Erstveröffentlichung: Neue Zürcher Zeitung
Es dürfte im deutschsprachigen Raum kein anderes journalistisches Ressort geben, das von Stiftungen in vergleichbarer Weise gepäppelt wurde wie der Wissenschaftsjournalismus: Vor knapp dreissig Jahren legte die Robert-Bosch-Stiftung, mitverantwortet vom Verfasser dieser Rezension, das erste mehrjährige Programm auf. Die Förderung fand ihren Abschluss mit einer Stiftungsprofessur, die an der FU Berlin eingerichtet wurde. Die Berufung von Winfried Göpfert erwies sich als Glücksfall. Er richtete nicht nur den ersten Studiengang zum Wissenschaftsjournalismus ein, sondern zählte auch zu der Handvoll Journalisten, die – einmal auf einem Lehrstuhl inthronisiert – sich im Wissenschaftsbetrieb zurechtfanden und der Forschung über das Wissenschaftsressort Impulse geben konnten. Doch zu dieser Zeit entwickelte sich der Wissenschaftsjournalismus im Vergleich zu anderen Kleinstressorts längst prächtig, er hat in wenigen Jahren nicht nur stürmisch zugelegt, sondern sich auch nachhaltig professionalisiert.
Zwei Ausnahmen
Somit bleibt es das Geheimnis der Bertelsmann-Stiftung, weshalb sie sich zusammen mit der Volkswagen-Stiftung und der BASF mit einem «Qualifizierungsprogramm Wissenschaftsjournalismus» von 2001 bis 2007 neuerlich diesem Bereich zugewandt hat. Zuvor hatte sie sich aus der überaus verdienstvollen, breit angelegten Journalismusförderung, die sie jahrelang betrieb, zurückgezogen – zu einem Zeitpunkt, als angesichts der Internet-Revolution bereits sichtbar wurde, dass der Qualitätsjournalismus als wesentliche Stütze und Kontrollinstanz demokratischer Gesellschaften in Bedrängnis geraten würde. Allerdings machte die Stiftung zwei Ausnahmen im Kommunikationsbereich: eben das Wissenschaftsjournalismus-Programm und ein weiteres, grossangelegtes Projekt zur Förderung von PR-Ausbildung, längst ebenfalls ein Selbstläufer.
Immerhin, die drei Bündnispartner haben zeigen können, dass auch einem prosperierenden Berichterstattungsfeld Zuwendungen guttun. Als Quintessenz ihres Wirkens haben die Programmverantwortlichen zusammen mit den Wissenschaftsjournalismus-Experten Holger Wormer (TU Dortmund) und Markus Lehmkuhl (FU Berlin) einen imposanten, 598 Seiten starken Reader herausgegeben, der angehenden Wissenschaftsjournalisten Orientierungshilfe bietet.
Der Band deckt ab, was abzudecken ist: den Wissenschaftsbetrieb, Geschichte, Formen und Aufgaben des Wissenschaftsjournalismus, soziales Profil, Rollenverständnis und die Veränderungen im Arbeitsalltag von Wissenschaftsjournalisten, Markt und Marktnischen für Wissenschaftsjournalismus sowie die redaktionellen Strukturen, in die er eingebunden ist. Praxisnah erörtern die Autoren Recherchestrategien sowie Probleme der Sprache und der Verständlichkeit; auch mit den Effekten von Medienberichterstattung auf Wissenserwerb und Risikobewertungen des Publikums setzen sie sich auseinander.
Originelle Beiträge
Insgesamt ist der Band fraglos ein gelungenes Kompendium, wenn auch eher ein buntes Mosaik origineller Einzelbeiträge zum Teil prominenter Autoren als ein systematisches Lehrbuch, wie vom Untertitel nahegelegt. Es bleiben Fragen, denen man mehr Aufmerksamkeit gewünscht hätte – etwa welche Folgen und gesellschaftlichen Schäden journalistischer Herdentrieb in der Wissenschaftsberichterstattung auslöst, wie stark das Alltagsgeschäft der Wissenschaftsberichterstattung von Wissenschafts-PR ferngesteuert ist, aber auch, weshalb die Medien bestimmte Disziplinen in den Vordergrund rücken und andere, zum Beispiel die Sozialwissenschaften, Stiefkinder bleiben. Bleibt also zu hoffen, dass sich demnächst Sponsoren und Mäzene zusammenfinden, die diese Aspekte aufgreifen – vielleicht in einem Förderprogramm Wissenschaftsjournalismus der dritten Generation.
Holger Hettwer / Markus Lehmkuhl / Holger Wormer / Franco Zotta (Hg.): Wissens-Welten. Wissenschaftsjournalismus in Theorie und Praxis. Verlag Bertelsmann-Stiftung, Gütersloh 2008. 598 S.