Die Veränderungen des politischen Systems in Albanien sind mit der Entwicklung und Umgestaltung der Medienbranche verbunden.
Als der politische Pluralismus und die Markwirtschaft 1991 etabliert wurden, verlor der Staat sein Monopol über den albanischen Medienmarkt. Der Übergang von einem zentralisierten System zu einem privatisierten Mediensystem ging Hand in Hand mit anderen wesentlichen Veränderungen des Markts. Während sich der Wandel von kontrollierten zu freien Medienmärkten im einst kommunistischen Osten langsam vollzog, traten die Veränderungen in Albanien schlagartig auf.
Daher verschwanden zwischen 1991 und 1997 fast alle Zeitungen und Zeitschriften, die der kommunistische Staat einst kontrolliert hatte (mit Ausnahme von Zëri i Popullit, der Hauptzeitung der regierenden kommunistischen Partei). An ihrer Stelle erschienen neue Zeitungen, die vor allem als private Unternehmen fungierten. Diese neuen Medienunternehmen veränderten die albanische Medienlandschaft grundlegend. Vor 1990 wurden nur zwei Tageszeitungen gedruckt: Zëri i Popullit und Bashkimi. Ab 1991 erschienen vier Tageszeitungen und 1994 verdoppelte sich diese Zahl auf acht. Heutzutage werden landesweit 28 Tageszeitungen gedruckt – verglichen mit der Anzahl der Printmedien in Ländern mit einer größeren Bevölkerung ist dies eine beeindruckende Zahl.
Der audiovisuelle Markt hat sich nach dem gleichen Muster verändert: Es gibt zwar eine staatliche Rundfunkanstalt, RTSH, die albanischsprachigen Medien werden aber von einer Vielzahl von privaten Fernseh- und Radiosendern beherrscht. Laut Statistiken von Keshilli Kombetar i Radios dhe Televizionit (KKRT – Landesrat für Radio und Fernsehen) operieren in Albanien zurzeit vier überregionale Fernsehsender, 65 lokale Sender, 33 Kabelfernsehsender sowie drei überregionale und 47 lokale Radiosender.
Ein Markt mit geringer Regulierung
Der Boom der privaten Medien hat den Medienmarkt ins Chaos gestürzt. Die Tatsache, dass die Gesetzgebung in diesem Bereich noch sehr lückenhaft ist, trägt zu diesem Phänomen bei. Der Staat hat bisher noch nicht seinen Einfluss auf den Markt, der sich rapide entwickelt hat und dazu tendiert, Vorschriften zu umgehen, geltend gemacht. Diese – ein wenig anarchische – Situation kann besonders im Bereich der elektronischen Medien beobachtet werden. Während Zeitungen und Zeitschriften sich inzwischen immer häufiger registrieren, um legal lizenzierte private Unternehmen zu werden, verzichten elektronische Medien meist auf rechtsgültige staatliche Lizenzen.
Eine der grundlegenden Eigenschaften der albanischen Medien ist der Mangel an finanzieller Transparenz. Sobald private Medienunternehmen in den Markt einsteigen, verbergen sie Informationen über ihre finanzielle Lage und Investitionen. Dies führt regelmäßig zu Ungleichgewichten, weil es sich um große Investoren aus medienfremden Bereichen damit die Medienlandschaft verändern. Dies ist schon häufiger passiert, zum Beispiel durch die Beteiligung von Bauunternehmern wie Koço Kokëdhima, Irfan Hasanbelliu und Genc Dulaku oder dem Kaffeeunternehmer Dritan Hoxha – Sie haben neue Medien gegründet, die unverzüglich zu den wichtigsten des
Landes wurden. Aufgrund gewaltiger Investitionen der Geschäftsleute Kokëdhima und Hasanbelliu haben ihre jeweiligen Zeitungen die höchsten Auflagenzahlen des Landes. Derweil gehören Dulaku und Hoxha auch zwei der größten albanischen privaten Fernsehsender.
