Vorbeugender Maulkorb?

28. August 2019 • Aktuelle Beiträge, Pressefreiheit • von

„Wenn Sie das schreiben, verklage ich Sie!“: So betiteln Tobias Gostomzyk und Daniel Moßbrucker ihre Untersuchung von Anwaltsstrategien gegen Medien, die kritischer Berichterstattung vorbeugen sollen. Die Befunde sollten eine überfällige Debatte anstoßen.

Journalistische Arbeit ist gerade jenen ein Dorn im Auge, die etwas zu verbergen haben. Doch wenn etwas schief läuft, was für die Öffentlichkeit große Bedeutung hat, muss sie davon erfahren, auch wenn es einigen nicht passt. Das macht professionellen, unabhängigen Journalismus in einer Demokratie aus. Hinter einem begründeten Informationsinteresse müssen oft auch gewichtige Gebote zurückstehen wie Staatsgeheimnis oder Steuergeheimnis.

Juristen fördern solche Arbeit: Das Bundesverfassungsgericht unterstrich mehrfach, wie wichtig solche journalistische Arbeit für uns alle ist. Juristen stören aber diese Arbeit auch seit jeher: Anwälte schüchtern im Auftrag ihrer Klienten Medien ein, drohen mit Kostenrisiken.

Neu ist, wie sie systematisch präventiv journalistische Publikationen beeinflussen oder verhindern durch warnende Schreiben, Gesprächsangebote oder indem sie Recherchen an Konkurrenzmedien geben beziehungsweise ihren Klienten zu einer PR-Kampagne mit eigenem Dreh raten. Gostomzyk und Moßbrucker machen in ihrer Studie solche Anwaltsstrategien sichtbar und fragten nach deren Wirkung. Sie recherchierten in Datenbanken, werteten Rechtsnormen und Urteile aus, interviewten 40 Journalisten und 20 Presserechtler.

Anders als vermutet erschrecken Anwaltsschreiben Journalisten meist nicht, sondern spornen sie zu noch mehr Sorgfalt an und dazu, den Rat des Haus-Justitiars einzuholen für eine „juristisch wasserdichte“ Formulierung. Sucht ein Anwalt hingegen das Gespräch, willigen sie eher ein, Textaussagen abzuschwächen. Weil Medien schneller als früher Unterlassungserklärungen abgeben, um teure Rechtstreitigkeiten zu vermeiden, sollte eine Fonds-finanzierte Stelle solche Fälle dann durchziehen, wenn sie presserechtlich bedeutsame Standards betreffen.

Entscheidend ist Rückgrat: Solchen Journalisten, die erklären können, was ihren Beruf ausmacht, lässt sich schwer ein Maulkorb aufsetzen.

Tobias Gostomzyk/ Daniel Moßbrucker (2019): „Wenn Sie das schreiben, verklage ich Sie!“. Studie zu präventiven Anwaltsstrategien gegenüber Medien. hrsg. von der Otto Brenner Stiftung und der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V., OBS-Arbeitsheft 99.

Bildquelle: pixabay.de 

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