Braucht es extra Mediengesetze zur gerechten Geschlechterverteilung? – Eine weltweite Studie

2. März 2023 • Aktuelle Beiträge, Medienpolitik • von

Der Bericht „Global Study: Gender Equality and Media Regulation” zeigt, dass eine Regulierung von Medieninhalten zur Geschlechtergleichstellung beitragen kann. Jedoch gibt es bislang nur wenige Länder mit ähnlichen Gesetzen und es braucht mehr als nur gleichstellende Regulierungen zu schaffen. Ein Überblick über die Hürden und Chancen von Gleichstellungsgesetzen für Medien.

Die zweite Ausgabe des „Global Study: Gender Equality and Media Regulation” des Fojo Media Institute wurde im September 2022 veröffentlicht und soll die Wissenslücke über den Stand der Geschlechtergleichstellung in der Mediengesetzgebung und -politik schließen. Die Studie untersucht, inwiefern die Regulierungen in einem Land zu einer ausgeglicheneren Geschlechterverteilung führen können. Dazu wurden zum einen die Daten und Studien zu Recht und Politik und zum anderen die Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter in den Medien in über 100 Ländern untersucht und miteinander verglichen.

Eine Vielzahl an Widersprüchen

Journalistin vor der Kamera / Bildquelle:  Freepik

Der Bericht stellt vor allem Widersprüche fest. Es gibt ein weit verbreitetes Interesse an der Gleichstellung der Geschlechter in den Medien, jedoch scheint sich das nicht auf die gesetzlichen Regulierungen des Mediensektors auszuwirken. Und das liegt laut Bericht vor allem daran, dass die Länder Angst haben durch bestimmte gleichstellende Mediengesetze die Medienfreiheit einzuschränken. Denn die Medien sollten möglichst unabhängig von der Politik sein.

Gleichzeitig hat der Staat aber die Aufgabe marginalisierte Gruppen, also auch Frauen und Mädchen, zu schützen und zu unterstützen. Bereits seit 1995 gibt es mit der Pekinger Erklärung einen Aktionsplan der Vereinten Nationen durch den Frauen und Mädchen in und durch die Medien bei der Gleichstellung unterstützt werden sollen. Für die 189 Mitliedstaaten der UNO ist die Erklärung moralisch bindend und soll der “Förderung der vollen und gleichberechtigten Beteiligung von Frauen an den Medien, einschließlich Management, Programmgestaltung, Bildung, Ausbildung und Forschung” dienen. Trotzdem zögern einige Mitgliedsstaaten den Aufforderungen nachzukommen. Vermutlich weil befürchtet wird, dass damit auch in gewissem Maße in die Medienfreiheit eingreifen würde.

Der Wandel hin zur Gleichstellung der Geschlechter 

Trotz der Angst vieler Länder zu stark in die Medienfreiheit einzugreifen, zeigt der Bericht Beispiele, in denen progressive rechtliche Versuche bereits funktioniert haben. In Island gibt es z. B. das Mediengesetz (Artikel 23). Das verpflichtet Medienorganisationen zu einem jährlichen Bericht, in denen unter anderem der Anteil von Frauen bei den Inhalten und beim Personal angegeben werden muss.

Der Wandel funktioniert aber auch anders. Der Bericht zeigt, dass die Geschlechtergleichstellung in gewissem Maße mit den Grad an Gleichstellung in der Gesellschaft zusammenhängt. Denn jedes Land ist durch seine Geschichte in einem eigenen Gefüge, welches auch die Rolle der Frau in jedem Land anders prägt. In Ländern wie Schweden, in denen es schon lange eine Frauenbewegung gibt, sind auch mehr Frauen in den Nachrichten und Medien präsent. Am Beispiel Schweden zeigt der Bericht, dass zur Geschlechtergleichstellung in den Medien, nicht unbedingt extra Regulierungen benötigt werden, sondern sie auch Folge allgemeiner Gleichstellungsgesetze und eines wachsenden gesellschaftlichen Bewusstseins sein kann. Trotzdem stellt der Bericht fest, dass eine gewisse Regulierung von Medieninhalten- und -strukturen zur Geschlechtergleichheit beitragen kann. Dazu muss jedoch auch die Beteiligung von Frauen an der Medienproduktion und -regulierung gestärkt werden, um eine umfassende Geschlechtergleichheit in der Medienlandschaft zu erreichen.

Wie könnten Gesetze zur Gleichstellung in den Medien beitragen?

