themen von anderen Sendern in den Nachbarländern übernommen.

Doch zurück zur Ausbildung: Wie oben gezeigt, gibt es eine Fülle von Studiengängen mit vereinzelten Kontakten im Ausland. Selten dagegen sind integrierte Ausbildungsgänge von assoziierten Hochschulpartnern, die Studierende mit einem Doppeldiplom entlassen. Der Grund für die „Zurückhaltung“ ist strukturell, institutionell bedingt, da Seminarzeiten und Curricula an deutschen und französischen Hochschulen sich nur schwerlichst miteinander vereinbaren lassen. Das Problem wird sich jedoch durch das neue Gesetz von 2009, das den französischen Universitäten mehr Freiheiten einräumt, in Zukunft möglicherweise ändern.

Aktuell gibt es fünf mit dem Qualitätslabel der deutsch-französischen Hochschule ausgestattete integrierte Studiengänge im Mediensektor:

So z. B. der Master Europäische Medienkultur, sowie der Master European Film and Medias Studies der Universitäten Weimar und Lyon II , der Master Medienkommunikationskultur in Frankfurt/Oder , Nizza und Sofia und der 2008 eingeführte Master  Medienkulturanalyse der Partneruniversitäten Nantes (Fachbereich LEA) und Düsseldorf (Institut für Kultur und Medien). Alle fördern durch die Ausbildung den Mehrwert an Wissen über die Spezifika des Nachbarlandes und dessen Sprache, aber keiner bereitet speziell auf den Journalismus vor.

Doch wie steht es um den Ausbildungssektor in der Journalistik? Unter den Angeboten überzeugt weniger die Quantität als die Vielfalt. Der Löwenanteil  von Ausbildungsgängen reduziert sich auch heute noch vielmehr auf eine Universität als Projektträger  mit wechselnden Kooperationspartnern, wie die Journalistenschule in Bordeaux zeigt, die neben anderen Hochschulen wie Hamburg z. B. punktuell auch mit russischen Partneruniversitäten Kooperationen eingeht. Oder dem Institut Supérieur de Formation au Journalisme (ISFJ) in Lille mit den Beneluxländern um nur einige zu nennen.

Anders dagegen verhält es sich bei dem 2003 von Radio France initiierten und in der Germanistik der Uni Paris III angesiedelten berufsorientierten einjährigen Master europäischer Journalismus mit Schwerpunkt auf Deutschland. Dieses auch 2009 noch erfolgreiche Fortbildungsprogramm stützt sich intensiv auf die Einrichtungen des DFJW  und die Progamme der Robert Bosch Stiftung denn auf einen universitären Kooperationspartner in Deutschland.

Ziel ist es, Studierende auf politische, wirtschaftliche, rechtliche und kulturelle Besonderheiten in einem historisch und staatsrechtlich anders gestalteten geographischen Raum vertraut zu machen und ihnen mithilfe von soliden  Sprachkenntnissen den Weg in den Berufsalltag im Medien- und Kommunikations- oder Bibliothekssektor in Deutschland zu ebnen.

Entschieden konsequenter auf den Journalistenberuf ausgerichtet – und insofern in seiner Art einzigartig -, gestaltet sich der integrierte, nicht konsekutive Master deutsch-französische Journalistik des Frankreichzentrums der Universität Freiburg und der Strassburger Journalistenschule (CUEJ). Auf die Besonderheiten dieser Ausbildung soll an dieser Stelle, insbesondere unter dem Blickwinkel der Funktion von bi-kulturellen Journalisten im heutigen Europa besonders eingegangen werden.

Ein Meilenstein in der Journalistenausbildung

« Was wir wissen, wissen wir über die Massenmedien », so eine weitläufig bekannte Formel. Diese Formel einmal ernst genommen, gilt es auch für die Medienmacher sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein und ihr Zielpublikum – Leser, Hörer und Zuschauer –  aktuell, umfassend und verständlich mit Hintergrundinformationen zu versorgen.

