Erstveröffentlichung: Message 1/04
Enrico Morresis Buch zur Ethik des Nachrichten-Journalismus ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Es schlägt Brücken zwischen dem Norden und Süden Europas, also zwischen den romanischen und den eher angelsächsisch geprägten Journalismus-Kulturen, aber auch zwischen philosophischen Ethik-Diskursen und der journalistischen Praxis.
Dabei beschränkt sich Morresi sinnvollerweise auf den Nachrichten-Journalismus. Dessen jüngste, problematische Entwicklungen werden unter die Lupe genommen – die Stichworte sind Fragmentierung und Beschleunigung. Morresi denunziert eine «Ideologie der Nachricht», die – als Folgeerscheinung des information overload in modernen Gesellschaften – zu sehr auf Vereinfachung und auf das emotionale Aufladen von Themen setze. Der Autor unterstreicht, wie wichtig es aus ethischer Sicht wäre, den Journalismus zu re-legitimieren. Seine Kernthese ist, dass «Information ein öffentliches Gut» ist, und dass folglich eine «öffentliche Ethik» die Prinzipien und Regeln des Informationsjournalismus und deren Anwendung stützen sollte.
Das Buch gibt einen guten Überblick. Gelegentlich mangelnde Systematik wird mehr als wettgemacht durch viele Beispiele aus der Praxis, die das Verständnis erleichtern. Aus der besonders reichhaltigen, aber auch heterogenen Bibliographie können nicht nur Wissenschaftler Honig saugen.
Enrico Morresi. Etica della notizia. Fondazione e critica della morale giornalistica. Bellinzona: Casagrande, 2003, 281 Seiten.
Schlagwörter:Enrico Morresi, Europa, Journalismus-Kulturen, Rezension