Über die Gefahren des Lobbyismus

25. Mai 2016 • Redaktion & Ökonomie • von

Die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Die Welt machen es. Die Zeit und das Magazin Capital auch. Sie kooperieren mit Lobbyorganisationen, um die Verlagskassen aufzubessern. Eine Studie hat nun den Einfluss dieser Zusammenarbeit auf die journalistische Arbeit untersucht.

MarionetteIn „Ausverkauf des Journalismus – Medienverlage und Lobbyorganisationen als Kooperationspartner“ betrachtet Marvin Oppong eine strukturelle Entwicklung genauer, die bisher relativ unbeachtet war. Der Autor beschreibt in dem Arbeitspapier der Otto-Brenner-Stiftung die zunehmenden Kooperationen von Zeitungsverlagen mit Lobbyorganisationen. Denn die viel thematisierte Zeitungskrise habe Medienhäuser hierzulande verstärkt dazu gebracht, so stellt Oppong fest, sich neue, nicht-originär journalistische Einnahmequellen zu erschließen.

Ein Beispiel: das Event-Geschäft, in dem Zeitungsverlage als Organisatoren von Veranstaltungen verschiedenster Art agieren. Dabei winken den Medienhäusern dann zahlungskräftige Sponsoren und lukrative Teilnahmegebühren. Ob diese Einnahmen eine Abhängigkeit und einen Interessenkonflikt zu Ungunsten der notwendigen journalistischen Distanz hervorrufen, ist ein zentraler Aspekt der Studie Oppongs.

Für die Untersuchung wurden alle Veranstaltungen der Jahre 2012 bis 2015 der 20 größten Medienverlage in Deutschland erfasst, die mit einem Lobbyverband kooperierten und von einem Medium mit bundesweiter Verbreitung veranstaltet oder mitveranstaltet wurden. Insgesamt waren es 59 Veranstaltungen, in die ein Lobbyverband eingebunden war – sei es als Mitveranstalter, Mitorganisator, Kooperationspartner, Medienpartner oder Sponsor.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass nur 7 der 20 untersuchten Verlage, jedoch alle der großen Leitmedien, im Event-Geschäft mit Lobbyverbänden zusammenarbeiten, die etwa als Mitveranstalter oder Sponsor agieren. „Eine Einbindung der Redaktion in das Konferenzgeschäft scheint der normale Weg zu sein. Von den 26 untersuchten  Veranstaltungen war bei fast jeder Veranstaltung mindestens ein Redakteur bzw. eine Redakteurin in die Konferenz eingebunden, zumeist als Moderator, sehr selten aber auch als Keynote-Speaker oder inhaltlicher Diskussionsteilnehmer“, resümiert Marvin Oppong.

Dazu stellte sich heraus, dass bei fast der Hälfte der Veranstaltungen (11) anschließend das jeweilige Medium darüber berichtete. Die Veranstaltungen würden somit unter journalistischen Kriterien (nachrichtliche Relevanz, Objektivität usw.) präsentiert, wodurch die Grenze zwischen Veranstaltungsgeschäft und redaktionellem Inhalt verschwimme, so Oppong. Er konstatiert, dass es insgesamt mindestens 21 Fälle weiterer  Berichterstattung  über die Lobbyorganisationen gebe, die mit den entsprechenden Medien im Konferenzgeschäft kooperierten.

So haben laut Oppong beispielsweise die Welt am Sonntag und Welt Online positiv über den Welt-Tourismusgipfel beziehungsweise das Welt-Gipfelgespräch der Reiseindustrie, bei dem die Welt-Gruppe mit dem Lobbyverband Travel Industry Club kooperierte, berichtet. Nach den Veranstaltungen seien von Welt-Redaktionsmitgliedern Interviews mit Vertretern der Reisebranche geführt worden. Ein ähnliches Muster machte Oppong auch bei der FAZ aus, die über den Initiativkreis Ruhr berichtet hat. Der Redakteur des Artikels sei zugleich auch Moderator beim Gründer-Forum NRW gewesen, bei welchem der Initiativkreis Ruhr Partner war. Zwei Monate davor sei bereits ein großes Interview mit dem Evonik-Chef Klaus Engel, in dem dieser für den Initiativkreis geworben hat, veröffentlicht worden.

Auch das Handelsblatt berichtete laut Oppong über seine Kooperationspartner: Bei der 12. Handelsblatt-Jahrestagung zum Thema Sicherheitspolitik und Verteidigungsindustrie war der Förderkreis Deutsches Heer (u.a. mit Rüstungshersteller  Krauss-Maffei  Wegmann; KMW)  Kooperationspartner und fast parallel zur Konferenz seien im Handelsblatt drei werbende Beiträge über die Handelsblatt-Jahrestagung,  darunter auch ein Interview mit dem KMW-Chef veröffentlicht worden.

Insgesamt sei festzustellen, dass die Verlage wenig transparent mit dem Thema Kooperationen umgingen und zum Teil keine Auskünfte über Veranstaltungen in Kooperation mit Lobbyorganisationen geben wollten.

Marvin Oppong resümiert, dass Medien und Verlagshäuser grundsätzlich auf Kooperationen mit Interessenverbänden verzichten sollten, sofern dies  aus  ökonomischen Gründen geht. Sei das nicht der Fall, sollte es für solche Zusammenarbeiten klare Leitlinien geben. „Es geht hierbei um nicht weniger als um die Frage, ob der Lobbyismus über Kooperationen und daraus resultierende publizistische Linien inhaltlich die großen Verlage in Deutschland übernimmt.“

Studie zum Download auf der Website der Otto-Brenner-Stiftung

Bildquelle: pixabay.com

 

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