« Interessieren Sie sich für Informationen aus dem deutsch-französischen Raum – dann enthüllen wir Ihnen die Nachrichten und erzählen Geschichten ». Das könnte ein Slogan des europäischen Kulturkanals ARTE sein. Es ist jedoch vielmehr das Programm des Masters « deutsch-französische Journalistik », ein Joint-Venture-Programm des Frankreichzentrums (FZ) in Freiburg und des Centre universitaire d’enseignement du journalisme (CUEJ), also einer Ausbildung zwischen Theorie und Praxis. Dessen Credo ist  es, dank gekreuzter Blicke Kulturmuster zu hinterfragen und Qualitätsjournalismus zu garantieren.

Der Studiengang richtet sich an Interessierte, die bereits einen beliebigen akademischen Abschluss vorweisen können und nach einer zweijährigen Ausbildung im journalistischen Bereich in einem deutsch-französischen Arbeitsfeld arbeiten wollen. Und davon gibt es viele ! Etwa 10% der Interessenten, das heißt sechs Deutsche und sechs Franzosen, werden aufgenommen mit dem Ziel, Fachjournalisten heranzubilden. Die gibt es für Wirtschaft, Recht, Kultur und Sport. Die Studierenden dieses Masters werden ausgebildet für einen geografischen, kulturellen Raum, um aufzudecken und anzusprechen, was andere nicht wahrnehmen, weil sie darauf nicht geschult sind.

Sie werden zu Enthüllungsjournalisten gemacht, die glaubwürdig sind, die medienethische Aspekte in den Vordergrund stellen statt nach scoops zu jagen ; die einen pädagogischen Wert auch im Journalismus für machbar halten. Nicht  transnationale Berichterstattung oder Einheitsbrei, der wie TV-Serien universell verstanden wird, ist angestrebt, sondern es gilt den Blick zu schärfen für das, was in dem jeweils anderen Land interessant und wissenswert zum besseren Verständnis und für eine europäische Zusammenarbeit notwendig ist. Eine Art « Karambolage » von Journalisten. Den Blick hinter die Kulissen wagen, differenziert darstellen ohne zu beschönigen noch die Gegensätze zu leugnen und dennoch neugierig auf den anderen machen und die eigene Kultur hinterfragen lernen und somit Wahrnehmungsmuster verändern. Deswegen gibt es die Ausbildung.

Wie die Studierenden auf ihre künftige Aufgabe vorbereitet werden

Vertiefte Kenntnisse zur Mediengeschichte, Kultur, politischen und presserechtlichen Struktur, Strukturen der Verwaltung des Landes von Gastprofessoren gehören ebenso zum Curriculum wie journalistische Arbeitsweisen in beiden Ländern in Form von Praktika.

Dabei gilt es die Unterschiedlichkeit der Arbeitsweisen und Macharten, der Kommunikationsweisen und der verfolgten journalistischen Ziele festzustellen und damit umgehen zu lernen. Nachwuchsjournalisten wird vermittelt wie man ein Netz von Ansprechpartnern aufbaut, Netzwerke schafft, sich im anderen Land sinnvolle Informationen schnell bei wem einholen kann. Wo bei wem die Zuständigkeiten liegen. All das sind die Schätze für Journalisten, um gut und schnell zu berichten.

Auslandspraktika kommen Schlüsselfunktion zu : Erfahrungen konnten Deutsche in Frankreich sammeln bei den Regionalzeitungen im grenznahen Raum wie  l’Alsace in Mulhouse und den Dernières Nouvelles d’Alsace (DNA) in Strassburg , aber auch bei der größten französischen Regionalzeitung Ouest France in Rennes und internationalen Medienunternehmen wie Radio France Internationale (RFI), ARTE und Euronews. Für die französischen Studierenden ist das Auslandspraktikum noch nicht Pflicht. Dennoch haben einige konstruktive Erfahrungen bei der Frankfurter Rundschau, Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dem Hessischen Rundfunk, dem deutschen Depeschendienst (DDP) gemacht, die für ihren weiteren Lebenslauf von großer Bedeutung sind.

Auch die Projektarbeit im Tandem ist zentral für Ausbildung. Das Prinzip ist einfach : Ein Thema, zwei Blickwinkel auf Deutschland und Frankreich. Breit angelegte Themen orientieren sich zum Beispiel an Schwerpunkten wie Stadtplanung in Berlin und dem Städtebauprojekt Stuttgart 21, das Bahnhofsprojekt. Die Ergebnisse sind in Form sogenannter Dossiers aus Radio-, Fernsehelementen und Artikeln im Internet auf der Homepage der Schule einzusehen. Ferner erlernen zu Studienbeginn die deutschen Studierenden ihr journalistischen Handwerk als TV-Reporter, indem sie über die französischen Filmfestspiele in Tübingen und über eine Messe im Raum Bordeaux berichten.

