Mächtige neue Medien

14. Oktober 2014 • Digitales, Medienpolitik • von

Wie einflussreich sind die Medien? Medienmacher und Mediennutzer in Deutschland haben zu diesem Thema unterschiedliche Ansichten. Während viele Journalisten dazu tendieren, die Wirkungsmacht von Presse und Rundfunk herunterzuspielen („das versendet sich“), misst das Publikum den Medien erheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinung zu.

Die hitzige Debatte der deutschen Mediennutzer über eine vermeintliche ‚Einseitigkeit’ der Berichterstattung von ARD und anderer Leitmedien über den Ukraine-Konflikt ist dafür ein beredtes Beispiel. Wie aber steht es um die (mutmaßliche) Macht der neuen Medien – neigen die Journalisten auch hier dazu, den Einfluss von Spiegel Online, Twitter und Facebook herunterzuspielen?

Die Düsseldorfer Kommunikationswissenschaftler Uli Bernhard und Marco Dohle haben kürzlich die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, in der sie deutsche Journalisten nach dem mutmaßlichen Impact der Medien auf Politiker, Publikum – und auf die Medienmacher selbst – befragt haben. In Kooperation mit den deutschen Journalistenverbänden DJV und dju wurden dazu knapp 1.700 Journalistinnen und Journalisten befragt; bei der quantitativen Online-Erhebung handelt es sich allerdings nicht um eine repräsentative Studie.

Die Befragung zeigt: Journalisten messen den neuen Medien erheblichen Einfluss auf die eigene Profession bei – den sie jedoch nur ungern zugeben. In der Erhebung fragten die Forscher zum einen nach der Einschätzung der Wirkung klassischer (Presse, Rundfunk) wie neuer Medien im Netz auf die Befragten selbst und zum anderen nach dem unterstellten Einfluss der Medien auf andere Journalisten („Third-Person-Effekt“). Besonders interessant: Im Gegensatz zur Einschätzung der Wirkung ‚klassischer Medien’ sehen die Journalisten, der Befragung zufolge, ihren eigenen Berufsstand sogar als vergleichsweise deutlich stärker von Internet und Social Media beeinflusst an als Politiker und Publikum.

Der Bedeutungszuwachs des Internets wird von den Journalisten allerdings mit Unbehagen gesehen – zumal die Studie auch nahelegt, dass die Journalisten die Medienkompetenz des Publikums skeptisch beurteilen. Auch wenn die Journalisten Eingriffe in die Medienfreiheit grundsätzlich ablehnen: Je höher der unterstellte schädliche Einfluss des Internets auf die ‚breite Masse’, desto größer ist, der Studie zufolge, die Bereitschaft der Journalisten, medienpolitische Maßnahmen zur Regulierung des Internets zu unterstützen. Die eigenen Kollegen werden hingegen nicht in gleichem Maße als ‚schutzbedürftig’ angesehen.

Dass die Journalisten medienpolitische Eingriffe in die Netz-Freiheit eher akzeptieren würden als etwaige Versuche, auf Presse und Rundfunk Einfluss zu nehmen, erklären sich die Forscher mit der Sorge der deutschen Journalisten um den Verlust ihrer traditionellen Gatekeeper-Rolle: „The ‚new media’ characterized by interactivity and user-generated content might be experienced as a bigger threat to their own work by many journalists who fear losing their role as professional news messengers.“ Damit bestätigt die Studie von Bernhard und Dohle zugleich andere aktuelle Forschungsergebnisse wie jene des MediaAcT-Projekts, denen zufolge Journalisten aus deutschsprachigen Ländern im internationalen Vergleich am wenigsten Enthusiasmus für partizipativen Journalismus aufbringen.

Uli Bernhard/Marco Dohle: Do Even Journalists Support Media Restrictions? Presumed Political Media Influence and the Consequences. Journalism & Mass Communication Quarterly 2014 Vol. 9 (2), S. 250-271.

Bildquelle: Steve Garfield / flickr.com

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