Schweizer Wissenschaftsjournalisten sind mehrheitlich zufrieden mit den Leistungen ihres Metiers. Aber sie erkennen Krisensymptome, wie eine erstmalige Umfrage zeigt.
Präimplantationsdiagnostik, Nanotechnologie, Klimawandel – all das sind komplexe Themen, über die sich Bürger und Entscheidungsträger oftmals in den Medien informieren. Wissenschaftsjournalisten sind dabei zentral, sind sie doch die Expertinnen und Experten, die derartige Themen kompetent einschätzen und dem Publikum darstellen können. Allerdings steckt der Wissenschaftsjournalismus gegenwärtig in vielen Ländern in der Krise. Nutzerzahlen und Werbeeinnahmen der Massenmedien sinken, und dies führt zu Kosteneinsparungen. Davon sind spezialisierte, in Medienhäusern als eher randständig wahrgenommene und vergleichsweise teure Ressorts am ehesten betroffen – wie eben das Wissenschaftsressort. So lässt sich erklären, dass in den USA von 95 Wissenschaftsressorts, die es 1989 gab, nur noch 19 existieren und dass dort selbst etablierte Medien wie CNN ihr Wissenschafts- und Technologieressort geschlossen haben.
Auch in der Schweiz lassen sich Indizien einer Krise ausmachen. Studien zum Schweizer Wissenschaftsjournalismus sind allerdings rar, und dabei wurde bisher – zuletzt von Michael Schanne und Michael Näf – auch nur untersucht, wie Wissenschaft in den hiesigen Medien dargestellt wird. Befragungen der Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten, die es in anderen Ländern immer wieder gibt, lagen in der Schweiz bisher nicht vor. Sabine Lorencez hat nun in ihrer Masterarbeit am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich (IPMZ) 78 Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten interviewt, das heißt ein Drittel der ordentlichen Mitglieder des Schweizer Klubs für Wissenschaftsjournalismus. Teilgenommen haben Journalisten von Presse, Radio, Fernsehen und Online-Medien aller Sprachregionen. Sie waren durchschnittlich 47 Jahre alt, etwa zu gleichen Teilen Männer und Frauen. Sie berichten vornehmlich über Themen aus Medizin sowie Natur- und Ingenieurwissenschaften, seltener dagegen aus Geistes- und Sozialwissenschaften.
Die Studie zeigt, dass der hiesige Wissenschaftsjournalismus nach Ansicht seiner Protagonisten gut dasteht. Die Befragten sind, grosso modo, mit ihren Arbeitsbedingungen und -produkten zufrieden und würden Freunden und Bekannten eine Tätigkeit als Wissenschaftsjournalist empfehlen. Fast zwei Drittel (63%) halten die Qualität des Schweizer Wissenschaftsjournalismus für „gut“ oder „sehr gut“, während sie nur 5,5% als „schlecht“ oder „sehr schlecht“ einschätzen. Entsprechend sieht nur jeder fünfte Befragte den Wissenschaftsjournalismus in einer Krise. 42% stehen dieser Diagnose ambivalent gegenüber, und 38% lehnen sie ab.
Dennoch nehmen viele Befragte eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen wahr. Mehr als die Hälfte gibt an, mehr Beiträge produzieren zu müssen (62%) und dafür weniger Zeit zu haben (55%) – dies gilt vor allem für Mitarbeiter des öffentlichen Rundfunks. Zudem haben viele Befragte – gerade aus Tageszeitungsredaktionen – Sachmittel- (49%) oder Personalkürzungen (45%) erlebt und nehmen die Finanzierung ihres Mediums als unsicher wahr (47%). Die Arbeitsbedingungen scheinen sich also zu verschlechtern – auch wenn der Schweizer Wissenschaftsjournalismus aus Sicht seiner Vertreter noch in gutem Zustand ist. Im Hinblick auf knappere Ressourcen und schwindende Zeitbudgets dürfte es für die Journalisten angesichts der immer professionelleren Wissenschafts-PR von Unternehmen, Forschungseinrichtungen, NGO und auch Universitäten künftig schwerer werden, der Auswahl und Bewertung der Themen die notwendige Sorgfalt entgegenzubringen. Wissenschafts- und medienpolitisch wäre darüber zu diskutieren, wie der Wissenschaftsjournalismus seiner Orientierungsfunktion auch künftig gerecht werden kann.
Erstveröffentlichung: Neue Zürcher Zeitung vom 13. Februar 2016
Bildquelle: pixabay.com
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Schlagwörter:Arbeitsbedingungen, IPMZ, Sabine Lorencez, Schweiz, Wissenschaftsjournalismus, Wissenschaftsjournalisten