Die neuen Unternehmen, die in den Markt einsteigen, verändern häufig den Trend des Medienmarkts. So war die neu gegründete Zeitung Shekulli dreimal billiger als andere Zeitungen. Ihr Preis betrug 10 Lek (ca. 70 Cent), während andere Zeitungen für 30 Lek (210 Cent) verkauft wurden. Bald darauf folgte die Zeitung Panorama ihrem Beispiel. Das führte dazu, dass die Inhaber der anderen Zeitungen die Wettbewerbsbehörde aufsuchten, um sich gesetzlich zu schützen. Dieser Preisunterschied kann zwar nicht gerechtfertigt werden – nicht einmal durch die Druckkosten (die ungefähr gleichgroß sind) oder die Verkaufszahlen –, er lässt sich aber damit erklären, dass die Verleger einiger Zeitungen ihre Druckkosten durch die Einnahmen ihrer anderen Unternehmen decken.
Im Bereich der Fernsehmedien spiegeln sich die Missverhältnisse des Medienmarkts vor allem in den Werbekosten und dem Programminhalt wider. Für diverse Fernsehsender waren die Preise für Werbespots inakzeptabel. Am 5. August 2003 haben die Intendanten der fünf größten albanischen Fernsehsender deshalb eine Kooperationserklärung unterschrieben, in der sie beschlossen, dass sie zukünftig identische Preise für Werbespots festlegen. Diesem Memorandum zufolge kosten 30 Sekunden Werbung bei jedem der fünf Unterzeichnenden 100 Euro. Ungeachtet dessen wurde das Memorandum letztendlich nicht ausgeführt, weil für jeden Sender bis heute andere Preise gelten.
Diese Respektlosigkeit gegenüber Regeln macht sich auch bei der finanziellen Versorgung der Journalisten und technischen Mitarbeitern bemerkbar.
Aufgrund des Wettbewerbs weichen die Gehälter der Journalisten je nach Medium drastisch voneinander ab: Die Gehälter bei Top Channel und Vizion Plus sind zwei bis dreimal so hoch wie bei anderen Medien, weil diese unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten leiden. Die Gehälter der Fernsehjournalisten sind außerdem sehr viel höher als die der Print- und Radiojournalisten.
Seit 1992 gibt es kontinuierlich Versuche, Vorschriften für den Mediensektor durchzusetzen. In vielerlei Hinsicht ist der Markt heute stabiler als noch vor ein paar Jahre – trotzdem ist er immer noch unberechenbar, instabil, und zu einem gewissen Grad informell.
Ein kleiner Markt in der Krise
Mit einer Einwohnerzahlt von rund drei Millionen ist und bleibt Albanien ein kleiner und ungünstiger Markt für Medien. Kleine Märkte sind hinderlich für die Festigung der Medien, weil die Produktionskosten hier fast genauso hoch sind wie die anderer Medien, die in größeren Märkten tätig sind. Der Profit in den kleinen Märkten ist aber sehr viel geringer.
Von der Größe einmal abgesehen sind die albanisch-sprachigen Medienmärkte auch durch die liberale Medienpolitik der albanischen Regierung zersplittert. Die vielen Akteure, die in diesen Märkten tätig sind, haben zwar einen positiven Einfluss auf den Pluralismus der albanischen Presse, aber sie fragmentieren die Medien. Obwohl es Mediengruppen gibt, in denen beobachtet werden konnte, dass es Zusammenschlüsse gibt, ist der Markt sehr breit gefächert – es hat sich gezeigt, dass Konzentrationen nicht zur Schließung anderer Unternehmen führen. Die Schwierigkeiten eines kleinen Markts spiegeln sich nicht nur in den niedrigen Auflagenzahlen der albanischen Zeitungen, aber auch in der geringen Anzahl der Werbekunden der elektronischen Medien wider, wobei genaue Untersuchungen über die Zielgruppen dieser Medien bisher fehlen.
Die tägliche Auflagenhöhe aller albanischen Zeitungen beträgt gerade einmal 70.0000; davon haben lediglich Panorama und Shekulli eigenen Angaben zufolge eine Auflage von 15.000 bis 25.000. Bei allen anderen Medien beträgt die Auflagenhöhe jeweils weniger als 5000 Exemplare.
