Wie der Bund den Journalismus fördern kann

22. Juli 2021 • Aktuelle Beiträge, Medienpolitik • von

Öffentliche Förderungen des Journalismus sind unter bestimmten Voraussetzungen verfassungsrechtlich möglich, das hat die Diskussion in einer Konferenz zur Medienzukunft an der TU Dortmund gezeigt. Pascal Schneiders und Matthias Cornils sowie Steffen Augsberg stellten ihre Gutachten zu möglichen Förderungen des Lokal- und Regionaljournalismus bzw. des Wissenschaftsjournalismus vor.

Im Auftrag der Grünen Bundestagsfraktion hat ein Team der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz ein Gutachten zu „Möglichkeiten öffentlicher Förderung von Lokal- und Regionaljournalismus bei Wahrung der Staatsferne“ verfasst. Der Mehrwert des Gutachtens bestehe vor allem darin, dass die kommunikations- und rechtswissenschaftliche Perspektive darin verschränkt worden sei, sagte Pascal Schneiders, der an dem Gutachten mitgewirkt hat und in der Konferenz zur Medienzukunft den kommunikationswissenschaftlichen Teil des Gutachtens vorstellte. Zunächst habe das Team um Junior-Professorin Leyla Dogruel die Effekte von direkter Förderung auf die Angebotsvielfalt journalistischer Leistungen abgeschätzt. Hier seien vor allem in skandinavischen Ländern vielfaltserhaltende Effekte festgestellt worden.

In ihrer Analyse beschäftigte sich das Team mit den Ländern Dänemark, Frankreich, Kanada, Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden und Schweiz, da dort bereits direkte Förderungen für den Journalismus existieren und deren Mediensysteme dem deutschen ähnelten. Das Team analysierte die Förderungen der Länder dann im Hinblick auf Ausstattung, Finanzierungsquellen, Vergabemodus, Förderkriterien und Aufsicht. Ein deutsches Fördersystem für den Lokal- und Regionaljournalismus sollte aus Sicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler folgende Voraussetzungen erfüllen: Es sollte distributions- (multimedial) und geschäftsmodell-offen (für Non-Profit, als auch für For-Profit) gefördert werden und Staatsferne und Transparenz müssten sichergestellt werden. Aus diesen Voraussetzungen bildete das Team dann drei mögliche Fördersysteme: Einen Produktionsprojektfonds, eine Kriterien-gebundene Produktionsunterstützung und einen Innovationsfonds.

Wer ist zuständig?

Wenn man die 200 Mio. Euro, die das Bundeswirtschaftsministerium für die Förderung von Verlagen vorgeschlagen hatte, zugrunde legt, könne sich Schneiders vorstellen, 140 Mio. Euro für die Produktionsunterstützung, 10 Mio. Euro für den Produktionsprojektfonds und 50 Mio. Euro für den Innovationsfonds aufzuwenden. Damit journalistische Medien Gelder zur Produktionsunterstützung erhalten können, müssen sie aus Sicht von Schneiders bestimmte Kriterien erfüllen. Beispielsweise sollten mindestens zwei Vollzeitmitarbeiter in der Redaktion angestellt sein und Professionsstandards eingehalten werden. Die Inhalte sollten einen Bezug zu Lokal- oder Regionalthemen haben und es sollten mindestens 50 Prozent der Inhalte im jährlichen Durchschnitt redaktioneller Herkunft sein. Diese Schwelle solle aber nur für Printprodukte gelten.

Der Werbeanteil dürfte aus Sicht von Schneiders nicht über 50 Prozent liegen und zumindest ein Teil der Inhalte sollte kostenlos zugänglich sein. Wünschenswert sei es darüber hinaus, wenn die Inhalte zumindest im wöchentlichen Rhythmus erscheinen würden. Die Höhe der Förderungen würde sich aus Sicht von Schneiders nach den Redaktionskosten und der Reichweite richten.

