Erstveröffentlichung: Werbewoche
Die regelmässige redaktionelle Beobachtung des eigenen Metiers: für Medien aller Art ein sicheres und erst noch kostengünstiges Mittel zur Steigerung ihrer Glaubwürdigkeit und Attraktivität.
Zumindest parziell lässt sich die Krise der Printmedien auf hausgemachtes Kommunikationsversagen zurückführen. Die Medien selbst haben das Publikum lange in dem Glauben bestärkt, professionell recherchierte und aufbereitete Information sei zum Nulltarif zu haben; für Staatsbürger bestehe quasi ein Anrecht darauf, umfassend und kostenlos informiert zu werden.
Ausserdem haben die Medien jahrzehntelang über alles, nur nicht über sich selbst berichtet. Wer wissen wollte, wie Journalismus funktioniert und redaktioneller Inhalt erstellt wird, hat darüber in seiner Zeitung genauso wenig erfahren wie im Fernsehen. Viele Verleger, Intendanten und Chefredaktoren haben es lange verdrängt und offenbar heute noch nicht ganz begriffen, dass ihre Arbeit als Gegenstand der Berichterstattung ebenso interessant und relevant ist wie die Politik oder Wirtschaft.
Nach einer kurzen Blütephase wurde der Medienjournalismus in letzter Zeit wieder drastisch dezimiert – jedenfalls in der Schweiz und Deutschland. Krisenbedingt wurden die dafür eingerichteten Ressorts gleich reihenweise dicht gemacht. Ob «Weltwoche», «Tages-Anzeiger», «Facts» oder der «Bund»: Alle scheinen auf eigene Medienseiten bereits wieder verzichten zu können.
Dies halte ich für eine kapitale Fehlkalkulation. Hier sägen Chefredaktoren und Verlagsmanager wild entschlossen an jenem Ast, auf dem sie selber allesamt sitzen. Denn sie berauben sich der einzigen Plattform, über die sie mit einer breiteren Öffentlichkeit glaubwürdig übers eigene Metier kommunizieren können. Wo derlei Aufklärung unterbleibt, so warnte der Zürcher Publizistikprofessor Ulrich Saxer schon vor Jahren, hat das Publikum kaum eine Chance, eigene Qualitätskriterien zu entwickeln. Vielleicht lesen ja auch deshalb so viele Jugendliche «20 Minuten» statt «Tagi» oder «NZZ», weil ihnen niemand beigebracht hat, worin deren Mehrwert bestehen könnte und weshalb es sich womöglich lohnt, lieber eine Zeitung statt eine Dose Cola zu kaufen.
Auch am Kunden orientierte Grossunternehmen, Ministerien und Non-Profit-Organisationen verlassen sich nicht allein auf Werbung und direkte Ansprache, sondern betreiben zudem aktive Öffentlichkeitsarbeit. Medienmitteilungen von Novartis, BMW und Swisscom bedürfen der redaktionellen «Verkleidung» respektive Einbettung, um bei ihrem Zielpublikum wirkungsvoll und glaubwürdig anzukommen.
Diesen steinigen Weg müssen auch Medienunternehmen gehen. Doch genau dieser Möglichkeit, auf speziellen Seiten regelmässig und kompetent übers eigene Metier und dessen Anliegen zu berichten, berauben sich die Medien zunehmend selber.
Diesen Zweck erreicht man natürlich nicht mit einem Ressort, das sich von der internen PR-Abteilung instrumentalisieren lässt. Professioneller Medienjournalismus zeichnet sich dadurch aus, dass er der Selbstbeweihräucherung und Cross-Promotion ebenso widersteht wie allen Versuchungen, die Konkurrenz mit Häme zu übergiessen oder totzuschweigen.
Im Gegenteil: Für glaubwürdigen, fairen und ausgewogenen Medienjournalismus ist gelegentliche Selbstkritik geradezu konstitutiv. Dass und wie man so etwas institutionalisieren kann, machen uns grosse amerikanische Tageszeitungen seit Jahren vor.
Wer also glaubt, Medienjournalismus sei entbehrlich, trägt dazu bei, dass Journalismus insgesamt überflüssig werden könnte: Wenn Verlagshäuser in ihre PR-Abteilungen investieren, andererseits aber meinen, ungestraft Journalisten wegrationalisieren zu können, die übers eigene Fach berichten, ist das definitiv das falsche Signal. Zumal in einer Gesellschaft, in der traditioneller Journalismus ohnehin zunehmend von innovativer PR verdrängt wird.
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