Die langjährige Krise der Printmedien
Die Printmedien, die nach dem Fall des Kommunismus die erste private Medienform bildeten, haben eine jahrelange Krise durchlebt, die sich immer weiter fortsetzt.
In der ersten Phase (1991-1994) konnten sich die Printmedien über günstige finanzielle Bedingungen freuen, weil sie vor allem durch politische Parteien finanziert wurden und daher drei sichere Einnahmequellen hatten: politische Parteien, Verkauf der Zeitungsexemplare und Werbung.
Es gab auch andere Vorteile: zuallererst die große, beständige Leserschaft – ein bedeutsamer Teil davon war die Wählerschaft der politischen Parteien. Zusätzlich investierten die Parteien einen Teil ihres Budgets in die Printmedien, weil diese zu der Zeit noch die einflussreichsten Medien Albaniens waren.
Die ersten großen Tageszeitungen, die nach 1994 auftauchten, mussten sich erheblichen Problemen stellen. Die Gehälter der Journalisten waren sehr gering (50-250 Euro) und die Zeitungen so billig, dass die Produktionskosten mit den Einnahmen kaum gedeckt werden konnten.
Die wirtschaftliche Lage der Printmedien in Albanien ist großen Herausforderungen unterworfen, was dazu führt, dass die Stabilität der einzelnen Medienunternehmen schwankt und ihre Überlebenschancen sinken. Der Großteil der Unternehmen schreibt inzwischen rote Zahlen und wenn die Gesetze, die besagen, dass Zahlungsunfähigkeiten und die finanzielle Lage der Betriebe transparent gemacht werden müssen, wie beabsichtigt funktionieren würden, wären viele dieser Unternehmen gezwungen zu schließen. Diese Situation wird durch den kleinen Werbemarkt in Albanien verschlimmert.
Der Boom der audiovisuellen Medien
In Albanien wird am meisten in audiovisuelle Medien investiert. Diese Investitionen sind jedoch durch verschiedene Entwicklungsmuster gekennzeichnet: Es wird viel in Fernsehen und wenig in Radio investiert. Auch bei den verschiedenen Fernsehsendern gibt es Unterschiede, da einige Unternehmen viel mehr investieren und damit auch viel wettbewerbsfähiger als andere Sender sind. Fernsehsender wie beispielsweise Top Channel, Klan, Vizion Plus und neuerdings auch Ora News haben mehr Geld in ihre Produktionen gesteckt, wodurch ihre Rundfunkqualität um einiges besser ist.
Durch ihre Investitionen sind diese Fernsehsender in drei Bereichen konkurrenzfähiger geworden: Rundfunktechnik, Programmproduktion und Arbeitskräfte.
Zu den technischen Investitionen gehört der Bau der Rundfunkstudios. Bis 1997 war der größte Anleger in diesen zwei Gebieten Radiotelevizioni Publik Shqiptar (RTSH, albanisches öffentlich-rechtliches Fernsehen), die damals einzige Rundfunkanstalt in Albanien. Trotzdem hinkte RTSH damals und auch heute noch technisch gesehen hinterher. Die Kameras und Schnittstudios von RTSH sind immer noch diejenigen, die zwischen 1985 und 1990 aus Ostdeutschland importiert wurden.
Laut Statistiken von KKRT macht die Mehrzahl der albanischen Fernsehsender Verluste. Alle lokalen Fernsehsender, deren Programm von Tirana und anderen Regionen ausgestrahlt wird, haben letztendlich Gewinneinbuße. Nichtsdestotrotz sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die finanziellen Angaben der meisten Fernsehsender Albaniens ungenau sind. Diese Ungenauigkeiten kommen daher, dass falsche Angaben über die Anzahl der beschäftigten Journalisten und ihre Gehälter sowie über die Einnahmen gemacht werden, um Gewinnbesteuerungen zu umgehen. Trotzdem hat KKRT eine Datenbank über die Finanzen der Fernsehsender erstellt, die zeigt, dass nur Klan, Top Channel und Vizion Plus Gewinne erzielen.