Es geht aber nicht immer so spektakulär zu. Dafür lassen sich in deutsch-französischen Tandems lebensnahe, gesellschaftlich relevante Themen ideal im Grenzgebiet behandeln. In den hauseigen produzierten und an die Öffentlichkeit verkauften Zeitschriften der Journalistenschule « News d’Ill » und « Viva cité » und der Radiosendung « Faxo » wurden seit Bestehen der Ausbildung eine Fülle von Themen links und rechts des  Rheins bearbeitet.

Daraus im Überblick eine handvoll Praxisbeispiele, die einen diffenzierten Blick auf das aktuelle Deutschland wiedergeben :

1) Europapolitik illustriert und analysiert anhand von grenzüberschreitenden Erfahrungen wie die Wirtschaftskrise im Bankenvergleich : Kreissparkasse/Caisse d’Epargne oder : die Attraktivität der Badener und der Elsässer im ökonomischen Regionenvergleich historisch aufgerollt bis heute mit dem Ergebnis, dass die Badener sich anpassen, mehr Ideen haben, während die Elsässer sich auf ihren Lorbeeren ausruhen. « Erst Elsass vorn, dann überholt von der Dynamik der Badener » oder die Problematik grenzüberschreitender Firmengründungen.

2) Zum Thema Dynamik ein weiteres Beispiel, das als Abschlussarbeit vorgelegt wurde : ein Projekt von Winzern in Sasbachwalden und Andlau, Touristen ihre Rebstöcke zu zeigen und zur Verköstigung einladen. Wiederum ein Zeichen von Respekt und Akzeptanz, dass die Elsässer Winzer sich mit ihren deutschen Kollegen auf eine Messlatte legen lassen, wo doch noch vor wenigen Jahren deutscher Wein als schwefelhaltiges Zuckerwasser von Franzosen nur müde belächelt wurde.

3) Ein anderes Thema war bezüglich der von Ministerin von der Leyen 2006 initiierten Debatte um die Zahl der Krippenplätze. Das CUEJ nahm die politische Diskussion zum Anlass, genauer hinzuschauen, wie sich die Situation im Grenzgebiet darstellt und das Thema auszuweiten auf die Frage der Arbeitsbedingungen von Müttern diesseits und jenseits des Rheins.

Dieser Vergleich ging auch landesweit durch die deutschen Medien. Frankreich wurde als Modelcharakter hingestellt. Die deutsch-französische Nachwuchjournalistengruppe hat aber auch wieder im Grenzraum herausgefunden, dass es auch in Freiburg vorbildliche Einrichtungen von Kindertagesstätten gibt wie z.B . an der Freiburger Universität.  Sie zeigen so, dass von den Angestellten und Eltern eine Initiative ausgehen muss, um Wünsche zu realisieren, wenn die Familienpolitik keine Staatspolitik wie in Frankreich ist.

4) Genau umgekehrt steht es bei nachhaltigen Energien :  natürlich ist das grüne Freiburg prädestiniert für ein Umweltthema. Busscharen französischer Professioneller, Politiker und Neugieriger fahren zur Besichtigung ins Vaubanviertel, um sich Ideen zur Sonnenenergie – die sich dort wegen Überkapazität sogar zu Geld machen lässt –  an – und abzuschauen. Nun soll ein ähnliches Viertel in Strasbourg gebaut werden mit Unterstützung der Gemeindevertreter ! Und auch den notorischen Skeptikern fehlen mehr und mehr die Argumente.  « Argumente », wie mir bei den Recherchen selbst zu Ohren kam, die darauf hinausliefen, dass nachhaltige Energien in Deutschland angewendet werden können, weil die gesellschaftliche Akzeptanz vorhanden sei, in Frankreich aber nicht und so bleibe man trotz positivem Eindrucks und grossem Staunen dennoch lieber bei Heizöl und Ekektroheizung.

