Die jungen Alten verdrängen die alten Alten

25. März 2014 • Qualität & Ethik • von

Werden ältere Menschen von den Medien diskriminiert? Auf diese Frage gibt es inzwischen sehr differenzierte Antworten, wie der von Clemens Schwendener (Hochschule der populären Künste Berlin), Dagmar Hoffmann und Wolfgang Reißmann (beide Universität Siegen) herausgegebene Tagungsband „Screening Age“ zeigt.

Das „alte“ Altersstereotyp der Hilfsbedürftigkeit und geringen Leistungsfähigkeit scheint von einem neuen abgelöst zu werden, demzufolge die Älteren „aktiv, gutaussehend, lebensfroh und leistungsfähig“ sind – zumal in der Werbung, aber auch im redaktionellen Angebot der Medien.

Das dürfte partiell einer veränderten Lebenswirklichkeit entsprechen; diese wird aber offenbar medial überzeichnet. Die 65- bis 85-Jährigen sind heute mobiler und aktiver als die Generation vor ihnen, und laut einer Befragung fühlt sich – so berichtet York Kautt (Universität Gießen) – die Hälfte der Altersgruppe um mindestens neun Jahre jünger, als sie tatsächlich ist. Die Älteren werden aber auch wegen ihrer Kaufkraft zunehmend als Zielgruppe der Werbebranche entdeckt.

Eine Folge dieser Fokussierung auf die „jungen Alten“ sei dann, dass die „alten Alten“ und damit Krankheit, Gebrechlichkeit bis hin zum Tod kaum in den Medien vorkämen. Angeboten werde von den Medien eben, was nachgefragt werde, die „Schattenseiten des Alterns“ würden verdrängt und medial ausgeblendet. Zumindest im Blick auf die aktuellen Diskussionen um Sterbehilfe dürften diese auf älteren Inhaltsanalysen beruhenden wissenschaftlichen Befunde inzwischen allerdings überholt sein.

Dagegen stimmt gewiss weiterhin, dass Ältere in den Medien stark unterrepräsentiert sind, obschon in der Gesellschaft – so betonen die Herausgeber, „der soziodemografische Wandel mittlerweile so weit fortgeschritten ist, dass er in vielen Lebensbereichen spürbar und auch im Stadtbild sichtbar geworden ist“. Vor allem ältere Frauen kämen in den Medien so gut wie gar nicht vor.

Man kann das Glas als halb voll oder als halb leer sehen: Es ist verdienstvoll, dass sich die Autoren – die meisten von ihnen sind Nachwuchsforscher – aus ganz unterschiedlichen Perspektiven dieses Themas angenommen haben. Gestreift werden nicht nur die Informationsmedien, sondern auch „Altersbilder in der TV-Werbung“ und „altersspezifische Internetforen“ sowie die „Differenz der medialen Darstellung und der Selbstinszenierung“ von „alternden Rockstars“ und – aus dem Rahmen des Buchs herauskippend – „die Bedeutung volkstümlicher Schlagermusik für ältere Menschen“.

Aber es bleibt auch noch viel zu tun, um wichtige, zum Teil auch skurrile Einzelbefunde in diesem noch jungen Forschungsgebiet zu einem stimmigen Bild zusammenzufügen. Und die Leser hätten vermutlich mehr Freude am vorliegenden Band, wenn sich die Herausgeber beim Überarbeiten der Texte und beim Vermeiden von Redundanz etwas mehr Mühe gegeben hätten.

Clemens Schwendener / Dagmar Hoffmann / Wolfgang Reissmann (Hrsg.) (2013): Screening Age. Medienbilder – Stereotype – Altersdiskriminierung, Kopaed-Verlag, München.

Ersveröffentlichung: NZZ vom 25.3.2014

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Bildquelle: geralt / Pixabay

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