Die Haupteinnahmequelle des albanischen Fernsehens ist die Werbung. Von 15.666.000$, die im Jahr 2004 für Werbung ausgegeben wurden, wurden 8.500.000$ in Fernsehwerbung investiert. Diese Summe wird jedoch nicht gleichmäßig verteilt, weil die Hauptfernsehsender die meisten Werbeaufträge von Unternehmen und der Regierung erhalten. Die übrigen Produktionskosten werden durch andere finanziellen Quellen gedeckt. Einige Fernsehsender, wie z.B. TV Arbëria, wurden zwangsvollstreckt, während andere fortlaufend in finanziellen Schwierigkeiten stecken und deshalb ihren Mitarbeitern keine Gehälter mehr auszahlen.
Radiounternehmen sind bescheidener aber auch beständiger als Fernsehunternehmen. Obwohl die Mehrheit der Radiosender an Geldmangel leidet, sind ihre Kosten insgesamt viel geringer, weil ihr Programm vor allem aus Nachrichten aus dem Internet sowie aus Talk Shows mit Anrufern und Musik besteht. Gleichzeitig sind weder die Mitarbeiter noch technische Neuerungen besonders teuer.
Zusammenfassung
Das Wesen der albanischen Medien hängt überwiegend vom Wesen ihrer Besitzer ab. Die radikalen Liberalisierungsreformen haben dazu geführt, dass der albanische Medienmarkt, so wie andere Märkte auch, sehr schnell von privaten Unternehmen dominiert wurde. Die privaten Medien haben die Rolle des öffentlichen Sektors ausgeglichen. Der albanische öffentlich-rechtliche Rundfunk ist bis heute eine unreformierte Medieninstitution, die dem staatlichen Radio- und Fernsehsender der Vergangenheit immer noch ähnelt. Seine Glaubwürdigkeit und Bewertungen nehmen ständig ab und er wird heutzutage vor allem in ländlichen Gegenden genutzt.
Im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern, in denen Medienkonzentration gesetzlich eingeschränkt wird, ist dieses Phänomen in Albanien und im Kosovo erlaubt. Daher kann im albanischen Medienmarkt beobachtet werden, dass verschiedene Medien fusionieren und einflussreiche Mediengruppen, die von einem einzelnen Aktionär kontrolliert werden, gebildet werden. Außerdem hindert die albanische Gesetzgebung andere Unternehmen nicht daran, in die Medienindustrie zu investieren.
In den Balkanstaaten sind das Internet und neue Technologien die einzigen Medienformen, die offene Perspektiven und einen gemeinsamen Raum für Kommunikation bieten. Online-Kommunikation umgeht die Beschränkungen der traditionellen Medien. Ungeachtet dessen ist es, im Gegensatz zu anderen Ländern in Europa, für die Bevölkerung schwieriger das Internet und die neuen Kommunikationstechniken zu nutzen: Die Kosten sind zu hoch, die Kaufkraft der albanischen Öffentlichkeit zu gering. Die Verbreitung des Internets wird außerdem durch das niedrige Wirtschaftsniveau der Bevölkerung und die mangelhafte Festnetzinfrastruktur beeinträchtigt – vor allem in ländlichen Gebieten. Obwohl sich die neuen Medien noch im Anfangsstadium befinden, wird ihre Präsenz immer stärker, so dass erwartet wird, dass sie in kürzester Zeit zu einer Konkurrenz für die traditionellen Medien werden.
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Dr. Mark Marku ist Medien- und Kommunikationsprofessor der Fakultät für Journalismus und Kommunikation der Universität Tirana. Er hat mehrere Werke über die Geschichte der albanischen Medien und Mediensemiotik veröffentlicht, die von vielen westlichen Autoren übersetzt wurden. Zurzeit ist Dr. Marku Abgeordneter des albanischen Parlaments und Vizepräsident des Parlamentsausschusses für Bildung und Medien.
Übersetzt aus dem Englischen von Miryam Nadkarni
Schlagwörter:Albanien, Fernsehen, Mark Marku, Medienkonzentration, Medienmarkt, Neue Technologien, politisches System, Printmedien, Radio, Regulierung