Auch wenn die Gleichstellung in einer Gesellschaft insgesamt ein wichtiger Grundbaustein für das Maß an Gleichstellung in den Medien darstellt, können laut Bericht folgende Regulierungen hilfreich im Prozess der Gleichstellung sein. Restriktive Maßnahmen sind dabei jedoch nicht akzeptabel.

  • Die Politik kann geeignete (Selbst-) Regulierungsmechanismen für Medien durch entsprechende Mediengesetze fördern. So würde die Politik nicht zu sehr in die Medienfreiheit eingreifen und trotzdem wären die Medien dazu angehalten, die Geschlechterverteilung ihrer Inhalte und des Personals zu regulieren.
  • Ebenso könnten Bestimmungen in Betracht gezogen werden, die die Bekämpfung oder Vermeidung sexistischer Vorurteile und Stereotypen unterstützen. Diese Bestimmungen dürften aber nicht zu sehr in die Medienfreiheit oder in das Recht auf freie Meinungsäußerung eingreifen.
  • Gegen geschlechtsspezifische Desinformationen sollen außerdem geschlechtersensibler Journalismus und eine gut informierte und digital gebildete Bevölkerung beitragen.

Wie gleichgestellt sind die Länder bereits?

Der Bericht gibt auch einen kurzen Überblick über die bestehenden und rechtlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf Geschlecht und Medien. Er macht also eine Bestandsaufnahme von über 100 Ländern. Die Kartierung zeigt, inwieweit es bereits Mandate zu Gleichstellungsfragen in den Medien gibt oder sich schon mit Gleichstellung in den Medien insgesamt befasst wird.

In der Analyse des Berichts wird deutlich, dass die Länder zwar das Ziel verfolgen, geschlechtsspezifische Ungleichheiten zu beseitigen, dass sie dies aber nicht einheitlich konzeptualisieren, und dass sie dem Thema auch nicht die gleiche Priorität einräumen wie den Strategien, die sie zu seiner Beseitigung anwenden. Außerdem wurden zwischen den Ländern große Unterschiede in der Gleichstellungspolitik gefunden.

Die Gleichstellung der Geschlechter in den Nachrichten kann mit dem „GEM-Index“ gemessen werden. Dabei steht 0 für ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in Medienorganisationen, -100 für nur Männer und +100 für nur Frauen.

In einer Grafik des Fojo als Teil des Berichts werden die verschiedenen Länder gemäß ihres Index dargestellt. Einen niedrigen GEM-Index haben z. B. Indien, Pakistan und Israel. In den Ländern sind fast nur Männer in den Nachrichten zu sehen und auch die Gleichstellung der Geschlechter in der gelebten Erfahrung schneidet ähnlich schlecht ab. Weit vorne in der Geschlechtergleichstellung in Medien und der gelebten Erfahrung liegen Schweden, Südafrika und Neuseeland.

Fazit: Keine One-Size-Fits-All Lösungen

Insgesamt vergleicht „Global Study: Gender Equality and Media Regulation” auf 61 Seiten viele Facetten der Gleichstellung der Geschlechter in den Medien. Der Bericht stellt fest, dass Medienregulierungen tatsächlich zur Gleichstellung der Geschlechter beitragen können. Jedoch darf die Politik dabei nicht zu sehr in die Medienfreiheit eingreifen. Ein erster Schritt könnten laut Fojo Gesetze zur Selbstregulierung und -kontrolle sein. Und es wird verdeutlicht, wie die Medien Brücken zur Geschlechtergleichstellung bauen können, indem sie beispielsweise eine kritische Berichterstattung fördern und Stereotypen bekämpfen. Dabei wird aber auch klar auf den Kontext und die Geschichte der einzelnen Länder hingewiesen, die Unterschiede in Bezug auf die Partizipation von Frauen in den Medien erklären können.

Zusammenfassend kommt der Bericht zu dem Schluss, dass eine ausgewogene und vielfältige Berichterstattung in den Medien unerlässlich ist, um die Gleichstellung voranzutreiben. Und dass die Medien eine wichtige Rolle dabei spielen können, Geschlechterstereotypen zu bekämpfen und Frauen und Mädchen als aktive und gleichberechtigte Teilnehmerinnen in der Medienlandschaft darzustellen.

Hier geht es zum Originalbericht auf Englisch “Gender Equality and Media Regulation: A Global Study by Sarah Macharia and Joan Barata Mir”

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