5) Ganz ähnliche Erfahrungen haben wir bei dem Thema Verkehrspolitik sammeln können. Auch hier haben sich die französischen Kommunalpolitiker von links und rechts den Freiburgern Einiges abgeschaut und umgesetzt, worüber die jungen Journalisten bereits berichtet hatten. So gibt es jetzt ein für französische Verhältnisse sehr gut ausgebautes Netz an Fahrradwegen in der europäischen Metropole, dafür aber auch mehr Parkuhren und weniger Parkplätze. Die Ergebnisse der Projektarbeit mit gekreuztem Blick auf solche Themen werden z.B. publiziert in Online-Ausgaben bei Fudder, dem Online-Magazin der Badischen Zeitung.

6) Auch verbraucherpolitische Fragen werden in beiden Ländern erörtert : So wurde 2007 dem interessanten Phänomen nachgegangen, warum die Franzosen in Kehl einkaufen, gar Häuser kaufen und sich dort niederlassen. Und welche Konsequenzen diese Entwicklung für die deutsche Grenzstadt haben wird. Ein Ereignis, das in der deutschen Presse gerade mal in der Süddeutschen Zeitung zur Kurzmeldung wurde, obwohl es doch ungeahnte gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Konsequenzen birgt, da die Geschäfte wie Drogerien, Discounter, Reisebüros und selbst das öffentliche Schwimmbad ihren Umsatz zu etwa 80% aus französischer Kundschaft schöpfen! Die elsässischen und nationalen französischen Medien berichten in ihrer vollen Bandbreite darüber, dass man in Deutschland günstiger einkaufen kann. Sogar der Verbraucherminister wird ins Ländle gefahren, um vor laufender Kamera seinen Caddie mit gleichen Produkten in einem deutschen und einem französischen Supermarkt zu füllen, um festzustellen, dass ein Einkauf in Deutschland das Portemonnaie um 1/3  weniger belastet. Doch keiner sagt, warum das so ist.  Gerade die Analyse ist doch interessant und wichtig zu vermitteln, weil sich dahinter zwei grundverschiedene Vertriebssysteme verbergen, die der jeweiligen Wirtschaftspolitik des Landes entsprechen.

7) Gezeigt wird auch, das trotz der geographischen Nähe z. B. die deutschen Kranken – und Feuerwehrwagen ausser in der Grenzstadt Weissenburg im anderen Land nicht einschreiten dürfen, oder wie wir auf dem NATO-Gipfeltreffen in Strassburg/Kehl/Baden-Baden im April 2009 gesehen haben, die deutsche Polizei auf der Europabrücke stand und zusehen musste wie in 50 m Entfernung, also in Sichtweite, black blocks das Zollgebäude, eine  Apotheke und ein Hotel auf französischer Seite in Brand steckten.

So nah und doch so fern… Das gilt auch für die beiden auszubildenden Organisationen.  2005 begann der integrierte, nicht-konsekutive und anwendungsbezogene Studiengang mit Doppeldiplom. Das erste Jahr der Ausbildung sind die Studierenden in Freiburg, das zweite in Strasbourg, am CUEJ. Dieses Joint-venture Projekt ist im journalistischen Bereich nicht nur einzigartig, sondern in doppeltem Sinne ein Spezifikum, da es sich nicht nur um eine deutsch –französische  Kooperation handelt, aber auch um eine Kooperation aus Hochschule und Journalistenschule!

Das birgt Probleme wie unterschiedliche Konzeptionen der Pädagogik, wenn sich  Humboldtsche Bildungsideale denen von Decartes an französischen Hochschulen gegenüberstehen. Auch der Stellenwert der deutsch-französischen Ausbildung im Curriculum ist an der Strassburger Journalistenschule, die zu den sechs renommiertesten Frankreichs zählt, zweitrangig im Rahmen des Auswahlverfahrens, das darauf abzielt, ob die Kandidaten « journalistisch geeignet » sind, den nötigen « Biss » haben. Am FZ in Freiburg zielt die Auslese genau auf das interkulturelle Profil ab.

