Colin Porlezza vom Institut für Medien und Journalismus an der Universität Lugano hat mit dem EJO über Qualitätsmanagement und Ethik-Kodizes im Internet gesprochen.
Herr Porlezza, gibt es in der Schweiz erfolgreiche Beispiele für Media Accountability?
Es kommt ganz darauf an, was man unter einem erfolgreichen Beispiel versteht: ist das Bestehen eines Presserates bereits ein Erfolg – obwohl er nur über beschränkte Sanktionsmöglichkeiten verfügt? Oder ist das Vorhandensein von Ombudsmännern ebenso positiv, obwohl ihre öffentliche Präsenz nahezu nicht vorhanden ist? Jedenfalls ist zumindest das Geflecht an Infrastrukturen zur journalistischen Qualitätssicherung in der Schweiz relativ breit und durch Kontinuität gezeichnet. Ein erfolgreiches Beispiel ist sicherlich die Voraussetzung von gewissen Qualitätsstandards bei der Vergabe von Fernseh- und Radiokonzessionen. Außerdem scheint in der Schweiz das Qualitätsbewusstsein allgemein relativ hoch zu sein, obwohl dieses ein konkretes Qualitätsmanagement bei weitem nicht ersetzen kann.
Ein jüngeres und viel versprechendes Beispiel der Qualitätssicherung ist aber sicherlich die Wiederbelebung des Medienjournalismus im Internet: während er in den „alten“ Medien langsam aber sicher ausstirbt, erlebt er online dank einiger „Watchdogs“ – oder besser „Watchblogs“ – einen zweiten Frühling.
Sollte Ihrer Meinung nach für den Online-Journalismus ein neuer Ethik-Kodex entwickelt werden?
Der Schweizer Presserat hat sich exakt mit dieser Fragestellung in einer Stellungnahme aus dem Jahr 2000 befasst und festgehalten, dass die berufsethischen Regeln auch für den Journalismus im Internet gelten. So sei zum Beispiel auch im Internet darauf zu achten, dass journalistische Inhalte und Werbung klar getrennt und kommerzielle Links transparent gemacht würden. Problematisch dabei ist nur, dass das Internet global vernetzt ist und überall genutzt werden kann.
Nationale Ethik-Kodizes scheinen deshalb nur eine begrenzte Reichweite zu haben, sofern Presseräte oder ähnliche Institutionen nicht international zusammenwirken, was meines Erachtens nur schwer zu bewerkstelligen ist. Außerdem wird es in Zukunft ohnehin immer schwieriger, Informationen aus dem Internet in journalistische und alternative Angebote wie Blogs zu unterscheiden, was das Vorhaben eines Online-Ethik-Kodex noch zusätzlich erschwert.
Was war eine der wichtigsten Innovationen im Journalismus in der Schweiz in der jüngsten Vergangenheit?
Eine der wichtigsten Innovation im Schweizer Journalismus ist das verbesserte Zusammenwirken von Print und Online. Obwohl es auch hier noch viel Raum für Optimierung gibt, sind die Zeitungsunternehmen – wenn auch nur langsam – davon weg gekommen, die gedruckten Beiträge einfach ins Netz zu stellen. Davon zeugen auch die zahlreichen neuen und integrierten Newsdesks in den Medienunternehmen, welche die Online-Redaktionen im Vergleich zu vergangenen Jahren aufgewertet haben.
Obendrein sorgt die kontinuierlich wachsende Online-Community mit Medien- und Watchblogs für frischen Wind in der Medienlandschaft. Die vielfach originellen Beiträge legen überdies manche Interessen und undurchsichtigen Verflechtungen in der Medienindustrie offen, die ansonsten im Verborgenen blieben.
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