Im Impuls von Prof. Matthias Cornils, der den rechtswissenschaftlichen Teil des Gutachtens vorstellte, wurde schnell deutlich, dass auch die Frage nach der Zuständigkeit eine sehr wichtige ist. Für Vielfaltssicherung seien die Länder verantwortlich. Damit der Bund fördern kann, müsse erstmal eine Gesetzgebungskompetenz vorliegen. Diese könne z.B. im Recht der Wirtschaft begründet liegen. Im Sinne eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts könnten auch publizistische und kulturelle Aspekte eine Rolle spielen, wenn auch wirtschaftliche Zwecke verfolgt werden. Eine Produktionsunterstützung oder ein Innovationsfonds mit wirtschaftlichem Schwerpunkt wären also durchaus denkbar.

Projektförderungen sind problematisch

Möglicherweise könne der Bund auch Lokal- und Regionaljournalismus fördern. Cornils argumentierte, dass eine flächendeckende journalistische Versorgung mit Informationen im gesamtstaatlichen Interesse liegen könne. Non-Profit Journalismus könne der Bund aber nicht fördern, da die Wirtschaftlichkeit fehle. Eine Projektförderung sei für den Bund außerdem ebenfalls schwierig, da der Fokus hier eher auf dem publizistischen Wettbewerb liege. Förderungen bestimmter Projekte sieht Cornils als problematisch an, da man hier kaum ausschließen könne, dass nach Inhalten bewertet wird.

Eine Produktions- und Vertriebskostenunterstützung und Innovationsförderungen könne sich Cornils hingegen gut vorstellen, da sie das Gebot der Neutralität nicht verletzten. Außerdem sieht Cornils kein verfassungsrechtlich gebotenes Gießkannenprinzip, dass für jeden, frei von Differenzierung, das Gleiche auswerfe. Vielmehr sei Selektion möglich, sofern die Meinungsneutralität der Auswahlkriterien und Vergabe gewahrt bliebe.

Öffentliche Förderungen sind nicht neu

Steffen Augsberg ist Professor für öffentliches Recht an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Er hat sich in einem Kurzgutachten für die Wissenschafts-Pressekonferenz mit Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Unterstützung des Wissenschaftsjournalismus beschäftigt. „Wir haben es ein bisschen mit einer Lebenslüge zu tun, wenn wir sagen, der Journalismus wird nicht öffentlich gefördert“, so Augsberg. Im Rundfunkbereich sowieso, aber auch im Printjournalismus werde direkt und indirekt gefördert. Eine Staatsfreiheit in einem „radikalen“ Sinne gebe es also keineswegs. Es gibt aus Sicht von Augsberg einerseits ein Bedürfnis nach einem vernünftigen, objektiven und aufgeklärten Wissenschaftsjournalismus. Andererseits sehe man aber Tendenzen, dass gerade am Wissenschaftsjournalismus in den Redaktionen gespart werde.

Die Kompetenzen seien im Wissenschaftsjournalismus anders gelagert, als im Lokal- und Regionaljournalismus, da man das hier eher das Recht der Wissenschaft heranziehen müsse, so Augsberg. Wissenschaftsjournalismus habe eine spezifische Position im Wissenschaftssystem. Inzwischen sollten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Arbeiten selbst an die Öffentlichkeit tragen, obwohl das eigentlich mal die Aufgabe des Wissenschaftsjournalismus gewesen sei.

Wenn Transferleistungen und Popularisierungen der Arbeiten zum Wissenschaftssystem gehören, könnten Wissenschaftsjournalistinnen und Wissenschaftsjournalisten ebenfalls als Teil der Wissenschaft angesehen werden. Der Kompetenztitel wäre also das Recht der Wissenschaft. Das bedeute nicht, dass sie zu „Handlangern“ der Wissenschaft würden. Aus seiner Sicht wäre es sinnvoll, wenn jene die Aufgabe der Kommunikation übernehmen, die sich auch wirklich damit auskennen, also Journalistinnen und Journalisten. Was die konkrete Ausgestaltung der Förderung angehe, stimmte Augsberg seinem Kollegen Cornils zu, dass eine politische Einflussnahme ausgeschlossen werden müsse und deshalb keine Inhaltsbewertung vorgenommen werden dürfe.

 

Bildquelle: pixabay.com

 

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