Auch basieren beide Systeme auf einem unterschiedlichen journalistischen Selbstverständnis : Meinungsjournalismus und Infotainment statt angelsächsischem Journalismus und sachlicher Information. Aber nicht nur die unterschiedliche Art Nachrichten aufzubereiten fällt ins Auge ; es scheint vielmehr, Deutschland scheint insgesamt für Franzosen nicht « sexy » genug, um Bericht zu erstatten. Große Sender wie  TF1 hatten mehrere Jahre ihre Korrespondentenbüros in Berlin geschlossen wegen mangelnden Interesses.

Ein erfahrener Deutschlandkorrespondent Pierre Thivolet erklärte, dass das einzige Thema, das er seiner Redaktion « verkaufen » konnte, der Mauerfall war. Das ist zwanzigjährige Geschichte. Heute ist zwar das Interesse der Franzosen an der deutschen Hauptstadt als Wochenendziel da, aber weiß man deswegen in Frankreich mehr über Deutschland ? Oder in Deutschland mehr über Frankreich als die aktuellen Meldungen über Sarkozy und die reizvolle Präsidentengattin Carla Bruni, die lieber mit dem amerikanischen Präsidentenehepaar und dem spanischen Thronfolgerpaar gezeigt werden als mit Frau Merkel und Herrn Sauer. Dessen Name dem französischen Präsidenten nicht einmal über die Lippen gehen will.

Und die Konsequenzen für die Medienpräsenz zeigen sich umgehend : Dieses Jahr sollte RFI das Berliner Büro schließen !

Zwischenbilanz und Berufsperspektiven

Den Blick schärfen, herausstellen, wie interkulturelle Begebenheiten journalistisch genutzt werden können, was den anderen interessiert und wie man es ihm in seiner Kultur und mit seiner Geschichte und seiner Sprache erzählt, damit er darauf aufmerksam wird, Unterschiede bewusst wahrnimmt und vielleicht sogar gesellschaftlich aktiv wird, das ist Inhalt und Ziel des Masters. Dabei entsteht kein einheitliches Deutschland- bzw. Frankreichbild, das die bestehenden Klischees bekräftigt oder genau das Gegenteil. Es gilt vielmehr, Themen unter Blickwinkeln von jungen Leuten interkulturell beleuchten zu lassen und ihnen das Handwerkszeug dafür zu vermitteln. Darin sehe ich meine Aufgabe als Dozentin und Journalistin.

Anerkennung gibt es bereits von öffentlichen Stellen : EUCOR-Mittel für die Mobilität und das Qualitätslabel der Deutsch-Französischen Hochschule (DFH) Saarbrücken. Diese Unterstützung ist wichtig für die Finanzierung und das Image. Eher symbolisch wichtig ist dagegen der Bartholdi-Preis für besonders gelungene deutsch-französische universitäre Projekte  in 2008.

Aber auch Profis sind auf den Studiengang aufmerksam geworden : der deutsch-französische Nachwuchs-Journalistenpreis ging 2009 an Maria Wimmer, eine Absolventin des Masters bei der Mittelbadischen Zeitung und Anfragen zur Zusammenarbeit von französischen Medienpartnern wie Radio Eurodistrict , dem Chefredakteur der Onlinezeitung  babel.com.  und der Zeitschrift Paris-Berlin sowie der Journalistengewerkschaft sind eingetroffen.

Internationales Ausmaß hat der Studiengang durch das Interesse des Goethe-Instituts und der Alliance Française in Glasgow erfahren: Die dortige Journalistenschule hat 2005 ein reges Interesse an der Beteilung am deutsch-französischen Studiengang bekundet. Sicher kann man behaupten, wer die kulturellen und sprachlichen eines anderen Landes beherrschen gelernt habe, auch leichter Zugang zu anderen Kulturen hat. Von Seiten der hiesigen Verwaltungsakteure wird eine Öffnung des Projekts auch grundsätzlich begrüßt, in Richtung auf ein Drittland mit einer zusätzlichen Sprache jedoch vorerst nicht angestrebt.

