Kulissenschieber im Kampf um Medienfreiheit

26. Mai 2006 • Medienökonomie • von

Erstveröffentlichung: Neue Zürcher Zeitung

Die jüngst bekannt gewordene Bespitzelung deutscher Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst scheint einigen Medien gleichzeitig ein willkommener Anlass zu sein, sich als Helden im Kampf gegen Finsterlinge im Staatsapparat zu zu inszenieren.

Der «Spiegel» legte diese Woche den Sachverhalt in einem episch langen Artikel dar. Die Empörung über die Spitzeltätigkeiten wirkt allerdings etwas weinerlich. Auch wenn der Geheimdienst zu weit gegangen ist, kann man es ihm nicht verargen, dass er versucht, Informationslecks in seinem Betrieb zu stopfen. Journalisten wiederum, die Geheimnisse oder Vertraulichkeiten publizieren, sollten nicht noch staatliche Zärtlichkeiten erwarten.

Selbstinszenierungen

Die Inszenierung von Heroismus und journalistischer Autonomie gehört inzwischen zur Vermarktungsstrategie auf einem wettbewerbsintensiven Medienmarkt. Das war im Fall des Magazins «Cicero» ebenfalls zu beobachten, als es zu Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen kam, weil ein Artikel über den Terroristen al- Zarkawi geheime Ermittlungsergebnisse publik machte. Oder im Fall des «Sonntags-Blicks», der Anfang Jahr in völlig überrissener Aufmachung und Interpretation ein geheimes Fax-Dokument veröffentlichte, in dem von der Existenz von CIA-Gefängnissen in Europa die Rede ist. Auch wenn solche Enthüllungen nicht wirklich Bestseller sind und keineswegs hohe Absatzzahlen wie etwa im Falle von Panini-Bilder-Aktionen erreichen, so stellen sie zumindest Versuche dar, auf dem Meinungs- und Debattenmarkt Punkte und Reputation zu gewinnen.

Die Skandalisierung behördlicher Verteidigungsmassnahmen wirkt allerdings wie eine Ersatzhandlung angesichts der subtileren und nachhaltigeren Beeinflussungsversuche durch politische Akteure. Geld ist dabei vor allem im Spiel. Getarnt werden die Transaktionen als Produktionszuschüsse oder kostenlos zur Verfügung gestelltes Hintergrundmaterial. Da Letzteres professionell aufbereitet wird, gelangt es öfters eins zu eins in die Medienkanäle. Es gibt zahlreiche Medienbetriebe, die finanziell knapp dran sind und entsprechend an preisfreiem Material interessiert sind. Vor einem Jahr legte die «New York Times» dar, wie etliche Abteilungen der US- Regierung Hunderte von Fernsehbeiträgen produzieren liessen, die insbesondere von Lokalfernsehstationen weiterverbreitet wurden. Diese gaben die PR-Filme teilweise gar bewusst als Eigenbeiträge aus. Ein bekannter Radio- und Zeitungskommentator wiederum erhielt 240 000 Dollar dafür, dass er eine Bildungsinitiative der Regierung unterstützte.

«Produktionskostenzuschüsse»

Wirtschaftsunternehmen dürften ähnliche Medienstrategien verfolgen. Im vergangenen Jahr wurden denn auch zahlreiche Fälle von systematisch betriebener Schleichwerbung im deutschen Fernsehen enthüllt. Wie erst jetzt bekannt wurde, bezog die ARD gar «Produktionskostenzuschüsse» für die Promotion von Musiktiteln, die sie in der «Sportschau» abspielte. Ferner wurde publik, dass öffentliche Fernsehsender für gewisse Berichte Zuschüsse von staatlichen Stellen akzeptierten.

Auch die EU-Kommission bleibt nicht untätig. Gemäss einer Mitteilung der vergangenen Woche stellt sie zehn Millionen Euro zur Verfügung, um Fernsehberichte über EU-Themen zu unterstützen, welche von den Medien vernachlässigt werden. Pro Beitrag gibt es maximal 250 000 Euro. Bisher verband die Kommission ihre Subventionen mit der Verpflichtung, dass die Fernsehberichte das Ansehen der EU nicht schädigen dürfen. Nach öffentlicher Kritik nimmt sie nun davon Abstand. Die Geldempfänger erhalten «vollständige redaktionelle Freiheit». Immerhin will die EU-Kommission die Sender verpflichten, die Förderbeiträge zu deklarieren. Doch welcher Konsument nimmt schon televisuelle Beipackzettel zur Kenntnis.

Die Medien müssen ihre publizistische Freiheit in einem Umfeld behaupten, das von potenten Kommunikationsmaschinen geprägt ist. Fritz Plasser (Universität Innsbruck) schätzt, dass in den USA 150 000 bis 170 000 Personen mit politischem Informationsmanagement beschäftigt sind, während es bloss 115 000 hauptberufliche Nachrichtenredaktoren und Journalisten gibt. Wie er an einer Tagung in Zürich erläuterte, hat sich in Deutschland, Schweden, Grossbritannien und Österreich der Anteil von Mitarbeitern in Regierung und Parteizentralen, welche politische Kommunikation betreiben, in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht. Die britische Regierung gab im Jahr 2003 207 Millionen Euro für Werbung und Public Relations aus, die deutsche Regierung 88 Millionen Euro. In der Schweiz wiederum zählen die öffentlichen Verwaltungen zu den wichtigsten Kunden der hiesigen politischen Kommunikationsberater, wie eine Studie der Universität Zürich (IPMZ) ermittelte.

Kommunikationsabteilungen sind indessen nicht einfach böse Instrumente zur Manipulation von Medienproduktionen, sondern können als Dienstleister zur Klärung komplexer Sachlagen beitragen. Allerdings wächst ihre Deutungsmacht in dem Masse, wie die Medienbetriebe ihre journalistischen Apparate verschlanken (müssen).

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