Im links-grünen Publikum verankert

25. September 2019 • Aktuelle Beiträge, Qualität & Ethik • von

Stephan Russ-Mohl konstatiert mittels einer Reuters-Studie: ARD und ZDF vertiefen die politische Spaltung in Deutschland.

Die Forschungsergebnisse sind alarmierend: ARD und ZDF erreichen mit ihren Programmen noch nicht einmal mehr ein Zehntel der Menschen unter 25. Mit Nachrichten versorgt sich diese Altersgruppe eher auf Facebook und Youtube als bei den deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern. Obendrein haben ARD und ZDF das Problem, dass sie ihr Publikum sehr stark im linken Spektrum finden. Andere öffentlich-rechtliche Sender in Europa haben unter ihren Hörern und Zuschauern dagegen zu etwa gleichen Teilen Nutzer links und rechts von der politischen Mitte – was sich als Indiz für eine gelingende politische Integrationsleistung werten lässt.

Die Zahlen entstammen einer vergleichenden Studie, die das Reuters Institut der Universität Oxford vorgelegt hat. Die Medienforscher Anne Schulz, David Levy und Rasmus Kleis Nielsen vergleichen darin, wie in acht europäischen Ländern öffentlich-rechtlicher Rundfunk genutzt wird. In ihrem Sample befinden sich drei Länder, in denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk vergleichsweise viel Geld und eine lange Tradition politischer Unabhängigkeit hat: Deutschland, Großbritannien und Finnland. In vier weiteren Ländern verfügt er über deutlich weniger Ressourcen und ist stärkerem Regierungseinfluss ausgesetzt: Spanien, Frankreich, Italien und Griechenland. Tschechien ist das einzige osteuropäische untersuchte Land.

Breites Publikum wird nicht erreicht

Generell stellen die Forscher fest, dass öffentlich-rechtliche Anbieter in Europa sich zunehmend schwer damit tun, ein breites Publikum zu erreichen. Ihre Zuschauer, Hörer und auch ihre Online-Nutzer sind überaltert und überdurchschnittlich gebildet. Soll heißen, gerade jene Altersgruppen und jene Schichten werden nicht erreicht, für die öffentlich-rechtliche Nachrichten-, Unterhaltungs- und Bildungsangebote als eine Art „Nachhilfe-Unterricht“ im Interesse einer funktionsfähigen Demokratie einen besonders hohen Stellenwert haben sollten.

Immerhin attestieren die Forscher den meisten untersuchten Sendern, dass sie ein „politisch diverses“ Publikum erreichen. Die Ausreißer – etwa im Vergleich mit der britischen BBC – sind hier ARD und ZDF, die den Forschern zufolge fest im links-grünen Lager des Publikums verankert sind. Getoppt wird das nur noch vom griechischen öffentlichen Rundfunk, der allerdings viel stärker regierungs-beeinflusst ist. Die Daten – und das ist der eigentlich brisante Befund – legen nahe, dass ARD und ZDF mit ihren politischen Programmen die politische Spaltung in Deutschland eher vertiefen als überbrücken.

Schwache Online-Nutzung

Online erreichen übrigens alle untersuchten Anbieter kaum mehr Nutzer als offline. Spitzenreiter ist die BBC mit einem Plus von immerhin zehn Prozent, alle anderen bewegen sich nur zwischen zwei und fünf Prozent – was bedeutet, dass sie bisher in der von Mobiltelefonen und digitalen Plattformen dominierten neuen Medienwelt so gut wie gar nicht Fuß gefasst haben. Öffentlich-rechtlichen Medien gelinge es insbesondere online nicht, einen „universellen Nachrichten-Service“ zu offerieren, resümieren die Forscher. Sie gehörten zwar zu den Nachrichtenmedien, denen die Menschen weithin vertrauten – darunter seien aber deutlich weniger Nutzer „mit rechten oder populistischen Ansichten“.

Für den künftigen ARD-Vorsitzenden Tom Buhrow und für seinen Intendantenkollegen vom ZDF gäbe es also viel zu tun, wenn sie den Grundversorgungsauftrag ernst nähmen, statt immer nur zusätzliche Rundfunkbeiträge einzufordern. Die deutschen Öffentlich-Rechtlichen sind nämlich, auch das belegt die Studie, bereits bei den Beitragseinnahmen weltweit „Spitzenverdiener“, und Tom Buhrow erhält als WDR-Intendant höhere Bezüge als die Bundeskanzlerin.

Erstveröffentlichung: tagesspiegel.de vom 22. September 2019

Bildquelle: Tim Reckmann / Flickr CC: Beitragsservice; Lizenzbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/

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