Es tut sich viel im Oberrheingebiet und die Nachwuchsjournalisten haben die Chance dabei zu sein, wenn jetzt das von regional relevanten Politikern vorangetriebene Modell des Eurodistrikts voranschreitet, wodurch die Bezirke links und rechts des Rheins politisch und administrativ miteinander kooperieren. Anders als bestehende Medieninstitutionen wie die Lokalzeitung DNA – die ihre deutsche Ausgabe einstellen will, stehen die mit dem Doppeldiplom ausgestatteten Fachjournalisten für deutsch-französische Fragen schon in den Startlöchern. Denn trotz Medienkrise ist der Markt für die Nachwuchsjournalisten des einzigartigen Masters « deutsch-französische Journalistik » günstig, da mit dem Eurodistrikt auch das Interesse am Nachbarland wächst!

Nach 4 Jahren Existenz kann der Studiengang als erfolgreich eingestuft werden: Fast 100% der Absolventen haben befristete oder gar unbefristete Stellen und das nicht nur bei ARTE, wenn es auch der Hauptarbeitgeber geworden ist.

Das Ziel, deutsche und französische Studierende praxisnah auf die journalistische Tätigkeit im grenzüberschreitenden Raum vorzubereiten und Blickwinkel und den Blickwechsel zu schulen, konnte in Ansätzen realisiert werden und stößt auf großen Zuspruch bei den Studierenden, den öffentlichen Einrichtungen und Medienpartnern.

Durch ein Mehr an Wissen und Willen kann Unsichtbares sichtbar gemacht werden. Der Blick der Franzosen auf Deutschland und umgekehrt ändert sich durch die Zusammenarbeit der beiden Kulturen und ergibt somit Neues. In diesem Sinne ist Journalismus geradezu « Pionierarbeit »  und ein Meilenstein in der europäischen Annäherung!

Was bleibt auf der Mikroebene zu tun, um die deutsch-französische Journalistenausbildung konkret voranzutreiben? Als vorbildlich zu nennen für die kulturelle Annäherung auf der Ebene der Weiterbildung  für Nachwuchsjournalisten, ist die Schaffung  von Informationsplattformen, die Förderung des Networking  und internationaler Fortbildungsprogramme. Um allerdings Zugang zu den Angeboten zu haben, müsen die jungen Leute schon Journalist sein. Doch sind sie erst einmal als fester oder freier Journalist in die Zwänge des schnelllebigen Redaktionsalltags eingebunden, sind sie schnell unwillkürlich aus dem Informationsnetz ausgegliedert.

Besser scheint es deswegen, früher, also in der Ausbildungsphase anzusetzen und zum Beispiel so interessante Bildungsreisen wie das vom dfi angebotene zu den Bundestagswahlen nicht nur für junge französische  Radiojournalisten  anzubieten sondern für einen Jahrgang im Master  an Journalistenschulen mit der Auflage, unter professioneller Hilfe Bericht zu erstatten und einen Blickwechsel zu erzeugen. Auch die Förderung von Auslandspraktika sei als Mittel zum besseren Verständnis der Kulturen und journalistischen Arbeitsweisen wie auch die Förderung der Netzwerke an dieser Stelle erwähnt.

Sinnvoll wäre eine Übersicht darüber, was es heißt, in den verschiedenen europäischen Ländern Journalist zu sein: also Informationen über Rechte und Pflichten, über gewerkschaftliches Engagement, Gehaltsraster, Ausbildungsmöglichkeiten und vieles mehr. Diese Informationen könnten z. B. auf der von der Universität Lugano erstellten international ausgerichteten und mehrsprachigen Medienplattform „European Journalism Observatory“ beherbergt werden.

Um den Bekanntheitsgrad von bereits bestehenden Studiengängen zu erhöhen, bietet sich zu Werbezwecken eine Teilnahme an dem von der Deutsch-Französischen Hochschule jährlich Mitte November in Strassburg stattfindenden  Forum „europäische Stellenbörse und Studienmesse“, auf dem deutsche und französische Hochschulen und Arbeitgeber ausstellen und mit interessierten Kandidaten Interviews führen.

Um die Koordination von deutsch-französischen Journalismus-Studiengängen effizienter zu gestalten, sollte die internationale Koordination in einer Person verkörpert sein. Das heißt, es müssten grenzübergreifende universitäre Stellen vergeben werden.

