Bei der NZZ haben sie nun zumindest ein Problem gelöst. Es ist das Führungsproblem.
So viel Klischee muss sein. Wenn man über einen österreichischen Medienmanager schreibt, dann muss man mit einem Österreicher-Witz beginnen.
Also gut, der Witz geht so: Warum stellt ein Österreicher eine leere Weinflasche in den Kühlschrank? Es könnte ja sein, dass jemand zu Besuch kommt, der keinen Alkohol trinkt.
Und damit wären wir bei Veit Dengler. Der österreichische CEO der NZZ-Mediengruppe ging letzte Woche. Er ging fristlos. Die Flasche war leer.
Abgänge von Topmanagern sind immer dann von Interesse, wenn sie spezielle Umstände haben. Das war der Fall. Dass man sich Knall auf Fall von Dengler trennte, sagt einiges über das Innenleben der NZZ.
Das Innenleben ist schnell beschrieben. Der Chef im Haus heißt nun definitiv Etienne Jornod.
VR-Präsident Jornod verabschiedete Dengler, weil ihm sein Management-Stil nicht behagte. Er machte daraus kein Geheimnis. Im Communiqué zur Trennung stand denn auch, VR und Firmenchef hätten „unterschiedliche Auffassungen“ darüber, „wie die Strategie umzusetzen ist“.
Das war eine ziemlich vergiftete Formulierung. Die „Umsetzung“ ist in jeder Firma der Job des CEO. Wenn es darüber „unterschiedliche Auffassungen“ gibt, heißt das auf Deutsch: Der operative Chef machte einen schlechten Job.
Seit Dengler 2013 zur NZZ-Gruppe gestoßen ist, wiederholte sich jedenfalls stets dasselbe Muster. Er kündigte allerlei hochfliegende Ideen an, wie das Haus in Schwung kommen sollte. Wenn die Ideen dann beschlossen waren, verlor Dengler das Interesse. Er ließ die Dinge im Alltag operativ schleifen und wandte sich neuen Ideen zu.
Dengler, sagt man intern, wäre ideal gewesen als kreativer Berater der NZZ. Dummerweise war er ihr Chef.
Der sichtbarste Flop war sein Internet-Portal in Wien. Unter dem Titel Nzz.at sollte der konservative Zeitungsverlag seine internationale und digitale Innovationskraft beweisen. Es war ungefähr so, wie wenn Rolls-Royce Marktführer bei Elektroautos werden wollte.
Dengler sah dem Projekt zu lange zu. Im Frühjahr wurde es nach Verlusten von rund zehn Millionen eingestellt.
Wenig operative Lust hatte Dengler auch bei anderen Neugeschäften. So übernahm er 2014 den Dienstleister Moneyhouse, der Firmeninfos anbietet. Kaum war der Marktführer an die NZZ-Gruppe übergegangen, verlor Dengler das Interesse, und die Firma stürzte in die roten Zahlen.
Kein Erfolg war auch die Übernahme des Wirtschafts-Symposiums Swiss Economic Forum. Auch hier gingen die Businesspläne nicht auf. Dengler reagierte mit einer seiner neuen Ideen und kaufte das Zürcher Filmfestival, bei dem Glamour-Figuren wie Hugh Grant und Uma Thurman aufmarschieren – typisch NZZ eben.
Am meisten über Denglers Stil ärgerte sich VR-Präsident Jornod. Er war ab 1996 Präsident und lange auch CEO von Galenica, die er von einer Einkaufskette für Apotheken in einen Pharmaziekonzern mit vier Milliarden Umsatz umbaute. Er wusste darum, wie wichtig im Management auch die Kleinarbeit ist.
Jornod wollte Dengler schon vor einem Jahr loswerden. Aber ihm waren die Hände gebunden. Noch immer lähmte ihn die Affäre, dass er Markus Somm von der Basler Zeitung zum NZZ-Chefredaktor machen wollte und er damit einen Proteststurm auslöste. Zugleich war er bei Galenica bis zum Hals eingespannt, weil sich der Konzern in zwei börsenkotierte -Unternehmen aufteilte. Mitte Mai 2017 war dieser Prozess abgeschlossen.
Nun wartete Jornod nicht mehr zu. Zwei Wochen später trennte er sich von Veit Dengler. Seitdem ist klar, wer bei der NZZ das Sagen hat.
Erstveröffentlichung: Weltwoche vom 15. Juni 2017
Bildquelle: Nicolas Nova / Flickr CC: NZZ; Lizenzbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/
Schlagwörter:Etienne Jornod, Moneyhouse, NZZ, Nzz.at, Swiss Economic Forum, Veit Dengler, Zürcher Filmfestival