Journalistenausbildung und das arabische Erwachen

28. Mai 2013 • Ausbildung, Pressefreiheit • von

Mithilfe der sozialen Medien wie Twitter, Facebook und YouTube lernen arabische Studenten, was Pressefreiheit bedeutet. „Und sie lieben es“, versichert Dr. Matt J. Duffy. Zwei Jahre lang hat der Kommunikationswissenschaftler aus den USA in Abu Dhabi Journalismus gelehrt, wurde aber 2012 des Landes verwiesen.

Beim World Congress des International Press Institute in Amman, Jordanien, diskutierte er mit der ägyptischen Journalistin Abeer Saady und ihrem arabisch-amerikanischen Kollegen Ahmed Shihab-Eldin über die Rolle von Medien und Pressefreiheit im Arabischen Frühling. Eines der größten Probleme des arabischen Journalismus sieht Duffy dabei in der Ausbildung junger arabischer Journalisten. In einem Interview am Rande der Konferenz spricht er über die arabische Journalistenausbildung und das arabische Erwachen. Denn von Frühling will er noch nicht reden.

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Matt J. Duffy

Mehr als 300 Journalisten – darunter viele arabische – sind zu der Konferenz nach Amman gekommen und haben sich in den vergangenen Tagen ausgetauscht. Was haben Sie von Ihren arabischen Kollegen über den arabischen Frühling gelernt? 

Ich würde nicht von einem arabischen Frühling sprechen. Wir sollten lieber den Begriff verwenden, den auch die arabischen Journalisten benutzen: Das arabische Erwachen. Denn der Prozess ist noch nicht vorbei, er geschieht gerade im Moment, so zum Beispiel in Ägypten. Ich bin da immer noch optimistisch. Die Dinge, die dort gerade passieren, sind Dinge, die durchgestanden werden müssen. Auch die USA haben das durchgestanden. Und auch Deutschland. Was nötig ist, ist eine öffentliche Diskussion in der Gesellschaft. Und zwar über das, was toleriert wird, und was nicht.

Für ein gutes Mediensystem braucht es vor allem Journalisten. Gibt es überhaupt so etwas wie Journalistenausbildung in den Golfstaaten? 

Natürlich. Es gibt hunderte Ausbildungsprogramme für Journalisten, zum Beispiel in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Saudi-Arabien. Aber die Frage ist: Was wird da gelehrt? Wird dort gelehrt, wie man eine Kamera hält? Oder wird da gelehrt, wie Fotos von den Herrschern gemacht werden, so dass diese möglichst prächtig aussehen? Die Antwort ist: Sie lehren nicht die international anerkannten Prinzipien des Journalismus. Zumindest nicht nach den Maßstäben, wie sie an westlichen Schulen und Universitäten gelehrt werden. Ich habe selbst in den Vereinigten Arabischen Emiraten die Prinzipien des Journalismus gelehrt. Deshalb wurde mein Vertrag nach zwei Jahren nicht mehr verlängert und ich musste ausreisen.

Was waren Ihre Erfahrungen als Journalistikdozent in den Emiraten? Haben die Studierenden überhaupt ein Interesse am Journalismus und an Pressefreiheit?

Auf der einen Seite sagen die Emiratis, dass sie eine Ausbildung nach internationalen Standards haben wollen. Aber in Wahrheit stellt sich heraus, dass sie das keineswegs wollen. Sie wollen, dass Journalismus so gelehrt wird, wie er gerade im Moment auch praktiziert wird. Und das ist wenig kritisch und ohne die Mächtigen zu kontrollieren. Es gibt aber dennoch viele Studenten, die über Twitter und Facebook mit der westlichen Vorstellung von Journalismus in Kontakt kommen und ihn auch so gelehrt bekommen wollen. Genau davor haben die Mächtigen aber Angst: Dass Informationen in das Land fließen und dieses von Grund auf ändern. Und das geschieht gerade.

Finden Sie es richtig, dass sich westliche Organisationen in die Vermittlung dieser demokratischen Werte in der arabischen Welt einmischen?

Ja, auf alle Fälle. Diese Einmischung ist sehr wichtig, denn nur so können die international anerkannten Prinzipien des Journalismus ihren Weg in diese Länder finden. In der arabischen Welt machen weder das Bildungs- noch das Mediensystem auf sie aufmerksam. Wir sollten den Bürgern der arabischen Welt die internationalen Normen vermitteln, so auch, dass es durchaus erlaubt ist, die Regierung zu kritisieren. Aber das ist natürlich ein langer Prozess und alles, was wir tun können, ist den arabischen Ländern dabei zu helfen, die normativen Ziele zu erreichen.

Erstveröffentlichung: http://marcus-schoft.de/pressefreiheit-im-arabischen-fruhling/

Bildquellen: IPI World Congress / Marcus Schoft

 

 

 

 

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