Worauf muss auf der Makroebene in der Ausbildung von heute besonders geachtet werden, um die Europakomptetenz zu fördern? Was hat sich im Mediensektor der letzten Jahre geändert? Wie oben gezeigt gilt es, grundsätzlich mehr in die Ausbildung zu investieren, um gewappnet zu sein für die Art und Geschwindigkeit aktueller Kommunikationsformen und den Druck der Politiker und Medieneigner.

Doch damit nicht genug: Erschwerend ist in den letzten Jahren für die deutsch- französischen Mediatoren das Internet als Konkurrenz aufgetreten: Längst zu Geschichte geworden sind die Zeiten, da Redakteure für die Gestaltung der internationalen Presseschau in aller Frühe zum Flughafen fahren mussten, um sich mit dem frisch angekommenen Material zu versorgen. Die Redaktionen haben mit einem Mausklick sofortigen Zugang zu Informationen aus aller Welt und bei entsprechenden Abonnements Zugang zu allen Presseagenturen. So werden die Fachkräfte und Korrespondenten ausgehebelt. Denn ihre Geschichten über Aktuelles sind für Internetuser nur schon Geschichte, da sie erst am nächten Tag in der Presse erscheinen. Gleiches gilt für die Europaberichterstattung: Brüssel ist DAS Kommunikationszentrum für den europäischen Austausch und Beamte und Politiker treffen sich dort zum Austausch.

Das lässt die einst so begehrten Korrespondentenposten in Berlin und Paris blass aussehen. Denn die haben als ausländischer Journalist immer größere Schwierigkeiten an den Informationsfluss eingebunden zu sein, im Gegensatz zur einheimischen Presse mit „guten Kontakten“. Es sei denn, sie sind schon in ihrer Ausbildung vorbildlich auf die Situation im Lande vorbereitet und zählen zu den tonangebenden Netzwerklern.

Zusammenfassung

 

So bleibt abschließend festzustellen, dass bezüglich der deutsch-französischen Zusammenarbeit den Institutionen ein großes Lob auszusprechen ist, denn sie sorgen mithilfe von Fortbildungen zur Geschichte und Politik, Bildungsreisen und Sprachkursen für mehr Wissen über das Nachbarland. Doch andererseits sind Deutschland und Frankreich Zeugen von Medienkonzentration und drastischen Sparmaßnahmen, die laut Baasner und Elbogen zu einem „Outsourcing des Deutsch-Französischen nach Brüssel“ und Journalisten somit zu einer allgemeinereren, oberflächlicheren Berichterstattung führen, und Klischees vermitteln, da sie über Details nicht unbedingt informiert sind.

Mit dem Problem der Finanzierung wird also zu allererst die kulturelle Dimension der Berichterstattung begraben. Doch diese Feststellung gilt nicht nur für Deutschland und Frankreich sondern betrifft alle Länder. Einer derart gestalteten Tendenz  kann nur eine durch Qualitätsjournalismus geprägte grenzüberschreitende Ausbildung entgegenwirken.

F. Baasner, K. Elbogen, Deutsch-französische Kooperationen in der Journalistenausbildung, Ludwigsburg 2003, S.20

Kleer, Christiane: «Weintourismus in Baden und im Elsass ». Abschlussarbeit April 2008

Doutriaux, Claire : Karambolage. Kleines Buch der deutsch-französischen Eigenarten ; München Knesebeck Verlag, 2006

« La vie en bleu pour les épargnants » und « Les écureuils d’outre-Rhin multiplient leurs provisions », News d’Ill No 95, janvier 2009, p. 12, 13

« Le difficile passage du Rhin. Malgré toutes les incitations, les entrepreneurs français restent peu nombreux à traverser la frontière. » News d’Ill No 93, avril 2008

« Des landaus dans l’entreprise », News d’Ill No 90, mars 2007, p. 9

«Alsace-Bade-Wurtemberg : les lois de l’attraction. Depuis 150 ans, les économies des deux rives sont intimement liées. D’abord moteur, l’Alsace est rapidement dépassée par le dynamisme badois. » News d’Ill No 95, janvier 2009, p.

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Sigrid Plöger ist Dozentin im Master “Deutsch-Französische Journalistik” am FZ und am CUEJ. Sie ist wissenschaftliche Angestellte für Kultur – und Medienwissenschaft am Romanischen Seminar der Universität Freiburg und freie Journalistin bei ARTE.

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